Runde Geburtstage Elisabeth Sandmann (60)

Elisabeth Sandmann wird heute sechzig Jahre alt. Der Verlegerin gratuliert ihr belgischer Kollege Prof. Jan Martens.

Elisabeth Sandmann © Jan Russok

Wichtige Ereignisse und Begegnungen vergisst man als Verleger nie. Das habe ich nach und nach beim Älterwerden erfahren. Wichtig ist nicht nur, was zu einer Änderung in deinem Leben führt, sondern vor allem, was deinen Blick auf die Welt beeinflusst, wie du deine Werte ausrichtest und wie du sie beherzigst. Wichtig ist das, was uns besser macht. In diesen Sinne war meine Begegnung mit Elisabeth ein wichtiges Ereignis. Im Jahr 2000 lernte ich sie anlässlich des Summermeetings der internationalen Verlegergruppe Motovun in Italien kennen. Ich war damals Präsident der Gruppe, ebenso wie der Verleger des Kunstbuchverlags Mercatorfonds in Brüssel. Wir freundeten uns schnell an. Ihr Mann, der Verleger Friedrich-Karl Sandmann, war damals bereits seit vielen Jahren mein Freund. 

2004 gründete sie ihren Verlag, den Elisabeth Sandmann Verlag, in München und es war in diesem Jahr, in dem die Motovun-Gruppe durch den plötzlichen Tod von Jürgen Braunschweiger und verschiedene andere Umstände in eine Krise geriet. Die Gründer der Gruppe, zu denen ich zählte, waren alle schon über 65 und gehörten einer Generation an, die sich schwer tat, die Fackel zu übergeben.

Es stellte sich die Frage, wem von den Jüngeren wir einen Neustart zutrauen würden. Heiner Taubert schlug Elisabeth vor und der Motovun-Gründer Bato Tomasevic und ich berieten uns und kamen zu dem Ergebnis, dass dies eine gute Wahl sein würde. So trat ich als Präsident zurück und übernahm die Position des Chairman, und Elisabeth, damals noch nicht einmal Mitglied, wurde 2006 in Dresden als erste Frau dieser internationalen Verlegervereinigung in das Amt der Präsidentin gewählt, um es anschließend neun Jahre lang sehr erfolgreich auszuführen. 

Sie musste nicht nur Modernisierungen durchsetzen, die Finanzen ordnen, neue Mitglieder gewinnen, sondern auch die Bedürfnisse der Älteren mit den Interessen der Jüngeren in eine Balance bringen. Kein leichtes Unterfangen, aber Elisabeth hat das mit ihrer analytischen und pragmatischen Fähigkeit, ihrer Durchsetzungsstärke, ihren klaren Visionen und nicht zuletzt ihrem Charme grandios gemeistert. Sie ist Widerständen und Konfrontationen nie aus dem Weg gegangen, und man durfte sie nicht unterschätzen. Immer erkannte sie das Wesen der Dinge, sie erkannte, die Wichtigkeit bestimmter Situationen, Inhalte und Anlässe; die Mittel sollten folgen. So setzte sie die Entscheidung, den 45. Geburtstag der Gruppe glanzreich zu feiern, gegen den Willen älterer Mitglieder durch, die nur die Kosten vor Augen hatten. Für Elisabeth war der Grund der Sache, die internationale Werbung für die Gruppe, wichtiger als die Mittel. Die Mittel sollte sie finden und das Fest im Wasserturm war ein Höhepunkt der öffentlichen Wahrnehmung der Gruppe und ein Highlight der Frankfurter Buchmesse. Und die Ungläubigen und Treulosen blieben höchst erstaunt zurück…

Die Gruppe wuchs nicht nur schnell, sie gewann auch ein neues internationales Profil. Kamen zu den Treffen in London oder Frankfurt am Anfang 20 Personen, so waren es bald 80 in London und 120 in Frankfurt. Aber wir wuchsen nicht nur, Elisabeth brachte auch Glamour in einen Verein, der noch im alten Jugoslawien gegründet worden war, um einen besseren Kulturaustausch zwischen Ost und West zu ermöglichen. Bato Tomasevic nannte die Nominierung von Elisabeth später einmal a stroke of luck. Für mich war sie die Metapher der jugendlichen Kraft und Schönheit; um es mit den Worten einer alten italienischen Canzone zu sagen: Giovinezza, giovinezza / Primavera di bellezza.

