Die Individual-Reisebuchverlage Michael Müller, Reise Know-How, Trescher und Iwanowski über coronabedingte Herausforderungen: „Wir stehen für touristische Alternativen“

Jeder Moment, in dem man in einem Reiseführer blättert, ist ein guter – das gilt jetzt mehr denn je. Wir haben in unserem April-Heft (ab Seite 24) mit Katharina Hokema (Michael Müller); Wayan Rump (Reise Know-How); Detlev von Oppeln (Trescher) und Michael Iwanowski (Iwanowski) über die Herausforderungen der Reiseführerverlage gesprochen:

BuchMarkt: In einem offenen Brief im Börsenblatt und auf buchmarkt.de haben Sie auf die veränderte Einstellung zum Reisen aufmerksam gemacht, die sich im Laufe der Pandemie bei den Menschen eingestellt hat. Was wünschen Sie sich diesbezüglich vom Buchhandel?

Katharina Hokema: „Ich bin mir sicher: die Reiselust ist riesig, und wenn das Sicherheitsgefühl stimmt, dann wird der Sommer ein Reisesommer“

Katharina Hokema: Mein erster Wunsch an den Buchhandel ist, dass er die Krise gut bewältigt. Er ist unser wichtigster Handelspartner. Wir sind allen Buchhändlerinnen und Buchhändlern sehr verbunden. Nicht nur ökonomisch! Mein zweiter Wunsch? Dass der Buchhandel die Reise nicht aus den Augen verliert und mutig das Reiseführersortiment aktualisiert. Die Menschen werden reisen. Sobald es Ihnen möglich ist.

Wayan Rump: „Wir haben uns schnell der neuen Situation angepasst und die passenden Titel herausgebracht. Mit diesem Programm, der Treue unserer reisefreudigen Leserschaft und der Unterstützung durch die top motivierten Buchhändler*Innen werden wir durch die Krise kommen!“

Wayan Rump: Vom Buchhandel wünschen wir uns in erster Linie, dass er genau so motiviert weitermacht, wie er nach der Wiedereröffnung begonnen hat – aber da müssen wir uns, glaube ich, gar keine Sorgen machen. An zweiter Stelle hoffen wir natürlich, dass die Buchhändler*Innen auch in uns und unsere Bücher das Vertrauen behalten. Denn darauf sind wir in dieser schwierigen Zeit angewiesen. Seit 40 Jahren verkaufen Buchhandlungen unsere Reiseführer. Es wäre sehr schade, wenn sie das bald nicht mehr tun könnten.

Wie wird sich die Pandemie langfristig auf die Inhalte der Individual-Reiseführerverlage auswirken?

Detlef von Oppeln: „Wir rechnen mit einem weiterhin guten Abverkauf unserer Regionalreiseführer. Die in unseren Büchern ausführliche Landeskunde ermöglicht zudem die Vorfreude beim Verreisen auf dem Sofa.“

Detlev von Oppeln: In Zeiten der Pandemie werden regionale und nachhaltig bereisbare Reiseziele wichtiger: Ein deutlich sichtbarer Trend des vergangenen Sommers war die Wiederentdeckung des Wanderns und anderer Outdooraktivitäten, die direkt vor der Haustür möglich sind. Bei Nahreisezielen sucht der Leser den praktischen Nutzen – gerne auch vom Fixpunkt des gedruckten Buchs aus, das immer mehr Orientierung als das Internet bietet. Im Detail kann an den Schnittstellen von Print und Digitalem sicher bei allen Verlagen nachgebessert werden.

 

 

Michael Iwanowski: „Wir wurden darin bestätigt, wie wichtig es ist, klug und vorausschauend zu wirtschaften. Zwar sind wir stark von der Krise betroffen, doch wir werden sie meistern. Zumal unsere Bücher zu Namibia, Südafrika, Berlin, aber auch Florida nachgefragt werden“

Michael Iwanowski: Auf jeden Fall wird man wesentlich vorsichtiger die Auflagenhöhen und Laufzeiten der Reiseführer ins Auge fassen müssen. Das wird ökonomisch zu höheren Preisen führen, daran geht kein Weg vorbei. Es kann sogar sein, dass man z. B. auf konkrete Preise verzichtet und stattdessen auf kompetente Internet-Links setzt. Das Gleiche gilt z. B. für Flugverbindungen oder Einreisebestimmungen, die enormen Schwankungen unterliegen werden. Eine Verzahnung von Print und Internetseiten der Verlage wird erheblich zunehmen.

 

Wie spielen die Anforderungen an umweltverträgliches Reisen hier mit hinein? Was muss sich aus Ihrer Sicht beim Reisen wirklich verändern, wenn man mit gutem Gewissen unterwegs sein will?

Wayan Rump: Die Pandemie hat den Blick für viele bisher nicht so populäre, einzigartige Orte und Regionen in der Nähe geschärft. Das birgt Chancen für die Umwelt, denn Flüge können vermieden werden, wenn die Urlaubsziele nicht so weit weg liegen. Außerdem muss aktuell auch auf Reisen Abstand gehalten werden. Die Entzerrung von Touristenströmen hilft da ungemein. Individualreiseführer von Verlagen wie uns ermöglichen genau das, nämlich individuelles Reisen abseits der ausgetretenen Pfade und Menschenmengen.

