Runde Geburtstage Gottfried Honnefelder (75)

Prof. Dr. Gottfried Honnefelder wird heute 75 Jahre alt. Als Vorsteher unseres Börsenvereins hat er von 2006 bis 2013 Maßstäbe gesetzt; seither hat er sich selbst ein totales Schweigen zu allen Branchenthemen verordnet. Was aber nicht heißt, dass wir seinen runden Geburtstag heute verschweigen. Und mehr noch: Sein Freund Rainer Grotthuis hat in „12 auf 75 Miszellen“ auch ein paar seiner privaten Seiten aufgeblättert:

Gottfried Honnefelder in der 3Sat-Sendung KULTURZEIT: „Seine Jahre als Vorsteher waren ein Segen für den Börsenverein – ein Vorsteher, der sich ein intellektuelles Vergnügen daraus machte, lustvoll, findig, entschieden über Kultur und Literatur zu sprechen und für sie zu streiten“

Gleich sei’s gesagt: Ich mag den Mann. Ja, ich glaube sagen zu dürfen, wir sind Freunde. Und Freunde sind sich gefälligst bunte Krähen, die einander die Augen nicht öffentlich anpicken – wenn Sie also eine Strengschrift über unseren Jubilar erwarten, nutzen Sie Ihre Lebenszeit gern für anderes.

Ja, er wird 75. Nun ist 75 zwar das neue 63einhalb, aber die Anzahl der Jahre sei doch willkommener Anlass für zwölf Miszellen.

I

Er hat einiges von dem, was gemeinhin dem Rheinländer und einer »Frohnatur« zugeschrieben wird – dabei ist er ausgestattet mit intellektuellem Tiefgang und fundierter Bildung. Darin ist er dem Ostfriesen nicht unähnlich, wobei dieser weniger fröhlich ist, den Tiefgang an der Nordsee misst und Fundamente schon einmal auf falschen Wattzahlen baut. Doch auch Ungleiches macht Beziehung – wenn man es denn aushält, das Ungleiche, und zur Frucht reifen lässt. 

II

Him Hanflang war ein Wort, ein falsches. Irgendeins. Bei einem ersten Telefonat lagen wir uns nach wenigen Sätzen in den Haaren, wurden in Köln und (damals noch:) Bremen nach erzürnenden Minuten die Hörer aufgeworfen. 

Zwei Wochen danach Anruf seiner Assistenz: »Herr Doktor Honnefelder möchte mit Ihnen während der Messe Essen gehen. Welcher Abend passt Ihnen?« Die persönliche Begegnung ward somit angeordert – selbstverständlich wurde ins beste Haus am Platze geladen, dem Fürstenhof (der seine Gäste mit »zeitloser Eleganz und Service auf höchstem Niveau« empfängt, wie es damals war und noch heute auf der Website heißt), direkt nach einem Leipziger Messetag. 

Es wurde ein … legendärer Abend. Nicht nur wegen der zeitlosen Eleganz mit Service auf höchstem Niveau ­­– vor allem weil die Herren sich verstanden als hätte es das erwähnte Telefonat nicht gegeben. Wie auf links gedreht, angeregt durch Speis und Trank, von gegenseitiger Neugier, einem wachsenden Wohlwollen und einer stupenden Vielfalt von Stichworten und Themen rutschten die Stunden ebenso durch wie die finalen Grappe … »Wir machen das zusammen«, sprach er schließlich, reichte die Hand und entschwand an die Bar, mit anderen damaligen Branchengrößen den Abend zu beenden.

»Unser Erfolg ist Ihr Erfolg, Ihr Erfolg ist unser Erfolg« war die Kernaussage eines vierzeiligen Briefes, der uns nach dem Leipziger Pow-wow jedes umständliche Vertragsgedöns ersparte – und das Fundament für eine lange Zeit schöner gemeinsamer Arbeit legte. Die ersten fast-zehn Jahre des DuMont Literaturverlages (Himmel, waren das Programme! – herzliche Grüße auch an Christian Döring, Jo Lendle, Urban van Melis), auch für die Kunst bei DuMont (herzliche Grüße an Elisabeth Sandmann und Maria Platte), zwischendurch für »monte bei DuMont« (gegrüßt sei Helena Bommersheim), dann ab 2007 für die vom Jubilar gegründete Berlin University Press – diesem großen kleinen Verlag für lesbare, anregende aktuelle Debattenkultur: »Die substanziellste Neugründung des Jahres – diesem Verlag ist jeder Erfolg zu wünschen«, frohlockte damals die Süddeutsche Zeitung. 