Unvergessen sind Elisabeths prägnante, kluge und persönliche Reden, die sie drei Mal im Jahr in ihrem exzellenten Englisch hielt, die jede für sich eine besondere Botschaft vermittelten und die sich durch ihren Sprachwitz auszeichneten.

Als sie 2015 beschloss, es sei nun genug, und als Präsidentin zurücktrat, übergab sie den Verein in einem Topzustand an ihren Nachfolger. Im Jahr 2018 war sie es, die ermöglichte, dass die Gruppe für die alljährliche Sommertagung nach Cumberland Lodge in England reisen konnte, wo wir während des Gottesdienstes in der kleinen Kapelle die Queen leibhaftig erlebten, der Elisabeth bereits vorher (2x!!) persönlich begegnet war, um ihr eines ihrer Bücher zu übergeben. 

Zurück also zu Elisabeth als Verlegerin. Sie hat ihre Lehre im Suhrkamp Verlag in Frankfurt gemacht und war während ihres Studiums der Vergleichenden Literatur und Kunstgeschichte in Bonn und Oxford Bertelsmann Stipendiatin des Frauenbuchverlags Virago Press in London. Die Zeit bei den Verlegerinnen muss sie sehr geprägt haben, denn 2005, und ein knappes Jahr nach der Gründung, landete sie mit „Frauen, die lesen, sind gefährlich“ einen internationalen Bestseller, den wir bei Mercatorfonds später als Lizenz übernahmen. Damals hat Elisabeth ihr Motto und ihr Thema gefunden, nämlich vor allem Bücher für und über Frauen zu verlegen. Vergessene Lebensgeschichten würden sie interessieren, hat sie mir einmal gesagt, und das sei der rote Faden, der sich durch das Programm zöge.

Im Jahr 2015 hat sie ihr erstes Buch geschrieben, Der gestohlene Klimt und sich darin intensiv mit Naziraubkunst und Restitution auseinandergesetzt. Sie widmete es Charles Goldstein, der auf diesem Gebiet als Anwalt ein Spezialist war. Elisabeth hat ihn 2013 zu unserem Summer Meeting nach Avignon eingeladen, wo er eine bewegende und bis heute unvergessene Rede über von Nazis geraubte Kunst hielt. 

2016 hat Elisabeth ihren Verlag mehrheitlich an den Suhrkamp Verlag übergeben. Das muss einem erst einmal gelingen, und sie hat es verdient, einen so hochkarätigen Partner zu finden.

Elisabeth und ich haben immer wieder sehr erfolgreich kooperiert und tun dies bis heute. Dabei habe ich Elisabeths kritischen Verstand immer sehr geschätzt, ebenso wie ihren klaren Stil, sprachlichen Feinsinn und ihre absolute Begeisterungsfähigkeit für Themen und Bücher. 

In diesen Wochen habe ich zusammen mit dem Internationalen Pen Club ein wichtiges und bewegendes Buch über dessen 100-jährigen Kampf für das freie Wort fertiggestellt, das 2021 in verschiedenen Ländern erscheinen wird. Im deutschsprachigen Raum ist Elisabeth, im Verbund mit Suhrkamp, unsere Partnerin, und darüber freuen wir uns sehr.

Elisabeth feiert heute ihren 60. Geburtstag. Ich werde bald 80. Weil ich ganz jung meine ersten Kinder gehabt habe, hätte sie meine Tochter sein können. Eine Generation trennt uns, aber jenseits der Bindung des Blutes oder der Enge der Liebe, ist mir eine Frau nie so nahe gewesen wie Elisabeth. Diese Geistesverwandschaft, die mich befähigt, diese Zeilen zu schreiben, ist begründet in den Werten, die sie immer mit ihren Autorinnen und Autoren, Partnerinnen und Partnern teilen wollte: Respekt, Offenheit, Großzügigkeit, Engagement, Loyalität; ebenso wie die Gaben ihrer Auffassungskraft und Gefühlskraft.

Man hört oft auf Französisch: Derrière chaque grand homme il y a une femme. Ohne mich in eine Debatte um Geschlechtergerechtigkeit vertiefen zu wollen, sollte man nicht vergessen, dass hinter Elisabeth zwei stärke Männer stehen: ihr Ehemann Friedrich-Karl und ihr Sohn Philipp.

Liebe Elisabeth, 60 Jahre sind leichter zu dritt zu tragen denn alleine. Deine schöne Sandmann-Familie lebt auch im Herzen meiner Kinder Dan und Elias, und ihre Wünsche schließen sich meinen an: Vivat, vivat, semper vivat!

Jan   

Kontakt:   esandmann@esverlag.de  

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