Bernd F. Lunkewitz über neue Belege dafür, wie ihn die frühere Treuhand wissentlich hintergangen habe „Ich erwarte eine rechtsstaatliche Entscheidung“

Am Freitag hatten wir gemeldet, dass Bernd F. Lunkewitz erneut ein Buch über seinen seit Jahren ergebnislosen Prozess gegen die früheren Treuhand geschrieben hat. Der frühere Aufbau-Verleger will es auf der Buchmesse in Leipzig vorstellen – mit neuen Argumenten und neuen Belegen dafür, wie ihn die frühere Treuhand wissentlich hintergangen habe. Und dass die bundesdeutsche Justiz das wissentlich ignoriere. Das war Anlass für Nachfragen.

Bernd F. Lunkewitz: „Wir haben eine angeblich in Gründung befindliche Aufbau-Verlag GmbH i. A. gekauft. Diese ,Scheingesellschaft‘ konnte aber nie entstehen, denn der organisationseigene Aufbau-Verlag des Kulturbunds war nie Volkseigentum“

Bernd, Dein Buch enthält jede Menge Sprengstoff.  Was davon ist neu?

Bernd F. Lunkewitz: Die Treuhandanstalt hat im September 1991 meiner Beteiligungsgesellschaft und sehr renommierten Partnern aus der Branche eine nichtexistierende Aufbau-Verlag GmbH i. A. verkauft. Sie verschwieg den Käufern, dass der Aufbau-Verlag in der DDR durch Plusauflagen seine westlichen Lizenzgeber um 25 Millionen DM geschädigt hatte und hoffnungslos überschuldet war. Vor dem Verkauf der Geschäftsanteile der angeblichen GmbH i. A. kaufte sie von ihr die Grundstücke des Verlages weit unter dem Verkehrswert. Dann übergab sie den Betrieb zum 7.10.1991 an die Käufer. An diesem Tag durchsuchte die Kripo die Verlagsräume wegen der Plusauflagen. Die BvS leugnet seither ihre vorvertragliche Kenntnis der Eigentumsverhältnisse und der Plusauflagen und begeht damit fortgesetzten Prozessbetrug.

Das Landgericht Berlin hat im Herbst 2021 die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die Aufklärung der Eigentumsverhältnisse am Aufbau-Verlag nicht möglich sei.

Dem Richter Dominik Reith ist die Wahrheit zu anstrengend. Seine Urteilsbegründung ist eine Bankrotterklärung der Berliner Justiz. Entgegen seiner Behauptungen hat der BGH in 2007, 2008, 2010 und 2011 entschieden, dass die DDR-Rechtsform des Aufbau-Verlages als „organisationseigener Betrieb“ des Kulturbunds erst mit Ablauf des 2.10.1991 untergegangen ist, weil es diese Rechtsform in der Bundesrepublik nicht gibt. Der BGH hat ebenso bestätigt, dass der Kulturbund im Dezember 1995 wirksam das Eigentum am Aufbau-Verlag an mich persönlich übertragen hat.

Aber die Aufbau-Verlag GmbH?

Wir haben eine angeblich in Gründung befindliche Aufbau-Verlag GmbH i. A. gekauft. Diese „Scheingesellschaft“ konnte aber nie entstehen, denn der organisationseigene Aufbau-Verlag des Kulturbunds war nie Volkseigentum. Eine Aufbau-Verlag GmbH i. A. hätte ja nur durch die gesetzliche Umwandlung eines VEB Aufbau-Verlag an dem im Treuhandgesetz festgelegten Stichtag 1.7.1990 entstehen können. Der BGH hat aber wie gesagt mehrmals rechtskräftig entschieden, dass die DDR-Rechtsform des Verlags als „organisationseigener Betrieb“ erst mit Ablauf des 2.10.1990 beim Beitritt der DDR unterging. Daher konnte logischerweise nicht schon am 1.7.1990 eine GmbH i. A. der Treuhandanstalt entstanden sein.

Die spätere Aufbau-Verlag GmbH mit der HRB-Nummer 35991 entstand dann erst am 6.8.1992 durch die Eintragung der von den Käufern irrtümlich selbst beschlossenen Maßnahmen zur Nachgründung der angeblichen Aufbau-Verlag GmbH i. A. im Handelsregister. Diese GmbH war aber nicht Rechtsnachfolger des Aufbau-Verlags des Kulturbunds, sondern eine „fehlerhaft“ im Eigentum der Käufer entstandene vermögenslose Hülle.

Was ist mit den Plusauflagen?