Mit der Gründung des Deutschen Klassiker Verlages hatte unser Mann sich schon ab 1985 für die Klassiker breit gemacht, mit den anderen Verlagen und ihren Programmen kamen die zeitgenössische deutsche und internationale Literatur, die Kunst, die Wissenschaft, die Philosophie hinzu – die Auszeichnung »Verleger des Jahres« war eine fällige.

III

Als Jastjeber ist er Spitze. Wenn du weißt, dass du mit ihm Essen gehen wirst: hungere. Denn die von ihm gewählten Lokale sind besondere. In seiner Kölschkneipe ist der halwe Hahn der beste der Stadt, sein Stammitaliener macht nicht nur ein grandioses Ossobuco – kurzum: in welcher Umgebung ist gleich, aber Erste Sahne ist es mit ihm immer, denn es darf und soll geschlemmt und anständig getrunken werden (wobei er – um einem hier lauernden Mistverständnis gleich den Mundgeruch zu nehmen – sein Maß sehr wohl kennt). Klar, dass ein Digestif nicht fehlen darf. Und bei guter Laune sind’s auch zwei.

Überhaupt – er kann so großzügig sein, dass Einige seine Gesten sicher immer wieder als Arroganz missverstanden haben.

IV

»Dieser Umschlag gefällt mir gar nicht, wi-der-lich! – aber den lassen wir so, denn so ist er genau richtig!« Selten, dass in der Branche des Buches jemand von seinem Geschmack absehen kann, und diesen nicht zur Leitplanke von Strategie und Taktik macht – und damit oft genug das Beste versenkt, um mit einem Nurnochgut in den Streit um Aufmerksamkeit zu gehen. Er kann das. Er hört seinen Bauch (sorry, das Wort lässt sich nicht vermeiden), doch entscheidet oft sein Kopf (ok, nicht immer, ist er doch Mensch und darf es sein). Was die Zusammenarbeit über viele Jahre so marvelous und fruchtbar machte.

V

Apropos Mensch – er ist ein Typ. Typen sind von Charakterzügen geprägt, die durchaus widersprüchlich sein können … ja, sein müssen, sonst gibt’s keinen Typen nicht. 

Unser Mann kann charmant sein bis zur Honiggrenze und das Gegenteil. Er ist besorgt um das Wohlergehen des einen Gegenüber und zeigt einem anderen die  eisige Schulter der Gleichgültigkeit. Er kann so ansteckend wohlgestimmt sein, dass die Tische tanzen – und so melancholisch, dass die Gondeln Trauer tragen. Damit muss man auch klarkommen wollen.

Denn wenn ihm situativ etwas so gar nicht passt, und sich dieses paart mit einer nicht dollen Tagesverfassung, kann der Fitzelputz aus ihm herausbrechen, dann spielt er die Dampftrommel, kann er harsch und herrsch sein.  Aber das sind rare Momente. 

Prägend ist seine Ironie – seine Selbstironie sucht keine Grenzen: »Ich habe mich nicht verändert, ich bin nach wie vor zu dick« – typisch.

Eigentlich ist er ein Charmeur grande couleur, nicht immer ganz geradeaus, aber nie hinten rum. Und, wichtig: ein gegebenes Wort steht und hält.

VI

Gottfried Honnefelder bei der Rede zum zehnjährigen Jubiläum der Agentur seines Freundes

Das Stichwort ist gefallen: Freundschaft. Er hat nicht nur Alte Schule, er lebt sie. Egal, wie lang die »Sendepause« vorher war – wenn wir miteinander sprechen, ist es, als hätten wir gerade gestern das letzte Kölsch gemeinsam getrunken – will sagen: Wo sein Herz ist, da ist Freundschaft, Verlässlichkeit, Treue. Was nicht heißt, dass er es in der Hand trüge, sein Herz, und jede/jeden daran knabbern ließe – er ist kein Egoschwätzer, keins dieser MenschInnen, die am liebsten und längsten über die eigenen Gefühl- und Befindlichkeiten sprechen, weil sie ihren Nabel als Brennglas nehmen, durch das allein sie die Welt betrachten.

