Was machen eigentlich ... Christine Paxmann und Klaus Bovers? Sie sind „radelnde, paddelnde, wandernde, neugierige, schreibende Chiemgau-Experten“

Christine Paxmann: Die Eselsohr-Verlegerin hat zahlreiche Bücher gestaltet, Verlage beraten und Programmbereiche geleitet

Christine Paxmann und Klaus Bovers machen seit ein paar Jahren auch gemeinsam Bücher.  In ihrem Briefwechsel wird deutlich, warum  sie das machen …

Klaus Bovers arbeitet seit vielen Jahren in der Branche als Verlagsvertreter, als Literaturagent und als Autor

Lieber Klaus,

angefangen hat es 1999, als ich dich, lieber Klaus, als Bayernvertreter gewinnen konnte. Wir erinnern uns kurz: das war die Zeit, als so ein kleines verrücktes Team aus drei Leuten, sächsische Verlage kaufte: Den Leipziger Kinderbuchverlag und den Buchverlag für die Frau, später kamen noch der Altberliner Verlag hinzu und Vertretersitzungen waren wahre Mammutveranstaltungen mit jeder Menge Zündstoff und „wir machen alles anders“. Von dir habe ich gelernt, wie guter persönlicher Vertrieb geht und dass man für den Job des Handelsvertreters brennen kann und auch muss. Dass Bayern unser beider Baby war, wussten wir damals schon, wenn ich unbedingt König Ludwig und Sisi-Minibücher in die entsprechenden Shops bringen wollte und ich gerne die ostdeutschen Kinderbruchklassiker mit bayerischem Kinderbuch angereichert hätte. Nicht nur einmal sind wir an Verständigungsschwierigkeiten und bajuwarischen Idiomen bei den Kollegen und im Handel gescheitert. Tempi passati, die Verlage sind sonstwo und wir wurden wieder Einzelkämpfer, du mit deiner Agentur und ich mit meinem Redaktions- und Graphikbüro. Bis uns der Zufall in der Feldwies vor ca. 10 Jahren wieder zusammenführte. Für uneingeweihte, arme Menschen, die die Feldwies nicht kennen: Das ist ein genossenschaftlich geführtes Wirtshaus am Chiemsee und so ziemlich der genialste Besprechungsort, oder neudeutsch think tank location. Jedenfalls für den Klaus und mich, wie sich im letzten Jahrzehnt herausgestellt hat. Denn für eine Buchidee von mir, „Wunderbare Wasserorte des Chiemgaus“ habe ich noch einen Co-Autor gesucht., um dem Verlag ein schlüssiges Konzept vorzulegen. Was soll ich sagen? Es brauchte nicht viel Überzeugungsarbeit um Klaus zu überzeugen. Der radelnde, paddelnde, wandernde, neugierige Chiemgau-wie-seine-Westentasche-Kenner Klaus war sofort mit dabei und erwies sich als wunderbarer Co-Autor. Wir haben die Arbeit geteilt, und in unserer Schreibe einen Stil gefunden, der sich bruchlos an den anderen angleicht. Auch unsere fotografische Bildsprache ist nahezu identisch, was ein Buch als Team ungemein erleichtert.

Als ich 2017 einen Autor für ein Buch über das „Gehen“ gesucht habe, war Klaus der Mann der Wahl und auch dieses Projekt, das bis heute unter dem Radar läuft, weil er BLV Verlag nach über 60 Jahren Geschichte durch den Bayerischen Bauernverband abgewickelt wurde, einfach so, als sei es ein defizitärere und verseuchter Schweinemastbetrieb. Sorry, soviel Wahrheit muss ein. Klaus und ich haben die „Kraftquelle Gehen“ feuilletonistisch konzipiert und jeder, der Inspiration für das Wundermittel Gehen sucht, sei herzlich eingeladen, das Buch zu erwerben.

