Das Sonntagsgespräch Michael Köhnlein über die Bedeutung der Haptik bei der Kaufentscheidung

Michael Köhnlein mit der Flexbox:
Musterexemplare des neuen Formats

Typographia Ducalis Campidonensis hieß das Unternehmen, das 1593 begann, Bücher herzustellen. Heute heißt es Kösel und produziert noch immer Bücher: vom Satz bis zur Bindung können Verlage hier ihre Bücher herstellen lassen. Jetzt bewirbt Kösel eine Neuentwicklung: den Flexband, einen Zwitter aus Taschenbuch und Festeinband.

Buchmarkt.de sprach mit Michael Köhnlein, Geschäftsführer bei Kösel über das neue Format, die Unterschiede zum Flexband und darüber, wie wichtig die Haptik eines Buches bei der Kaufentscheidung ist.

buchmarkt.de: Sie haben Ende Juni Ihre Kunden eingeladen, um ihnen Ihren neuen Flexband vorzustellen. Ist das wirklich so neu? Flexcover gibt es schließlich nicht erst seit gestern.

Köhnlein: Die Flexcover waren wie die Klappenbroschur Versuche, ein Zwischenformat zwischen Festband und Broschur zu etablieren. Außer der Klappenbroschur, mit der es einem Kunden von uns tatsächlich gelungen ist, sich preislich am Markt neu zu positionieren, kenne ich keinen anderen sinnvollen Weg. Der Flexcover ist aus preislicher Sicht keine Alternative. Der wird gegenüber dem Festband vom Leser als weniger wertig wahrgenommen, kostet in der Herstellung aber praktisch das Gleiche…

buchmarkt.de: … wie der Festband?

Köhnlein: Genau. Unsere Flexbände sind dagegen wesentlich günstiger in der Herstellung und bieten ein ganz anderes Wertigkeitsgefühl.

buchmarkt.de: Aber warum überhaupt ein Zwischending?

Köhnlein: Weil sich die Verlage am Markt von anderen abheben wollen und ihrem Leser etwas signalisieren wollen. Praktisch: moderne Verpackung für moderne Inhalte.

Wir setzen heute im Festband schon alternative Materialien wie z.B. von uns bedrucktes Leinen ein.

Die Haptik ist ein wesentlicher Faktor bei der Kaufentscheidung. Die Glaubwürdigkeit, die ein Buch transportiert, entsteht durch die besondere Haptik und Handhabbarkeit eines Buches. Hinzu kommt der visuelle Einruck. Wir wollen mehr Assoziationen zwischen der sinnlichen Wahrnehmung und der Qualität des Inhalts herstellen.

buchmarkt.de: Ein noch so guter Inhalt wird sich in einer häßlichen Verpackung nicht so gut verkaufen.

Köhnlein: Darum geht es. Leser wollen nicht nur lesen, sie wollen das Buch mögen. Der Umschlag eines Buches ist seine Verkaufsverpackung. Was da drauf steht, ist natürlich sehr wichtig, aber auch die Gestaltung ist kaufentscheidend. Nicht umsonst setzen Verlage Spottlack und Prägungen ein, um auf sich aufmerksam zu machen. Und es gibt Materialien, die beim Leser ein angenehmes oder besonderes Gefühl auslösen.
Aber dadurch steigen die ohnehin schon höheren Herstellungskosten für den Festband. Viele Verlage, bei denen wir diese Materialien heute schon im Festband einsetzen, haben dann gefragt, ob wir nicht eine günstigere Lösung anbieten können. Praktisch gleiches Buchgefühl, aber zu günstigeren Preisen.

buchmarkt.de: Und das wollen Sie mit Ihren Flexbänden anbieten?

Köhnlein: Ja, innerhalb von nur drei Monaten hat ein kleines Team ein völlig neues Produkt entwickelt. Ziel war es, schöne Bücher zu niedrigeren Herstellungskosten zu machen. Es ist uns gelungen, bei der Herstellung des Flexbands auf eine Maschine, die Buchstraße, im Fertigungsprozess komplett zu verzichten. Das senkt die Kosten und verkürzt die Durchlaufzeiten. Der Flexband hat viel vom Charakter eines Festbands, ist aber günstiger und hat sogar, das ist die zweite Sensation, ein besseres Aufschlagverhalten.

buchmarkt.de: Die erste Sensation ist die günstige Produktion für Sie?

Köhnlein: Natürlich. Die Ausstattung des Flexbandes löst ein hohes Wertigkeitsempfinden aus. Im Vergleich zur Broschur bedeutet das, dass die Verlage den Ladenpreis deutlich anheben können, die Herstellungskosten aber nicht wesentlich steigen.

buchmarkt.de: Fürchten Sie nicht, Ihre Konkurrenten könnten bald dasselbe anbieten?

Köhnlein: Natürlich entwickelt man neue Produkte, um einen gewissen Vorsprung zu haben. Diesen Vorsprung brauchen ja auch unsere Kunden, um sich im Handel abzusetzen. Aber wir sind nicht so vermessen, dass wir uns für den Nabel der Buchherstellungswelt halten. Da gibt es größere Häuser als das unsere.

Hätten wir nicht das Verfahren zur wirtschaftlichen Herstellung von Klappenbroschuren entwickelt, gäbe es dieses heute wahrscheinlich nicht in der Form. Hätten aber große Buchhersteller wie Mohn Media dieses Verfahren nicht auch eingesetzt, würde die Klappenbroschur heute wahrscheinlich noch ein Schattendasein fristen.

Aber auch die Verlage sind gefragt. Sie sollten viel früher als sie es heute tun, Buchhersteller wie uns in den Gesamtprozess mit einbinden. Wir haben Antworten auf viele Herausforderungen, denen sich Verlage am Markt stellen müssen.

Die Fragen stellte Carolina López

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