Die Treuhandanstalt behauptete, die Kripo habe sie am 7.10.1991 mit der Durchsuchung des Verlages überrascht. Sie bestritt vehement die vorvertragliche Kenntnis der Plusauflagen und verweigerte zunächst eine Freistellung, weil im Kaufvertrag die Haftung für Sachmängel ausgeschlossen war. Bei der Vorbereitung des Vergleichsvertrages vom 24. November 1992 erkannte sie die Nichtigkeit des 1991 protokollierten Kaufvertrages wegen Fehlern des Notars. Sie verheimlichte das. Weil sie befürchtete, dass die Nichtigkeit des Verkaufs in einer Insolvenz „zu Tage treten“ wird und sie dann den gesamten Schaden und die Verluste des Betriebes allein tragen muss, verlangte sie eine erneute Abtretung der Geschäftsanteile und gewährte eine teilweise Freistellung von den Plusauflagen. Die Geschäftsanteile an der Aufbau-Verlag GmbH hatten, wie gesagt, die Käufer aber irrtümlich selbst gegründet. Deshalb ist auch dieser Vertrag nichtig. Als ich in 2006 Dokumente fand, die ihre vorvertragliche Kenntnis belegen, habe ich alle Verträge mit der BvS wegen arglistiger Täuschung durch das Verschweigen und Leugnen der Plusauflagen angefochten.

Im Urteil steht aber, die Klägerin sei durch den Vergleichsvertrag von 1992 „von etwaigen Schadensersatzansprüchen (sofern rechtskräftig festgestellt) vollumfänglich freigestellt worden“.

Im Vergleichsvertrag steht das Gegenteil. Dem Richter Dominik Reith war auch diese Wahrheit zu anstrengend oder er hat das Dokument gar nicht gelesen. Die Treuhandanstalt hat nicht die Klägerin, sondern die Aufbau-Verlag GmbH von rechtskräftig festgestellten Ansprüchen der Lizenzgeber nur bis zu einer Höhe von 5,2 Millionen DM freigestellt. Eine der Bedingungen war, dass der Verlag sich mit allen „rechtlichen Mitteln“ verteidigt. Wenn nicht, entfällt die Freistellung. Ich hatte also schon Ärger genug wegen der Prozesse gegen die angesehensten Literaturverlage Deutschlands, die zurecht den Ersatz des Schadens forderten. Die Schäden aus Urheberrechtsverletzung gegen Autoren in Höhe von zwei Millionen DM musste der Verlag selbst regeln, weil ich keine Prozesse gegen sie führen wollte. Im Vergleichsvertrag musste ich mich zur weiteren Finanzierung des Betriebs zu Gunsten der Treuhandanstalt der Zwangsvollstreckung in mein gesamtes Vermögen bis zur Höhe von 10 Millionen DM unterwerfen. So sieht eine „vollumfängliche Freistellung“ nicht aus.

Im Urteil steht, dass Du in der mündlichen Verhandlung erklärt hast, die Klägerin hätte in dem Vergleich nur einen höheren Schadensersatz akzeptiert, wenn ihr bei Abschluss des Kaufvertrages die Kenntnis der Beklagten von den Plusauflagen gekannt gewesen wäre. 

Das ist eine Lüge. Die Klägerin hatte im Vergleichsvertrag vom 24.11.1992 für die Plusauflagen gar keinen Schadensersatz für sich verlangt oder „akzeptiert“, da sie die Arglist der Beklagten noch nicht kannte und erst recht nicht beweisen konnte. Mit dieser Lüge versucht der Richter Dominik Reith nur seine Rechtsbeugung zu verdecken.

Starker Tobak… 

Der Vergleich sah nur die Erstattung rechtskräftig festgestellter Ansprüche der geschädigten Lizenzgeber vor. Deren Höhe bestimmen die Gerichte, nicht der Verlag oder die Käufer.

Seine Behauptung verstößt schon gegen die Logik. Die Käufer hätten diesen Kaufvertrag nie abschlossen, wenn die BvS die Plusauflagen und den in Höhe von 25 Millionen DM vermuteten Schaden offenbart hätte. Wenn die Käufer aber trotzdem und in voller Kenntnis des Schadens den Kaufvertrag unterschrieben hätten, gäbe es ja überhaupt keinen Anspruch auf Schadensersatz.

Wie begann eigentlich der Rechtsstreit mit der Treuhandanstalt?

