Was macht eigentlich .... Winfried Stephan (70)

Heute wird Winfried Stephan siebzig Jahre alt. 34 Jahre war er bei Diogenes, zuerst als Cheflektor, seit 1992 auch als Mitglied der Geschäftsleitung  – Anlass ihn zu fragen, wie seine Welt heute im Ruhestand aussieht. Er sagt:

Winfried Stephan: „Mein Leben heute: Lesen, Pilze sammeln, Fliegenfischen, lesen“

„Zeit zu haben ist ein wunderbares Gut. Erst wenn man mehr davon hat, merkt man, wie wenig man früher hatte. 

Und lernt, wie man damit freier umgehen kann. In die Pilze gehen wir nicht mehr am Wochenende sondern unter der Woche. Und lassen uns Zeit, und wenn wir dann mehr finden, freuen sich Freunde und Familie.

Wenn ich hin und wieder von Kollegen nach meiner Meinung und Einschätzung  gefragt werde, gebe ich gerne einen Rat, schreibe manchmal Gutachten, und kann Hinweise auf mögliche Buchprojekte geben. In den Weiterbildungskursen des SBVV referiere ich zum Thema «Programmplanung im belletristischen Verlag», ausgehend von Kurt Wolff; vieles von dem, was er zum Verlegen geschrieben hat, gilt heute immer noch eins zu eins.

Sehr gern gehe ich mit Freunden zum Fliegenfischen, und auch dann wieder die Bücher: im Moment bringe ich das Buch eines Freundes zum Thema Fliegenfischen mit auf den Weg, wir sind immer noch auf der Suche nach dem treffenden deutschen Titel, gar nicht so einfach bei dem englischen Originaltitel «Line Poetry. Flow in the Art of Flycasting». 

Mit Sebastian Ritscher von der Agentur Mohrbooks bin ich auf der Suche nach einem deutschsprachigen Verlag für den großartigen amerikanischen Autor John Gierach (nature writing at it’s best – sogar mit fliegenfischen), in französischer Übersetzung sind bei Editions Gallmeister bereits elf (!) Titel erschienen.

Lesen, kreuz und quer, frei und ungebunden, nur dem eigenen Vergnügen und der Neugier verpflichtet, dieses «Fremdlesen» geniesse ich sehr. Klassiker, Neuerscheinungen (der morgendliche Feuilleton-Überblick im BuchMarkt ist dabei hilfreich), aber auch Dinge, die über die Jahre liegengeblieben sind, so zum Beispiel die 75bändige Maigret-Edition damals bei Diogenes.

Die Zeit und die Muße zu haben, sich mit einem Thema intensiver zu beschäftigen, das ist ein Privileg, und es macht Spaß da dranzubleiben, dazu ein Beispiel: Die Höhlenmalerei.

Martin Walker haben wir 2010 das erste Mal im Perigord besucht, und bei der Gelegenheit die Höhle von Font-de-Gaume besichtigt, eine der letzten polychromen Höhlen, die noch für das Publikum offen sind (heute nur noch 30 Personen pro Tag). Es läuft dir kalt den Rücken runter, wenn du vor diesen Kunstwerken stehst. Seither lese ich alles über Höhlenmalerei (die Bücher sind fast nur noch antiquarisch zu finden), und wenn wir reisen, verbinden wir das mit dem Besuch von Orten und Museen der Eiszeit-Kunst: Schwäbische Alb, Schweizer Jura, Perigord und Ardeche in Frankreich.. Das Lesen führt zum Reisen und umgekehrt. 

Eine Entdeckung war in einem Standardwerk zum Thema für mich der Hinweis, wie wichtig für die Erforschung dieser Kunstepoche der Aufsatz von Max Raphael über «Prähistorische Höhlenmalerei» ist. In der 10bändigen Werkausgabe bei Suhrkamp fehlt dieser Aufsatz, schliesslich habe ihn doch gefunden, in dem verdienstvollen Buch im Verlag Bruckner & Thünker, erschienen 1993. 

Ich habe Martin Walker davon erzählt, er kannte bis dahin den Autor und dessen Essay nicht – im nächsten «Bruno» hat er eine kleine Hommage an Max Raphael eingebaut.

Und einen neuen Plan haben meiner Frau und ich jetzt auch gefasst: Beim Wiederlesen von Joachim Schumachers Leonardo da Vinci-Buches sehe ich die Widmung «Dem Angedenken Max Raphaels», und finde in der Folge heraus, dass Schumachers Nachlass in der Library of the University of Connecticut liegt. Das ist doch ein schöner Grund für eine Reise nach New England, wenn wir denn nach dem Virus wieder  reisen können.“

Winnie, ich gratuliere Dir von Herzen – unvergessen unsere lange Nacht im Hotelzimmer im zufällig gleichen Messehotel, was haben wir uns nicht alles erzöhlt.

Kontakt: wst@diebuchherstellung.ch

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