Sneak Peak: In unserem Mai-BuchMarkt (ET 27. April) werfen wir erneut einen Blick auf Reiseverlage (darunter auch etliche kleinere), die immer wieder neue Ziele aus dem Hut zaubern

Detlev von Oppeln: Durch den in der Krise auferlegten Verzicht stellt sich durchaus auch die Frage, ob jede kurzfristig angelegte Städtereise sinnvoll und notwendig ist: Muss man wirklich zum Weihnachtsshopping für vier Tage nach New York, kurz mal auf eine Kunstausstellung nach Paris, oder für ein Partywochenende nach Berlin? Eventuell ist es interessanter, kleine Auszeiten in der näheren Umgebung zu nehmen – und sich wieder auf weniger, dafür aber längere Reisen zu freuen. Mit der gebotenen Neugier und Offenheit für andere Kulturen, zu deren Verständnis gute Reiseführer natürlich nicht unwesentlich beitragen.

So langsam kommen Reisemöglichkeiten wieder in Sicht – zumindest kann man Pläne machen für den Sommer. Wohin wird es Ihrer Meinung nach gehen?

Detlev von Oppeln: Der Trend zu Reisen innerhalb Deutschlands wird sich 2021 fortsetzen; mit der Produktion neuer Regionaltitel hat der Trescher Verlag bereits reagiert. Auch das Verreisen innerhalb Europas wird dieses Jahr wieder möglich sein. Die Sehnsucht nach anderen Ländern und Kulturen ist so groß wie noch nie. Wir gehen davon aus, dass vor allem europäische Reiseziele wichtig werden, die problemlos mit dem Auto oder per Bahn erreichbar sind. So werden bei uns in Kürze mehrere Reiseführer zu Regionen in Frankreich erscheinen.

Katharina Hokema: Deutschland war schon immer das wichtigste Reiseziel: 30 Prozent der Reisen fanden in der Heimat statt. Europäische Kfz-Ziele werden wieder zulegen. Aber auch europäische Flugziele wie Griechenland sind mit im Spiel. Ich bin mir sicher: die Reiselust ist riesig, und wenn das Sicherheitsgefühl stimmt, dann wird der Sommer ein Reisesommer.

Stichwort Fernreisen: Wann glauben Sie, dass auch diese Sparte wieder in den Blick der Reisenden kommt und was wird sich bei Fernreisen in Zukunft verändern?

Michael Iwanowski: Das ist ein Blick in die Glaskugel und Spekulation in die wirklich nicht absehbare Zukunft. Licht am Ende des Tunnels ist sicherlich durch die weltweiten Impfkampagnen zu erkennen. Die Menschen wollen unbedingt Fernreisen unternehmen und sie scharren mit den Füßen. Aber es muss mehr Planungssicherheit geben, vor, während und nach der Reise.

Wayan Rump: Wir sind uns sicher, dass die Reisenden nie die Sehnsucht nach der Ferne und damit auch nie die Fernreisen aus dem Blick verlieren werden. Sobald sich die Türen zur Welt wieder öffnen, werden die Menschen bereit sein, und wir werden weiterhin die passenden Reiseführer bereitstellen. Verändern wird sich möglicherweise die Frequenz und damit vielleicht – hoffentlich – auch die Wertschätzung der Fernreise. Reisen ist ein großes Privileg, das wird uns allen grade sehr schmerzhaft bewusst gemacht.

Die Reiseführerverlage trifft die Krise mit am stärksten. Weshalb werden Ihre Häuser die Pandemie überstehen?

Katharina Hokema: Sobald sie können, werden die Menschen wieder reisen. Mehr und anders. Weg von den touristischen Hotspots hin zu Alternativen. Dafür sind unsere Bücher genau die richtigen.

Wayan Rump: Wir haben uns schnell der neuen Situation angepasst und die passenden Titel herausgebracht. Mit diesem Programm, der Treue unserer reisefreudigen Leserschaft und der Unterstützung durch die top motivierten Buchhändler*Innen werden wir durch die Krise kommen!

Detlev von Oppeln: Wir rechnen mit einem weiterhin guten Abverkauf unserer Regionalreiseführer. Die in unseren Büchern ausführliche Landeskunde ermöglicht zudem die Vorfreude beim Verreisen auf dem Sofa. Und so manche Fernreise bedarf ohnehin einer intensiven Vorbereitung.

Michael Iwanowski: Wir sind vollkommen selbstfinanziert und haben keinerlei Schulden. Ebenso haben wir keine Kredite aufgenommen und dadurch, dass wir im eigenen Gebäude arbeiten, sind wir kostenautark.

Vorausschau 2022: Wird es einen neuen Reise-Boom geben, weil die Menschen sehr viel nachholen wollen? Oder wird es eher eine vorsichtige Annäherung an Urlaubsreisen werden?

Katharina Hokema: 2021 wird es wohl noch eine vorsichtige Annäherung an die einstigen Reiseaktivitäten der Deutschen geben, wobei der Urlaub im eigenen Land weiterhin sehr beliebt sein wird. 2022 sieht das sicher schon wieder ganz anders aus! Dass Reisen einfach aus dem Leben der Menschen verschwindet – das kann ich mir gar nicht vorstellen. Neues zu entdecken, eine andere Luft zu schnuppern, den Alltag woanders zu erleben sind doch Grundelemente unseres Kulturverständnisses. Darin liegt doch von jeher die Faszination des Reisens.

Michael Iwanowski: Es wird sicherlich einen Reiseboom geben, insbesondere nach Afrika und in die USA. Wie stark der Boom ausfallen wird, ist auch von der Wirtschaftslage abhängig. Arbeitslosenzahlen sowie Lohn- und Steuerentwicklung sind wesentliche Elemente. Auch hier wieder der Blick in die Glaskugel.

Welche Rückmeldungen haben Sie eigentlich von den Reisenden, Ihren Leserinnen und Lesern, in der Krise erhalten?

Wayan Rump: Es war uns sehr wichtig, auch in diesen Monaten den Kontakt zu unseren Leserinnen und Lesern zu halten, sie weiter mit Informationen zu versorgen und über unsere Kanäle direkt und offen zu kommunizieren. Dafür haben wir viel positives Feedback erhalten, auch Fotos von Bücherregalen voll mit unseren Reiseführern wurden uns geschickt. Das zeigt eine Wertschätzung für unsere Arbeit, die uns in der Pandemie aufs Neue darin bestärkt hat, nicht den Fokus zu verlieren.

Detlev von Oppeln: Wir haben ein sehr gutes Feedback zu unseren Reiseführern zum Grünen Band bekommen – von Fernwanderern, aber auch von Restaurants und Hotels vor Ort: Sie haben auf ein Buch gewartet, das die Regionen entlang der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze populärer macht. Gut angekommen ist auch unser Reiseführer zum Ruhrgebiet, in dem das Revier kompakt und zusammenhängend dargestellt wird. Und wir haben Zuschriften treuer Leser unserer internationalen Titel bekommen, die unsere Reiseführer schätzen, und die uns gewünscht haben, dass wir bitte durchhalten mögen.

Was haben Sie als eigenständige Individual-Reiseführerverlage in den letzten zwölf Monaten gelernt? Welche Strategien haben sich bewährt? Welche neuen Ideen sind entstanden?

Michael Iwanowski: Wir wurden darin bestätigt, wie wichtig es ist, klug und vorausschauend zu wirtschaften. Zwar sind wir stark von der Krise betroffen, doch wir werden sie meistern. Zumal unsere Bücher zu Namibia, Südafrika, Berlin, aber auch Florida nachgefragt werden. Eine neue Idee ist diese Aktion zu viert, die uns allen wichtig ist. Wir sprechen mit einheitlicher Stimme aus dem betroffenen Mittelstand. Das wird uns Gehör und Solidarität verschaffen. Da bin ich mir sicher!

Katharina Hokema: Von jetzt auf gleich stand die Welt still. Die Einschätzung von gestern war heute nicht mehr gültig. Pläne mussten und müssen schnell revidiert und in unsicheren Zeiten neu aufgestellt werden. Gelernt haben wir also, flexibel und mutig zu reagieren, aber auch weiterhin zu agieren, die Zuversicht nicht zu verlieren und der Qualität unserer Produkte zu vertrauen. Wir haben gelernt, dass wir in einem Team arbeiten, das diese Fähigkeiten beherrscht. Dafür sind wir sehr dankbar.

Wieso sollte man sich schon heute (Stand April 2021) einen Reiseführer kaufen?

Wayan Rump: Nicht Reisen können, bedeutet viel Zeit zum Planen! Nein im Ernst – dieses Jahr wird Einiges möglich sein. Besser man ist vorbereitet, wenn sich die gewünschte Pforte öffnet! Außerdem: Jeder Moment, in dem man in einem Reiseführer blättert, ist ein guter.

Katharina Hokema: Vom Reisen träumen. Die Vorfreude auskosten. Mit der Familie planen. Das sind doch alles wunderbare Momente, die uns gerade in dieser eher bedrückenden Zeit aufheitern. Diese Momente geben uns Ziel und Kompass. Es kommen wieder bessere Zeiten, darauf freuen wir uns.

Detlev von Oppeln: Natürlich ist die Motivation groß, Reiseführer für noch unbekannte Regionen in Deutschland zu kaufen. Wir sehen aber auch ein steigendes Interesse an Titeln zu Sehnsuchtszielen wie Bhutan oder Georgien, oder auch für Reisen mit der Transsibirischen Eisenbahn.

Michael Iwanowski: Unsere afrikanischen Reiseziele sind zum großen Teil – wenn auch mit Auflagen – bereisbar. Das liegt an der Weite der Länder und der jüngeren Bevölkerung. Unsere Reiseführer eignen sich hervorragend für die kurzfristige und längerfristige Planung, vor allem Namibia, Südafrika, Botswana, aber auch Äthiopien und Tansania.

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