Aber eigentlich wollten wir wieder zurück zu den kulturellen Wanderführern. Und wir haben unsere schöne Gegend durchforstet, wo es noch einen blinden Fleck gibt: Der war schnell gefunden, die Salzach und ihre angrenzenden Traumgebiete Innabwärts. Klaus konnte Pustet Salzburg gewinnen und ein sicher einmaliges Buch zu den Schönheiten rechts und links der geschichtsträchtigen Flüsse erschien 2020. Als ich einen Kenner der heimischen Bergwelt gesucht habe, war Klaus sofort dabei, seinen Wanderbeitrag zu Münchner Hausberge im München Verlag zu leisten.

Gleichzeitig schrieb natürlich jeder von uns noch Einzelwerke. Klaus‘ Chiemgauführer bei Gmeiner ist bereits in der 4. Auflage. Ich schrieb für den Droste Verlag „Glücksorte des Berchtesgadener Landes“, demselben Verlag, in dem kurz vorher Klaus‘ „Glücksorte Rosenheim“ erschien. Schön langsam standen wir beide sichtbar für gute Chiemgauliteratur. Im Augenblick, ja, da hirnen wir über ein Writers-in-Residence-Modell in der Sawallisch Villa und über Bücher, die es so noch nicht gibt, die aber jeder braucht. Die konzeptionelle Grundlage dazu bietet die Feldwies mit kleinem Schnitzel und Kartoffelsalat und ganz gelegentlich auch einer Süßspeise. Und wenn die Zeitläufte voller Lockdowns sind, grübeln wir am nahen Chiemseestrand bei Picknick.

Deine Christine

 

Liebe Christine,

 

gut, dass du gleich mit einer Jahreszahl anfängst, meine Erinnerung ist da nämlich viel unkonkreter. Für mich als (damals) Verlagsvertreter war das irgendwann in der wilden Zeit Ende des Jahrtausends, als im Kielwasser von Christian Strassers Münchner Verlagsdampfer immer wieder irgendwelche Begleitschiffe, sprich Vertriebspartner auftauchten. Da waren neben Brandstätter und Deuticke aus Wien plötzlich auch diese nie vorher gehörten Ossis dabei, mit Original-DDR-Kochbüchern (Soljanka!) und einem berühmten tschechischen Kinderbuch-Maulwurf. Auf einmal gab es Vertreterkonferenzen in Leipzig und neu war für mich auch, dass dabei jemand vor der Vertretermeute stand und für drei Verlage – oder waren es mehr? – quasi alles im freien Soloauftritt präsentierte, unerschrocken, witzig und angenehm süddeutsch geprägt. Es war auch nicht nur deine muntere helle Stimme, die sich damals eingeprägt hat, denn da saß nach dem offiziellen Teil mit uns Lästermäulern von Vertretern (die Vertreterinnen waren da auch nicht besser!) jemand am Tisch, der Ahnung hatte und konkrete Ideen. Das war ich von den endlosen Tagungswochen im Verlagshaus Goethestraße anders gewöhnt.

Du erinnerst dich: Strassers Dampfer schlingerte in der Zeit gerade von der Goethestraße als nunmehr Econ-Ullstein-List in die Paul-Heyse-Straße und wurde wenig später, 2003 glaube ich, vom neuen Eigner Springer still gelegt und abgewrackt. Als freier Vertreter war ich dann erst einmal damit beschäftigt, mir neue Verlage zu suchen und unser Kontakt beschränkte sich lange nur auf die Begrüßungen im Gedränge der üblichen Münchner Verlagstreffs. Dann war 2007 für mich Schluss mit der Vertreterei, drei Jahre später verkaufte ich meine Versandbuchhandlung für Bavarica und danach versuchte ich mich als Literaturagent. Bis auf ein halbes Dutzend Stammautoren ist die „Agentur Schlosserhaus“ aber heute stillgelegt. 2011 kam dann mein erstes Buch, die Anthologie Große Bühne Chiemgau – Eine Lesereise durch Kultur und Geschichte. Beim Volk Verlag war das, den ich nebenbei für unseren Freund CvZ im BuchMarkt porträtiert habe, er hatte gerade Lust auf Porträts von bayerischen Regionalverlagen.