Seit dem nichtigen Verkauf der angeblichen Aufbau-Verlag GmbH i. A. stritten die Behörden intern um die Verteilung der Beute. Das waren der Grundstückswert von mindestens 30 Millionen DM und der von den Käufern gezahlte Kaufpreis von vier Millionen DM für die nichtexistierenden Geschäftsanteile. Weil der Kulturbund als tatsächlicher Eigentümer des Verlages nicht für den Kredit von 8 Millionen DM an die nichtexistierende GmbH i. A. haftete, ging es insgesamt um 42 Millionen DM. Wegen der Plusauflagen war allerdings auch die Insolvenz des Verlages zu erwarten, es sei denn, die Treuhandanstalt oder die Käufer bezahlen den vermuteten Schaden in Höhe von 25 Millionen DM. Wenn nicht, gehen die geschädigten Lizenzgeber leer aus. Darüber hinaus hatte der Kulturbund auch Ansprüche gegen die Behörde wegen der rechtswidrigen Führung des Verlages mit der sie auch das Urheberrecht verletzte. Die arglistige Behandlung der kulturellen Institution Aufbau-Verlag, der den 260000 Mitgliedern des Kulturbunds gehörte, hätte aber in der Politik und der Öffentlichkeit zu scharfer Kritik an der Treuhandanstalt geführt.

Das Direktorat Sondervermögen und das Sekretariat der Unabhängige Kommission, die den Antrag des Direktorats Privatisierung auf Genehmigung des Kaufvertrags abgelehnt hatten, beanspruchten den Verkaufserlös, aber nicht zu Gunsten des unter Zwangsverwaltung stehenden Eigentümers Kulturbund, sondern für den Haushalt der neuen Bundesländer. Nach dem Vergleichsvertrag vom November 1992 wollte die Treuhandanstalt die Honorare für die Plusauflagen aus dem Altvermögen der SED bezahlen. Die Unabhängige Kommission verweigerte das mit dem einstimmig gefassten Beschluss BU 576, in dem sie das Eigentum des Kulturbunds am Aufbau-Verlag bestätigte, aber diese Tatsache dem Kulturbund und den Käufern verheimlichte.

Deshalb verzögerte die Treuhandanstalt die möglichen Vergleiche mit den geschädigten Lizenzgebern?

Als ich im September 1994 das Sekretariat der Unabhängige Kommission fragte, warum die Kosten der Plusauflagen nicht aus dem Alt-Vermögen der SED gezahlt werden, war die Antwort, dass der Kulturbund noch immer Eigentümer des Aufbau-Verlags ist und die von mir betriebene Aufbau-Verlag GmbH eine vermögenslose Hülle. Kurz danach begann der Kampf gegen die BvS, den ich in meinem Buch beschreibe.

Das Kammergericht hatte Dir eine Mediation, also einen Versuch zum Vergleich, vorgeschlagen. Warum ist das gescheitert?

Kurz vor dem Termin im Oktober hatte ich im BuchMarkt angekündigt, dass auch zukünftig die Vorgänge um den Aufbau-Verlag in den zugänglichen Archiven weiter erforscht werden, weil Schreibtischtäter, wie im Dritten Reich und der DDR, ihre Akten hinterlassen. Daraufhin hat die BvS das für einen „ungeheuerlichen“ Vorwurf und eine „bodenlose Unverschämtheit“ erklärt, und die Mediation als „entbehrlich“ abgesagt.

Ein paar Tage später hat die Klägerin im Bundesarchiv das Dokument gefunden, mit dem endgültig die vorvertragliche Kenntnis der Treuhandanstalt von den Plusauflagen und dem von ihr vermuteten Schaden von 25 Millionen DM bewiesen ist. Der am 2.4.1991 von dem Leiter der Stabsstelle für besondere Aufgaben im Direktorat Recht der Treuhandanstalt zur Akte gegebene „Bearbeitungsvermerk“ liegt jetzt dem Kammergericht vor. In meinem Buch ist der Text abgedruckt.

Was erwartest Du jetzt vom Kammergericht?

Eine faire und transparente Prozessführung. Die öffentliche Erörterung der unstreitigen Tatsachen und der vorgelegten Urkunden. Die Anhörung der Zeugen. Eine rechtsstaatliche Entscheidung.

Sogar die Bundesregierung hat am 21.4.2022 im Bescheid des Bundesamts für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen das fortbestehende Eigentum des Kulturbunds am Aufbau-Verlag rechtskräftig festgestellt und der Richter Dominik Reith hat nach der nur eine Stunde dauernden Gerichtsverhandlung die vorvertragliche Kenntnis der BvS von den Plusauflagen bestätigt, aber dann den Vergleichsvertrag nicht gelesen.

Das frustet Dich …?

Wenn dieses Verfahren ein üblicher Zivilstreit zwischen privaten Parteien wäre, wie z. B. der Schadensersatzprozess der Kirch Gruppe gegen die Deutsche Bank, hätte schon das Landgericht eine öffentliche und detaillierte Beweisaufnahme zu den Klagevorwürfen, den vorgelegten Urkunden und den unstreitigen Tatsachen durchgeführt. Das hat die Justiz auf Druck der Bundesregierung bisher gezielt vermieden, obwohl oder weil die Arglist der Behörde inzwischen so überwältigend bewiesen ist.

Die Fragen stellte Christian von Zittwitz

Kommentare (0)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert