Heute im Sonntagsgespräch der "Verlag des Jahres 2017" in der Schweiz Was wünschen Sie sich vom deutschen Buchhandel, Herr Heins?

Der Berner Haupt Verlag wurde vor kurzem zum „Verlag des Jahres 2017“ in der Schweiz gewählt. Wir fragten Frank Heins, Mitglied der Haupt-Geschäftsleitung und verantwortlich für Marketing und Vertrieb, wie ein unabhängiger Traditionsverlag den heutigen Herausforderungen des Buchmarktes begegnet:

BuchMarkt: Herr Heins, was bedeutet Ihnen die Auszeichnung „Verlag des Jahres“?

Frank Heins (c) Serge Petrillo

Frank Heins: Es ist zunächst einmal eine wunderbare Anerkennung, über die sich das gesamte Team und die Freunde des Haupt Verlags sehr gefreut haben. Wir empfinden es als Bestätigung für den eingeschlagenen Weg. Aus einem einstmals sehr breit gefächerten Verlagsprogramm formten wir in den letzten Jahren einen profilierten Sachbuchverlag, der heute für qualitätsvolle Bücher zu Gestalten/Design und Garten/Natur steht. Kaum war die Preisvergabe im Mai bekannt, erhielten wir aus dem gesamten deutschsprachigen Raum Reaktionen von Buchhändlerinnen und Buchhändlern, Kunden, Autoren etc. – viele herzliche Glückwünsche mit dem Tenor: „Macht weiter so mit den schönen Büchern!…“ Darin drückt sich eine hohe Verbundenheit mit dem Haupt Verlag aus. Das ist etwas, was man gar nicht genug schätzen kann. Überhaupt scheinen wir in diesem Jahr – in dem wir auch das 111-jährige Firmenjubiläum feiern – einen „Lauf“ zu haben. Bereits im Frühjahr erhielten vier Haupt-Titel eine Auszeichnung beim Deutschen Gartenbuch-Preis.

Schön wäre es, wenn die Preise und Anerkennungen auch unmittelbar zu Umsatzsprüngen führen würden… Dem ist natürlich nicht so; auch wir merken, dass die ersten Monate des Jahres 2017 im Handel eher schwieriger verliefen.

Wie ist generell die Situation für Schweizer Verlage – zehn Jahre nach dem Ende der Buchpreisbindung in der Schweiz, zwei Jahre nach dem sogenannten Frankenschock?

Das lässt sich natürlich nicht verallgemeinern. Die anhaltende Stärke des Schweizer Frankens ist aber sicher eines der größten Probleme, mit dem alle Verlage in der Schweiz umgehen müssen. Wer – wie Haupt – die Fixkosten in der Schweiz hat, die Erträge aber größtenteils im Euro-Raum erwirtschaftet, steht unter enormem wirtschaftlichen Druck. Hinzu kommen weitere Faktoren, die sich je nach Programmstruktur der Verlage unterschiedlich auswirken: der generelle Preisverfall für Warengruppen wie z.B. Sachbuch und Ratgeber seit dem Ende der Buchpreisbindung in der Schweiz, der schrumpfende Buchmarkt in der Schweiz, Margenverluste durch Reimporte aus Deutschland etc. Das sind aber alles Marktentwicklungen, die sich verlagsseitig kaum beeinflussen lassen. Es ist müßig, darüber zu klagen. Positiv betrachtet, löste es einen Ruck aus, der durch die Schweizer Verlage ging. Allerorts werden nicht nur Kosten optimiert, sondern auch Profile geschärft.

Manches machen wir heute anders als noch vor fünf Jahren: Wir gestalten zum Beispiel Buchpreise flexibler. Titel, die nur für die Schweiz relevant sind „schützen“ wir mittlerweile konsequent durch überhöhte Europreise, um Reimporte in die Schweiz zu minimieren. Und nach dem Fall der Buchpreisbindung in der Schweiz entstanden neue Spielräume für das Direktgeschäft mit Aktionspreisen. Auf Kundenseite stellen wir zudem eine zunehmende Sensibilisierung für den Wert regionaler und lokaler Strukturen dar. Anders gesagt: Die Sympathie für unabhängige Verlage hat deutlich zugenommen. Es gibt also auch durchaus positive Entwicklungen.

Wie wirkt sich in diesem Zusammenhang die in der Schweiz eingeführte Verlagsförderung des Bundesamtes für Kultur aus?

Die Verlagsförderung in der Schweiz ist vor dem Hintergrund der genannten Markterschwernisse sicher hilfreich. Und es drückt sich darin eine Wertschätzung der Schweizer Politik für die kulturelle Bedeutung der Verlage aus. Der Schweizer Buchhändler-und Verlegerverband hat da im Vorfeld hervorragende Übersetzungsarbeit geleistet, bis es zur „Kulturbotschaft 2016-2020“ kam. Gleichwohl: Überschätzen sollte man die finanzielle Dimension des fünfjährigen Förderprogramms nicht. Die Gesamtfördersumme des Bundesamtes für Kultur beträgt jährlich 1.6 Mio Franken, die an 67 Verlage gehen. Die Strukturbeiträge pro Verlag liegen zwischen 7500 und 80.000 Franken pro Jahr.

Haupt ist in Deutschland vor allem als Spezialist für Kreativ-, Garten-und  Naturbücher bekannt. Das ist ein hart umkämpftes Marktsegment mit vielen Anbietern. Wie positioniert sich da ein mittelgroßer Verlag?

In der Begründung der Jury zum Preis „Verleger des Jahres“  findet sich die Bemerkung, bei Haupt werden „konsequent Stärken ausgebaut, keine Seitensprünge gemacht und Name und Tradition gepflegt“. Tatsächlich haben wir schon vor rund 15 Jahren in der Geschäftsleitung beschlossen, uns programmatisch viel stärker zu fokussieren. Zu den Themen Gestalten und Natur sollen bei Haupt nicht austauschbare Werke entstehen, die inhaltlich qualitätsvoll und hochwertig gestaltet sind. Wir sprechen hier in Bern gerne vom „guten Buch“. Die beiden genannten Themenfelder bearbeiten wir nicht in die Breite; in Anbetracht der Konkurrenz viel größerer und marktmächtigerer  Verlage würden wir damit garantiert scheitern. Nicht zu jedem Kreativthema muss also etwas bei Haupt erscheinen. Wir gehen dafür sozusagen in die Tiefe.

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Als Beispiel sei die Frühjahrnovität Handbuch Handletterin von Chris Campe genannt. Zu diesem Trendthema sind mittlerweile mehrere Titel mit Ladenpreis unter 20 Euro auf dem Markt – bei Haupt erscheint das große, umfassende Anleitungsbuch für 29,90 Euro. Das wissen ambitionierte Gestalterinnen zu schätzen – und die Größe dieser Zielgruppen können wir meist recht gut einschätzen. Wenn Sie so wollen: Wir bekennen uns zur Nische, mit allen Vorteilen und Problemen, die das mit sich bringt.

Das geht nur mit viel Geduld auf Seiten der Eigentümerfamilie. Für unseren Verleger Matthias Haupt steht das nachhaltige Wirtschaften und die dauerhafte Überlebensfähigkeit des Unternehmens im Mittelpunkt, nicht die kurzfristige Umsatzsteigerung. Außerdem haben wir intern den Leitsatz: „Programmarbeit eigenständig, Vertrieb gebündelt“. Unser Lektorat in Bern um Regine Balmer hat die nötige Kompetenz und Erfahrung, um „Rosinen zu picken“. Das ist natürlich ein Glücksfall – oder eben auch eine Folge des unternehmerischen Geistes, der bei uns im Haus ist. Es gibt einen großen Zusammenhalt bei uns, die Motivation und der Teamspirit gehören sicher zu den Stärken des Haupt Verlags.

Welche Bedeutung werden digitale Produkte zukünftig für Special-interest-Verlage wie Haupt haben?

Wir wissen es nicht. Sicher ist jedoch, dass auch kleinere und mittelgroße Verlage auf diesem Feld in kurzer Zeit möglichst viele Erfahrungen sammeln müssen. Bei Haupt konzentrieren wir uns vor allem auf die Entwicklung von Apps, die in enger Zusammenarbeit mit jenen Fach-Communities entstehen, zu denen wir ohnehin Netzwerke unterhalten. Ein Beispiel ist die Flora-Helvetica-App, mit der alle über 3000 Blütenpflanzen der Schweiz bestimmt werden können. Mit einem Preis von 99.99 Euro in der Profiversion ist sie ein wichtiger Umsatzbringer unseres Hauses geworden. Streng wissenschaftlich fundiert, wird die App auch den Ansprüchen weniger geschulter Pflanzenfreunde gerecht. Die App wurde von Botanikern und Naturliebhabern auch deshalb gut aufgenommen, weil die Marke Flora Helvetica durch das große gleichnamige Print-Nachschlagewerk etabliert ist. Aufgrund der hohen Investitionen machen digitale Produkte für uns bisher vor allem dann Sinn, wenn Synergien zu Print-Produkten genutzt werden.

Und die vorhin erwähnte vertriebliche Bündelung? Welche Bedeutung haben Vertriebskooperationen?

Ich bin der festen Überzeugung, dass sich mittelgroße Verlage vertrieblich zusammenschließen müssen, um im heutigen Buchmarkt erfolgreich agieren zu können. Das ist nun sicher keine neue Idee. Lehrbücher publiziert Haupt schon seit 1971 in der UTB. Und für das eigene Programm haben wir in Deutschland seit mehreren Jahren die optimale Aufstellung als Gesellschafter der forum independent GmbH. Haupt gehörte zu den Gründern der Vertriebskooperation, wir haben stark am Aufbau und der Ausgestaltung dieses Zusammenschlusses mitgewirkt.

Das forum-independent-Team um Silvia Maul übernimmt vielfältige Aufgaben für uns, um den deutschen Buchhandel zu betreuen – das reicht vom fest angestellten Vertreterteam bis zum Key-Account-Management. Kein Filialist hat doch heute noch Kapazitäten, den Austausch mit allen Verlagen zu pflegen. Doch gerade auch Verlage mit der Größe des Haupt Verlags haben Umsatzbringer für den Buchhandel im Programm. Also braucht es ein gutes Key-Account-Management, das die stärksten Titel mehrerer Verlage bündelt und vermarktet. Oder einen Außendienst, der mit einheitlichen Konditionen auftritt.

Haupt hat in den letzten Jahren sehr von forum independent profitiert, zu dem renommierte deutsche Verlage wie Theiss oder neu Meyer & Meyer gehören. Die Bündelungseffekte und der verstärkte Marktauftritt sind nur ein positiver Effekt, der Erfahrungsaustausch unter den Verlagen ein weiterer. Ich wundere mich, dass nicht noch viel mehr Verlage solche Wege gehen und sich Kooperationen anschließen.

Abschließend: Was wünschen Sie sich vom deutschen Buchhandel?

Ich wünsche mir vor allem Mut in der Sortimentsgestaltung. Weiterhin genügend Regal-und Präsentationsfläche für außergewöhnliche Bücher, die aus dem Mainstream herausragen. In letzter Zeit lese und höre ich viel über Einkauf nach Kennzahlen, Standardisierung etc. Ich meine: Nur wenn die lokalen und individuellen Besonderheiten einer Buchhandlung ausreichend Berücksichtigung im Einkauf finden, kann Kundenbindung im stationären Sortiment gelingen. Dafür müssen Verkauf und Einkauf kommunikativ gut verzahnt sein. Und es sind Freiräume für Einkäuferinnen wichtig, die auch einmal etwas ausprobieren sollten, um Kunden positiv zu überraschen. Da geht es Verlagen und Sortimenten doch eigentlich gleich: Unsere Aufgabe ist es, Kundenerwartungen zu erfüllen, gleichzeitig aber auch Kunden Unerwartetes, Inspirierendes zu präsentieren. Für diese Regalplätze publizieren wir bei Haupt.

Die Fragen stellte Franziska Altepost

In der vergangenen Woche sprachen wir mit Christoph Bläsi über die Zukunft des wissenschaftlichen Buches

 

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