Funktioniert Print nur noch, wenn es die Papier- und die Online-Welt zusammenführt? Digitalpionier Peter Turi setzt weiterhin auf Gedrucktes

Die turi2 edition ist als Schriftenreihe für Medien & Marken „ein Solitär zwischen den schnelllebigen und austauschbaren Fachmagazinen“, sagte Jurorin Katarzyna Mol-Wolf bei der Verleihung des Bayerischen Printmedienpreises an die Edition“ im Oktober 2016. „Die turi2 edition ist der langsamste – und schönste – Branchendienst. Sie ist konsequent anders – sie ist eine Augenweide, ein Boxenstopp für die Sinne. Sie liefert Inspiration, Haltung, Tiefe, Nähe und Know-how für Entscheider“ , so heißt es! Peter Turi hat demnach das wohl meistgelesene Online-Nachrichtenportal der Medienbranche entwickelt und ist doch von den Stärken des Print-Marktes überzeugt –Wir sprachen nun mit ihm über neueste Erkenntnisse, Innovation, Inspiration, Service und darüber, warum seine Edition eben so gut funktioniert:

BuchMarkt: Herr Turi, Sie haben ein wunderschönes bildstarkes Buch über Innovationen gemacht in der Reihe der „turi2 edition“ und dem Buch zehn Videos beigegeben. Dazu muss ich eine App laden, um die zu sehen. Ich sehe die Möglichkeiten, aber habe nicht die Ruhe, das überbordende Angebot zu nutzen. Was soll ich tun?

 

Peter Turi

Peter Turi: Sie können ganz einfach das Buch lesen – die Videos sind nur Zugabe. Sie können sich zwei Stunden damit aufs Sofa setzen, alle elektronischen Geräte abschalten und sich inspirieren lassen. Slow Media eben. Wo der Alltag digital wird, steigt die Sehnsucht nach analoger Qualität, habe ich zum Start unserer Buchreihe geschrieben. Wir haben ja im Dezember 2015 mit „Print- ein Plädoyer für Slow Media“ ein 200 Seiten dickes Statement fürs Bedrucken von Papier abgegeben.

Da hat sich mancher gewundert – Sie sind in der Branche eher als Digitalpionier bekannt.

Ich finde Innovationen spannend. Ich habe 1996 als Verleger mit kress.de den täglichen Newsletter, die digitale Textanzeige und das Köpfe-Verzeichnis erfunden. Später die News aufs Handy und den Morgennewsletter. Danach wuchs meine Sehnsucht nach Print und ich dachte mir, eine Mischung aus Buch und Zeitschrift, aus Branchen-und Coffee-Table-Magazin würde mir und vielleicht auch der Branche Spaß machen. Hat geklappt.

Aber warum machen Sie Videos zum Buch?

Warum leckt der Hund sich die Eier? Weil er es kann. Wir machen mit turi2.tv seit 2008 Branchenfernsehen. In der Kombination mit Print und Online bekommt Video einen zusätzlichen Schub. Wobei der Trend auch in der Fachkommunikation dank Social Media stark in Richtung Bewegtbild geht. Wenn jeder Blogger, Facebooker und Instagramer sich per Video zu Wort meldet, dann kann auf Dauer Julia Jäkel für Gruner+Jahr nicht nur auf Papier kommunizieren.

Hilft Video Ihrem Buch?

Eher umgekehrt: Print hilft Video.

Warum glauben Sie weiter an Print?

Warum nicht? Nur weil nebenan ein Fastfood-Restaurant aufmacht, werfe ich nicht Messer, Gabel und Kochtopf weg. Deutschland ist eine Kulturnation, anders als die USA, die eine Pioniernation ist. Deshalb glaube ich nicht an den Untergang von Gedrucktem. Und die Erfahrung nach vier Ausgaben der turi2 edition bestätigt mein Bauchgefühl: Die Kraft, die Gedrucktes für Markenbildung, Inspiration und nachhaltiges Erleben hat, wird durch Internet und Video niemals zu ersetzen sein. Wir haben festgestellt, dass unser Werbegeschäft auf dem Onlinedienst turi2.de zehn Jahre nach dem Start scharf angezogen hat. Einfach weil das Buchmagazin die Markenwelt von turi2 – Innovation, Inspiration und Service – erlebbar macht.

Funktioniert Print nur noch, wenn es die Papier-und die Online-Welt zusammenführt?

Auf keinen Fall! Die turi2 edition funktioniert prima als Printprodukt. Dass wir 20.000 Media-Entscheider haben, die zweimal täglich turi2.de lesen und neugierig auf unser Printprodukt waren, hat beim Start natürlich geholfen, vor allem um Anzeigen, Käufer und Gesprächspartner für die erste Ausgabe zu bekommen. Aufgrund des guten Anzeigengeschäfts haben wir von Anfang an kein Minus gemacht, allerdings auch keinen großen Gewinn. Bei 20.000 Auflage im Großformat und 200 Seiten mit dem Aufwand an Texten und Fotos kommen wir auch mit 160.000 Euro Umsatz pro Buch nur gerade so auf die schwarze Null. Das ist aber auch in Ordnung – wir haben die Bücher ja aus Leidenschaft.

Hilft es, wenn man Print so aufwändig inszeniert wie Sie das machen?

Klar, wenn Sie Traktion erzeugen wollen, müssen Sie Vorschub bringen. Another fucking Fachmagazin oder Fachbuch will gerade in der Zielgruppe der Medien-, Marken-und Meinungsmacher keiner lesen. Deshalb haben wir es richtig krachen lassen und alles reingelegt in das Projekt, was wir haben. Deshalb erscheinen nur zwei Bücher pro Jahr – mehr geht bei einem Zwei-Mann-Verlag auf diesem Niveau einfach nicht.

Jedes Buch erfordert einen ungeheuren Aufwand, das sieht man den Büchern an – wie bewältigen Sie den?

Wie kommt jemand auf den Mount Everest, wie schwimmend durch den Ärmelkanal? Indem er es wirklich will.

Sie brauchen dafür Hilfstruppen –  ist das das richtige Wort?

Nicht ganz. Zuerst mal brauchte ich einen Partner für die optische Seite – das ist Uwe C. Beyer, der Mitherausgeber für Gestaltung. Mit Uwe arbeite ich seit fast 20 Jahren zusammen – ohne ihn wäre der Erfolg der turi2 edition nicht denkbar.  Ich bin ein Journalist, der an der Deutschen Journalistenschule trimedial ausgebildet wurde und sich Online und Vermarktung schmerzhaft erarbeitet hat. Die Optik verstärkt haben Lea-Maria Kut, unsere junge Art-Directorin, und Johannes Arlt, unser Fotochef. Dazu habe ich eine sehr junge, hoch begabte Redaktionsleiterin, Tatjana Kerschbaumer, und einige hoffnungsvolle Nachwuchsschreiber wie Jens Twiehaus und Anne-Nikolin Hagemann. Damit geht’s schon – denn bei einem Projekt, das so viel Spaß macht, zählt keiner die Überstunden.

Bauen Sie beim Vertrieb der turi2 edition auch auf den Buchhandel?

Bisher leider gar nicht. Obwohl die turi2 edition im Buchhandel eigentlich noch besser funktionieren müsste als im Presse-Grosso. Wir suchen deshalb einen Buchverlag, der turi2 als Imprint mitnehmen würde. Ich sehe viele Chancen für anzeigentragende Buchprojekte, die im edelen Magazinlayout daherkommen und auf den Coffee Table zielen.

Was wollen Sie noch gern loswerden?

Dass bitte alle Buchverlage sich bei mir melden mögen, die den Gedanken, tolle Bücher mit starken Werbeerlösen zu produzieren, interessant finden.

In der vergangenen Woche sprachen wir mit Klaus Schikowski, dem  Programmleiter für Comic uns Graphic Novels bei Carlsen –  über die vergangenen 50 Jahre und  darüber, welche Rolle Comics heute im Buchhandel spielen.

 

 

 

 

 

 

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