Die Verleger-Blicke in den Editorials der Herbstvorschauen, auf ihre jeweiligen neuen Programme und auf die Branche wollen wir derzeit in loser Folge mit Ihnen teilen. Heute KBV – Verleger Ralf Kramp:
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Wenn einem der Atem stockt und das Herz kurzzeitig stehen bleibt, dann kann das durchaus durch gute Kriminalliteratur ausgelöst worden sein. Da haben dann alle alles richtig gemacht im Autoren-Schreibstübchen, im Verlag und in der Buchhandlung.
Atemaussetzer und Herzrhythmusstörungen werden aber in diesen Tagen vornehmlich durch ganz andere Dinge hervorgerufen. Der Buchhandel schien zu den Top Ten auf der Abschussliste der Pandemie zu stehen: Leserinnen und Leser, die nicht mehr in Buchhandlungen dürfen, Buchhändlerinnen und Buchhändler, die nur noch virtuell mit der Kundschaft verkehren durften, Autorinnen und Autoren, denen es nicht mehr erlaubt ist, ein Publikum in den Bann zu ziehen – ein Endzeitszenario für alle Buchmenschen.
Was ist es aber nun, das dem Buchhandel geholfen hat, dass das Wasser trotzdem nicht über die Oberkante der Unterlippe gesickert ist? Ideenreichtum und Engagement? Eine aparte Mischung aus Trotz und Zähigkeit? Die jahrelang schmerzlich angeeignete Maxime der Bescheidenheit? Der Buchhandel lebt jedenfalls. Schon viele Male hat man ihn begraben wollen, aber auch Corona hat ihn nicht kaltmachen können, um mal beim Genre-Jargon zu bleiben. Die Damen und Herren von der Front, die wir stolz zu unseren Geschäftspartnern zählen dürfen, berichten uns rückblickend von vielen bangen Momenten und mulmigen Gefühlen, aber auch von beglückenden Erlebnissen mit der Kundschaft, bei denen sich Optimismus und Zuversicht eingestellt haben.
Mit Zuversicht blicken also auch wir auf unser Herbstprogramm, bei dem sich Bewährtes und Begehrenswertes, Experimentelles und Explosives ein kriminelles Stelldichein geben.
In „Der Tod der Schlangenfrau“, einem atmosphärisch dichten Kriminalroman aus dem wilhelminischen Berlin, verfasst von der Schauspielerin und Autorin Ulrike Bliefert, begibt sich eine junge Fotografin auf Mörderjagd und stößt auf finsterste Machenschaften deutscher Kolonialpolitik.
Unsere lokalen Bestsellerautorinnen und -autoren sind Klaus Stickelbroeck vom Niederrhein mit „Fesseltrick“, einem neuen Fall für den schnoddrigen Ex-Fußballstar und Privatdetektiv Hartmann, Heike Rommel mit ihrer Reihe um das Bielefelder KK11, das in „Kalte Liebe“ diesmal in einem verstörenden Fall von Cyber-Mobbing ermittelt und Christoph Güsken, dessen Ex-Polizist de Jong sich in „Kopflos am Aasee“ wieder einmal mit einem skurrilen Mordfall im kreuzbraven Münster konfrontiert sieht.
Was passiert, wenn eine Buchhändlerin wie Sabine Friemond aus Voerde endlich selbst zur Krimiautorin wird, konnten wir mit Freude im vorigen Jahr erleben. In diesem Herbst folgt mit „Teufeskuhle“ ihr zweiter Roman bei KBV, und wir sind uns sicher, dass auch der ein Erfolg wird. Ebenso wie der zweite KBV-Krimi von Henrike Jütting, „Schatten über der Werse“, mit dessen Erscheinen wir dann auch ein weiteres Gewässer in Münster zum Schauplatz eines spannenden Verbrechens machen.
Diesen klangvollen Titel haben die Romane des Altmeisters Jacques Berndorf dem unbescholtenen Mittelgebirge eingetragen. Leider verfasst er bekanntermaßen keine neuen Eifel-Krimis mehr, aber dafür schenkt er uns eine alte Kostbarkeit: „Der Reporter“ wurde im Jahr 1971 von ihm verfasst und veröffentlicht, und wir legen es jetzt neu auf! Der frühe Roman liest sich wie die Vorgeschichte zu einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Krimireihen. Paul Poggemann ist Journalist, Alkoholiker und am Ende. Die Erinnerungen an seine aktive Zeit sind so spannend wie jeder Krimi. Sie sind schockierend, zynisch, verstörend, und sie erklären, warum Jacques Berndorf seinen Protagonisten Siggi Baumeister so schuf, wie er ist.
Und zum Schluss sollen zwei Neuerscheinungen nicht unerwähnt bleiben, denen die gebührende Aufmerksamkeit im Frühjahr versagt blieb: Nina Röttgers dritter Band der Reihe um die Gauklerin Isa Bocholt und ihre spannenden Erlebnisse zwischen den historischen Schauplätzen der Mittelaltermärkte und Burgfeste und den ganz modernen Morden unserer Zeit: „Die grüne Fee und der Mord auf der Marksburg“ und das überaus amüsante Krimi-Debüt des Zauberkünstlers und Autors André Storm: „Vorhang zu!“, bei dem er sein Alter Ego Ben Pruss auf eine atemberaubende Mördersuche über die Kleinkunstbühnen Dortmunds jagt.
Mal ehrlich, bei dieser Auswahl fällt es doch nicht schwer, Zuversicht zu entwickeln. Solange uns die spannenden Stoffe nicht ausgehen, werden wir sie in Bücher kleiden, und so lange es die Menschen gibt, die diese Bücher dann in die Welt hinaus bringen, ist diese Welt ein schöner Ort.
Ralf Kramp
Bisher brachten wir die Editorials von
Joachim von Zepelin und Christian Ruzicska,
Dr. Stephanie Mair-Huydts und Steffen Rübke,
Heike Schmidtke und Kilian Kissling,
Wolfgang Hölker und Lambert Scheer