Es muss so ums Jahr 2014 gewesen sein, dass du für mich überraschend die Chiemgau-Bühne betreten hast. Abends im Biergarten vom Überseer Gasthaus Feldwies war das, deine helle Stimme war unverkennbar und bei mir war noch ein Platz frei; der Pulk deiner Bekannten zog weiter und wir zwei hatten nach einer halben Stunde am Biergartentisch die Buchidee der „Wunderbaren Wasserorte im Chiemgau“ so gut wie verabschiedet. „Wir“ stimmt nur halb, es war ja deine Idee, doch binnen Minuten war es auch meine, also unsere, und dieser verblüffende Gleichklang hat sich im Lauf der Jahre immer wieder ganz zwanglos ergeben. Schöne gemeinsame Bücher sind daraus entstanden, du hast sie schon alle genannt, auch wenn die „Kraftquelle Gehen“ nicht so recht ins Laufen geraten ist. Den Grund kennen wir, also was soll’s, vergessen wir die gscherten BLV-Ex-Eigner. Schließlich ist da immer noch die „Kraftquelle Bücher machen“, was uns beiden wenigstens so viel bedeutet, wie das Schreiben an sich. Sehe ich das richtig?

Weil du nicht widersprichst, versuche ich mal zu beschreiben, was sich dabei kreativ und beschwingt zwischen uns abspielt. Standard geworden ist die halbe Stunde, mal im Biergarten der Feldwies, mal woanders, auf jeden Fall immer Zeit genug für uns, um den Pflock einzuschlagen für die nächste schöne Kultur-Reise-Buchidee. Wer sie von uns auf den Tisch legt ist dabei Nebensache, wichtiger ist uns die lockere Aufteilung „wer macht was?“, dann Zeitplan, Ausstattung, Auflage und natürlich der Verlag, den wir beglücken wollen. Nach Arbeit fühlt sich das nicht an, aber der Pflock sitzt und wir können in aller Ruhe bestellen. Kleines Schnitzel, jeder in seiner Version, deine Olga (eine Seele von Hund!) bekommt ein frisches Wasser und dann ratschen wir ausgiebig über die Branche und gemeinsame Freunde. Bis zum nächsten Treff geht dann jeder in sich, zapft seine Erfahrung und Kontakte an und – für mich kommen damit wieder die schönen Monate mit unterwegs sein, planen, schreiben, Neues entdecken und dabei jung bleiben. Ich weiß, für dich und deine Generation kein Thema, aber ich sollte mich dafür schon längst mal bedanken!

Apropos Kraftquelle: die deine ist mir immer noch ein Rätsel, denn wer sich mal die imponierende Liste deiner veröffentlichten Bücher anschaut und weiß, dass du ein florierendes Grafik- und Produktionsbüro betreibst, nebenbei noch jeden Monat das „Eselsohr“ herausbringst (Ich freue mich schon auf dein nächstes Editorial!) und jedes Jahr in etlichen Jurys sitzt – der fragt sich schon wie das geht. Wenn ich das Thema mal antippe lächelst du nur geheimnisvoll bis nachsichtig. Meinen Grassauer Kurzgeschichten-Wettbewerb, unseren  „Deichelbohrer“, hast du ja auch aus dem Schatten befreit und veredelt, als Juryleitung, Moderatorin bei der Verleihung und ganz nebenbei mit einem zauberhaften Magazin von 60 schmucken Seiten.

Deine Kraftquelle, liebe Christine, lasse ich jetzt mal ein Rätsel bleiben, bestaune sie weiter, nutze sie und deine Gegenwart mit Lust und lasse es mir gut gehen dabei. Bis dann also und ganz liebe Grüße, auch an Olga!

Dein Co Klaus 

 

 

 

 

 

 

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