Thomas Engström über "West of Liberty" und "South of Hell", die ersten beiden Bücher seiner Tetralogie bei C. Bertelsmann „Ein Schwedenkrimi ohne Schweden“

Thomas Engström ist Jurist und arbeitet seit vielen Jahren als Journalist, Übersetzer und Autor (c) Mathias Blom
Der schwedische Autor Thomas Engström legt bei C. Bertelsmann die  ersten beide Bände einer Tetralogie vor, deren weitere Bände dann im Frühjahr 2020 erscheinen.   Der Band West of Liberty wurde u.a. mit Wotan Wilke Möhring verfilmt und wird am 24. und 25. November im ZDF ausgestrahlt.

BuchMarkt: Worum geht es Ihrer Tetralogie?

Thomas Engström: Eigentlich geht es sowohl in West of Liberty als auch in South of Hell – wie auch übrigens in den beiden Folgetiteln der Tetralogie, die im kommenden Jahr erscheinen werden – bei Ludwig Licht um einen Europäer, der versucht, den Ansprüchen seiner amerikanischen Auftraggeber zu entsprechen und gleichzeitig mit seinem eigenen Gewissen irgendwie klarzukommen. Also handeln die Bücher an der Oberfläche von einem Söldner in den Untiefen der Weltpolitik. Aber eigentlich und viel grundsätzlicher geht es um einen Mann, der kämpft, um seine Seele zu retten.

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In welche Kategorie sollte der Buchhändler Ihr Buch einordnen?

Ganz klar Spannungsliteratur.

Woher kam Ihnen die Idee für Ihren Hauptcharakter Ludwig Licht?

Tatsächlich war es so, dass ich eines heißen Sommernachmittags in einem Restaurant im Berliner Tiergarten saß und einen älteren Mann beobachtete, der wohl Ende 50 war. Er bewegte sich von mir weg, so dass ich sein Gesicht nicht sehen konnte. Aber irgendetwas ließ mich darüber nachdenken, was ein Mensch dieser Mann wohl sein könnte. Vielleicht waren es sein Strohhut und seine Kleidung eines Bohemians. Was, so dachte ich, wenn er im alten Osten geboren wurde und sich danach komplett neu erfinden musste. Ich machte ein Foto von ihm während er davonlief. Und als ich nach Hause kam, sah ich ihn mir immer wieder an. Eines Tages fing das Bild an, mir seine Geschichte zu erzählen …

Warum Berlin als Schauplatz der Handlung von West of Liberty?

Über die Jahre habe ich viel Zeit in Berlin verbracht – und habe mich in die Stadt verliebt. Und außerdem ist sie natürlich auch ein idealer Schauplatz für eine Spionagegeschichte. Nachdem ich den mysteriösen Mann in Tiergarten gesehen hatte, war für mich ganz klar, dass der erste Teil der Tetralogie in Berlin spielen musste. Dazu kommt, dass sich der Charakter von Berlin als Hauptstadt eines vereinigten Deutschlands während der letzten Jahrzehnte so sehr verändert hat. Eine Menge der älteren Spionageromane zeigen ein Berlin des damaligen Kalten Krieges. Ich wollte die Stadt als Schauplatz des aktuellen Kalten Krieges beschreiben.

Wie gehen Sie bei der Recherche für Ihre Romane vor?

Ich reise viel. Als ich zum Beispiel an South of Hell arbeitete war ich in den USA, um für ein schwedisches Magazin über die amerikanischen Präsidentschaftswahlen zu berichten. Ich begab mich ins Hinterland Pennsylvanias weil dort einer der Schwerpunkte rechtsgerichteter militanter Aktivitäten war. Das interessierte mich. So konnte ich morgens meiner journalistischen Aufgabe nachgehen und nachmittags und abends meine Recherchen für das Buch vorantreiben.

