Halldór Guðmundsson über sein Buch "Island: Insel aus Geschichten" „Damit kann man wenigstens in Gedanken die Sehnsucht nach Reisen mit Geschichten aus der Fremde stillen“

Halldór Guðmundsson, früher Verleger des damals größten isländischen Verlages und auch Autor einer viel gerühmten Halldór Laxness-Biographie, hat jetzt mit Island: Insel aus Geschichten (Corso Verlag) eine opulente Liebeserklärung an seine Heimat vorgelegt. Das war nach 2011 erneut Anlass, einmal wieder miteinander zu reden: Er hat damals den Gastauftritt seines Heimatlandes auf der Frankfurter Buchmesse betreut und hat das 2019 noch einmal für Norwegen wiederholt. 

Halldór Guðmundsson, früher Verleger des damals größten isländischen Verlages und auch Autor einer viel gerühmten Halldór Laxness-Biographie: „Einen kleinen Vulkanausbruch haben wir auch noch. Es wird Zeit für einen Besuch“

Halldór, das frage ich immer zuerst: Worum geht es in Deinem Buch? 

Halldór Guðmundsson: In Island: Insel aus Geschichten geht es um Land und Literatur, oder Natur und Kultur, wenn man so will. Tausend Jahre war Island am Rande der Zivilisation, eines der ärmsten Länder Europas, wo das schiere Überleben die Menschen voll in Anspruch nahm. Es gab keine Urbanisierung, kaum bürgerliche Kultur. Aber fast von Anfang an gab es die Literatur, auf jeden Fall die Tradition des Geschichtenerzählens.

Und wie reihst Du Dich da jetzt ein? 
Wir sind zu zweit: Ich habe mir dreißig Orte im Lande ausgesucht, manche sind bekannt, andere unbekannt und abgelegen, aber alle haben eine besondere Verbindung zu unserer Literatur, und zu allen gibt es Geschichten zu erzählen. Und Dagur Gunnarsson hat sie dann auf seine Weise im Foto erzählt.

Und wem kann man das Buch aus Deiner Sicht mit welchem Argument am besten verkaufen?
Tja, als ein Reisebuch in einer Zeit wo die Menschen kaum aus dem Haus dürfen? Vielleicht passt das doch gut, denn dann kann man wenigstens in Gedanken reisen, die Sehnsucht nach Reisen mit Geschichten aus der Fremde stillen.

Das ist Euch gelungen,  auf jeder Seite werde ich wehmütig, dass ich es immer noch nicht geschafft habe, Dich einmal wie schon lange verabredet zu besuchen. We sieht es derzeit bei Dir aus?
Zugegeben, für mich war das Covid Jahr, in dem so viele Menschen unfreiwillig erleben mussten, wie der Alltag eines Schriftstellers aussieht, kein schlechtes Jahr. Und wenn man denkt, wieviele dieser schrecklichen Pest zu Opfer fielen, muss man natürlich sagen: Ich hatte Glück, und vor allem Zeit zum Schreiben. Ich bin froh, dass ich mir das schon vorher vorgenommen hatte.

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Weil Du weiter zwischen den Berufswelten pendelst? Du warst Verleger, dann Autor, dann Projektleiter für den großartigen isländischen Gastlandauftritt 2011… 
 … ja, danach war ich dann einige Jahre Konzerthauschef und danach wieder Projektleiter des norwegischen Gastlands-Auftrittes 2019. Aber das sind Jobs, um die ich in der Pandemie keinen beneide. Eine der kanadischen Projektleiterinnen sagte im letzten Herbst zu mir: „Ich habe das letzte halbe Jahr nur damit verbracht, Veranstaltungen abzusagen, die ich drei Jahre vorbereitet hatte“.

Und wie siehst Du die Buchbranche derzeit?
In Europa, und besonders in den nordischen Ländern, war 2020 kein schlechtes Jahr für die Buchbranche, der Verkauf ist sogar gestiegen. Aber es hat gleichzeitig die Revolution der Vermittlung beschleunigt, die die Musikbranche schon vor 15 Jahren durchmachen musste und die, wie alle Revolutionen, mit etwas Verspätung auch nach Deutschland kommen wird.

Was meinst Du damit?
Der Verkauf von Audiobüchern und E-books, hauptsächlich im Abonnement durch Streaming, ist zum Beispiel in Schweden im letzten Jahr mehr gewachsen als der Verkauf gedruckter Bücher auf dem allgemeinen Markt; sogar im Buchland Island macht der Anteil der digitalisierten Bücher (hauptsächlich Hörbücher) schon ein Drittel des Umsatzes aus. Gutenberg wird das alles überleben und das gedruckte Buch wird bleiben, aber wir dürfen diese Revolution nicht verschlafen, denn das Buch gewinnt jetzt auch viele neue Leser / Hörer und so langsam wird sich eine eigene Ästhetik des Hörbuchs entwickeln – und da sind wir wieder bei der altisländischen Tradition des Geschichtenerzählens.

Denkst Du noch gern an Deinen Messeauftritt mit dem Island-Stand zurück?
Ja, Jetzt sind es zehn Jahre her, seitdem Island Gastland der Buchmesse war. Es war ein guter Auftritt in dem Sinne, dass die isländische Literatur sich seitdem mehr in der Welt markieren konnte, und es ist auch so geblieben. Die Anzahl der Übersetzungen aus dem Isländischen pro Jahr hat sich gegenüber den Jahren vor dem Gastlandauftritt mehr als verdoppelt.

Euer Projekt Sagenhaftes Island war aber auch gut für die Messe.
Ja, darauf bin ich natürlich auch etwas stolz, weil unser kleines Gastland den Fokus ganz und gar auf die Literatur gerichtet hatte, und die ist trotz allem der Sinn des Ganzen. Vielleicht war der norwegische Gastlandauftritt 2019 der letzte dieser Art und in dieser Grössenordnung, aber ich bin überzeugt dass die Frankfurter Buchmesse weiter eine grosse Rolle spielen kann; in dem Zusammenführen von Buchmenschen, in der fachlichen Arbeit durch Workshops und Fellowships, als Literaturfestival und mit einem starken internationalen Einsatz für die Meinungsfreiheit.

Wie sieht der Buchhandel derzeit in Island aus? Gibt es da dein Buch auch?
Der Streaming Boom hat auch den isländischen Buchmarkt erfasst und auch dank  Storytel hat sich der negative Trend des Buchverkaufs vom letzten Jahrzehnt in den letzten zwei Jahren aber wieder geändert, In  den letzten zwei Jahren ist der Buchkonsum (dieses schreckliche Wort über das Lesen) wieder gestiegen. Daher machen die Verlage tapfer weiter, mein Buch erscheint zum Sommer auch auf Isländisch.

Storytel hab ich nicht so recht auf dem Zettel… 

… das ist eine schwedische Firma, die inzwischen in über 20 Ländern Audiobuch- Abonnements über Streaming anbietet und die auch in Deutschland aktiv ist.

Heile Welt Island? 
Leider noch nicht wieder. Aber der Tourismus ist auch für die isländische Buchbranche wichtig, jedes Jahr wurden viele Bücher an Touristen verkauft, und da war natürlich im letzten Jahr nichts. Die Touristen sind wohl im Spätsommer wieder hier zu erwarten, und daher wird mein Buch hier auf Englisch erscheinen. Einen kleinen Vulkanausbruch haben wir auch noch dazu. Es wird Zeit für Deinen Besuch!

Die Fragen stellte Christian von Zittwitz

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