VII

Er ist ein Strippenzieher erster Güte. Wer ihn kennt, ahnt oder weiß wovon die Rede ist – da Strippenziehen aber die Kunst der verdeckten, oft der geheimen Diplomatie ist, verbieten sich dazu weitere Ausführungen: Schweigepflicht gilt lebenslang.

Zum Strippen gehört seine Leidenschaft, Bekannt- und Freundschaften zu stiften; er mag es, Menschen zusammenzubringen, wenn er annimmt, sie könnten einander etwas geben. Was diese Menschen aus seiner Kontaktanbahnung machen, das ist ihre Sache – nachfragende Penetranz und Übergriffigkeit sind seine Sache nicht.

VIII

Amor vincit omnia – die Liebe besiegt alles, wahlspruchten die Minnesänger im 13./14. Jahrhundert. Tja, damals war die Welt noch einfach und naiv und das »Problemorientierte Paargespräch« so wenig erfunden wie der eigene Nabel in den Mittelpunkt der Weltbetrachtung gerückt. Doch er schaut mit Amor in den Augen auch nach so vielen Jahren auf sein wunderbares Weib (liebe Grüße, Martina!), betrachtet stolz Söhne und Enkel – Amor ist hier ganz Familienmensch.

IX

Ach, Gottfried: Aus dem Altdeutschen der von Gott beschützte. Nun, wir wissen, Gott hat eine 6-Tage-Woche, legt am siebten Tag die Beine hoch, und kümmert sich dann auch um seine Gottfrieds nicht – es ist nicht so, dass über diesen 75 Jahren die Sonne ohn’ Unterlass geschienen hätte. Bitterkeiten gab es und fiesematentige Machenschaften – aber er schwieg und schweigt dazu, rückwärtsgewandtes Lamento mag er nicht, da hält er es eher mit Nietzsches »Wegsehen sei meine einzige Verneinung!«

X

Nach der »Periode des Roten Schals« waren seine Jahre als Vorsteher (2006 bis 2013) ein Segen für den Börsenverein – ein Vorsteher, der sich ein intellektuelles Vergnügen daraus machte, lustvoll, findig, entschieden über Kultur und Literatur zu sprechen und für sie zu streiten – für den damaligen Ministerpräsidenten Sachsens waren es canossagleiche Gänge, bei den Eröffnungen der Leipziger Buchmesse nach unserem Jubilar ans Pult zu treten: Stets hatte dieser die Redenlatte so hoch gehängt, dass Herr Tillich sich unter ihr hindurch dampfplauderte.

Ein Vorsteher, der es verstand, die Interessen des Verbandes und seiner Mitglieder zu vertreten – selbstredend kann man es bei solcher Arbeit nicht allen jederzeit recht und sich beliebt machen. Aber er hat dem Amt Respekt und Würde zurück-, eine Bella Figura gegeben, Anerkennung auch bei politischen Entscheidungsträgern gewonnen. Glückwunsch noch zum verdienten Bundesverdienstkreuz, verliehen 2012.

XI a-c

Nachzutragen 

sind a) das Studium der Germanistik und Philosphie, abgeschlossen mit der Promotion (übrigens summa cum laude und bis heute nicht beanstandet), seine vielen Jahre bei Suhrkamp/Insel, u.a. als Geschäftsführer von 1979 bis 1996;

b) bleibt ein lautes schade – ein ungenügendes Wort, um Deinen Rückzug ins Private zu kommentieren, im Dich-vermissen ist der Laudator nicht allein;

und sind natürlich

c) die herzlichsten Glückwünsche zum tatsächlich: 75. Geburtstag – inklusive Daumendrück für Gesundheit und Humor, Kraft und Freude, die Erfüllung lebhafter Wünsche usw. usf. 

XII

Viele verdanken Dir manches, Manche verdanken Dir vieles darüber hinaus. Für diese, für uns alle sage ich: Danke!, lieber Gottfried.

Kontakt: Gottfried.Honnefelder@t-online.de

Möchten auch Sie jemandem aus Ihrer Buchhandlung/Ihrem Verlag zum „Runden Geburtstag“ gratulieren? Dann mailen Sie uns einen kleinen Text und ein Foto des Jubilars/der Jubilarin: redaktion@buchmarkt.de, Stichwort: Runde Geburtstage

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