Hatten Sie schon Gelegenheit die Verfilmung von West of Liberty zu sehen, die am 24. und 25. November im ZDF mit Wotan Wilke Möhring als Ludwig Licht ausgestrahlt werden wird?

Ja, ich konnte den Film vor ein paar Monaten sehen. Ich war überwältigt von der guten Arbeit, die geleistet wurde. Es ist alles da: der dunkle Humor, die sich schleichend aufbauende Spannung während die Charaktere immer verzweifelter werden, das fein justierte Timing, mit dem die Handlungsstränge verwoben sind. Ich habe wirklich jede Sekunde des Films genossen. Die Schauspieler sind großartig. Man sieht am Ergebnis, dass sie das Drehbuch verstanden und eine richtig gute Zeit hatten. Ich freue mich schon jetzt auf die Ausstrahlung im schwedischen Fernsehen im Oktober und drücke die Daumen, dass es auch eine TV-Adaption von South of Hell geben wird, vielleicht sogar schon nächstes Jahr.

Welche Leser werden nach Ihrer Meinung die Ludwig Licht-Romane besonders wertschätzen?

Jeder, der sich mit dem Lauf unserer Welt auseinandersetzt, kann, so hoffe ich, in den Bücher etwas für sich entdecken. Dabei soll jeder seinen Spaß haben. Es war nie mein Ziel, Romane nur für Menschen mit tiefgehendem politischem Wissen zu schreiben. Wenn man als Autor seine Charaktere richtig zeichnet und sie in interessante und spannende Situationen führt, dann wird der Leser mit ihnen mitfiebern, egal was er sonst im Leben so treibt. Und außerdem wird er quasi nebenbei Dinge lernen, hoffentlich ohne sich an die Schule zurückerinnert zu fühlen.

Welches Argument hat der Buchhändler, um Ihre Bücher zu empfehlen?

Haha, gute Frage. Na gut, wie wäre es mit: „Hier haben wir endlich ein deutschen Helden, der neben einer Menge Stärken auch echte Schwächen hat. Er muss schmutzige Tricks anwenden, um zu überleben und seine Rechnungen zu bezahlen, aber tief in seinem Inneren hat er sich ein Herz und eine Sehnsucht nach Gerechtigkeit bewahrt. Wir schulden es dem armen Kerl, weiterzulesen, um zu sehen, was ihm als Nächstes passiert.“

Und was lesen Sie privat?

Neben Büchern zur Weltpolitik des 20. Jahrhunderts liebe ich Romane, die sich mit den großen Themen der menschlichen Zukunft auseinandersetzen. Margaret Atwood ist eine große Favoritin von mir, ebenso wie Ursula K. Le Guin. Früher habe ich viel John Le Carré und John Banville gelesen. Heute versuche ich jedes Mal wenn ein neuer Roman von Jonathan Franzen oder Donna Tart angekündigt ist, meinen Terminkalender freizuräumen und zu lesen als wäre ich noch 12 Jahre alt und hätte alle Zeit dieser Welt.

Welche Frage, die wir nicht gestellt haben, würden Sie gerne beantworten?

Haben Sie jemals etwas geschrieben, das später tatsächlich passiert ist?

Hier können Sie das jetzt tun:

Die Antwort lautet: „Ja!“  Als ich West of Liberty schrieb war Julian Assange noch nicht in einer Londoner Botschaft untergetaucht. Als er es später tat, war ich kein bisschen erstaunt. Da es die beste Idee ist, die jemand in einer solchen Situation haben kann, habe ich Lucien Gell in West of Liberty auch in einem besonderen Versteck in Berlin verschwinden lassen. Etwas Ähnliches passierte, als ich das dritte Buch der Tetralogie schrieb. Manchmal kann Fiktion die Zukunft eben voraussehen, Das ist nicht immer toll. Ich finde es zum Beispiel erschreckend wie sehr meine Beschreibung des rassistischen und faschistischen Amerikas in South of Hell dem entspricht, was wir aktuell erleben müssen.

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