Sex, Drogen, Dekadenz - und ein Gespräch mit Gott: Konstantin Sacher über sein ungewöhnliches, religiöses und „versautes“ Buch

Immer freitags hier ein Autorengespräch: Heute mit Konstantin Sacher zu „Und erlöse mich“ (Tempo/Hoffmann & Campe/ET 05.10)

Konstantin Sacher studierte Theologie. Aber nicht um Pfarrer zu werden, sondern weil er beeindruckt von der Bildung der Pfarrerin seines Heimatortes war. Das wollte er auch. Aber zum Ende seines Studiums musste er sich trotzdem fragen, was denn nun aus diesem Studium für ein Beruf werden könnte. Eine Idee war Journalist. Ein Praktikum im Feuilleton der FAZ hat ihn sehr beeindruckt. Sein Arbeitsplatz im leeren Büro von Michael Althen, den Gang entlang, schräg gegenüber ein Schreibtisch von Frank Schirrmacher. Es war eine Atmosphäre, die „einfach dazu führen musste, selbst zu schreiben und noch mehr zu schreiben“. So entstand kurz danach Und erlöse mich, sein Debütroman, der jetzt im Oktober bei Tempo erschienen ist. Ein ungewöhnliches, „versautes“ Buch,  in dem es um Gott geht und die Beziehung zu ihm, aber in einer Weise, die man absolut nicht erwartet. Anlass für Fragen an den Autor:

BuchMarkt: Worum geht es in dem Buch?

Konstantin Sacher (c) Katharina Ivanisevic

Konstantin Sacher: Um Sex und Religion, um das Gute und das Böse –  kurz: um das Geheimnis  des Lebens. Der Roman ist um Grunde eine Beichte, der Erzähler beichtet den Lesern.  Er sucht Antwort auf die Frage: „Bin ich ein egoistisches Arschloch?“ und erzählt von seiner ersten Liebe , die durch den Tod auseinandergerissen wird, von seinem bisherigen Leben, von Glauben und Hadern.  Es geht um sehr allgemeine menschliche Gefühle, wenn auch das, was der Leser durchmacht, krass und exzessiv ist. Er taumelt in seinem Leben und stürzt sich immer wieder in Sex-Eskapaden, dabei möchte er mit seiner möglichen Schuld klarkommen und ein guter Mensch sein. Und er möchte Pfarrer werden.

Wie entstand die ungewöhnliche Buch-Idee?

Durch Klick aufs Cover geht’s zum Buch

Es war weniger eine Idee als das Bedürfnis, sich mithilfe einer Geschichte den genannten existenziellen Fragen und Gefühlen zu stellen. Für die Verlagsvorschau von TEMPO habe ich schon  mal eine kleine Making-of-Story geschrieben: Entstanden ist der Roman in Buenos Aires, während eines langen Besuchs bei Freunden. Das war die perfekte Schreibumgebung für mich. Sie wohnten damals im Stadtteil Belgrano in der Calle Teodoro Garcia. Für mich eine der schönsten Wohngegenden in Buenos Aires. Es gibt diese typischen fünfstöckigen Wohnhäuser, Parks, kleine Geschäfte, Restaurants und Cafés – und es scheint mir, dass die Menschen dort das Leben mit all seinen Schattenseiten kennen. Und dass sie es trotzdem oder gerade deswegen besonders genießen. Meine Freunde haben immer sehr lange geschlafen. So konnte ich den Vormittag nutzen, um konzentriert zu schreiben. Mittags bin ich immer in dasselbe Café gegangen und habe weitergeschrieben. Abends kamen meist Freunde zum Dinner, oder wir sind ausgegangen. Nach einem Monat war der Roman so gut wie fertig.

Mit welchem Argument kann der Buchhändler das Buch am besten verkaufen?

Schwierig zu sagen, für mich als Autor. Nun, viele Fragen, die meinen Erzähler umtreiben, werden für fast alle Leser früher oder später relevant sein. In Und erlöse mich geht es um Gott und die eigene Beziehung zu ihm, aber in einer Weise, die man eher nicht erwartet. – Darüber hinaus kann ich noch zwei Leserreaktionen wiedergeben: Viele haben (glaubwürdig!) gesagt, dass sie die Erzählerstimme nicht losgelassen hat, dass sie bis zum Ende in einem Zug gelesen haben. Außerdem habe ich mehrfach gehört, dass die Sexszenen sehr gut geschrieben sein sollen.

Welche Leserschaft wollen Sie ansprechen?

Es ist ein Buch für alle, die auf Sinn-und Identitätssuche sind oder waren. Für alle, die das Leben und die Irrwege, die es bietet, kennen. Ich denke aber, dass es besonders für junge Männer geeignet ist, die in etwa so alt sind, wie der Erzähler, also Mitte, Ende zwanzig. Und für junge Frauen, die sich für die männliche Psyche und Abgründe interessieren.

In welchem literarischen Umfeld kann der Buchhändler das Buch im Laden sinnvoll platzieren?

Unter „Romane S“ ganz vorne. Nein, im Ernst: Gute Buchhändlerinnen und Buchhändler wissen doch viel besser als die Autoren, wie sie ihre Tische interessant und dramaturgisch clever bestücken. Ich würde mir natürlich einen Platz wünschen, an dem viele Kunden vorbeikommen. Vielleicht wäre es eine Möglichkeit, meinen Roman neben das neue Buch von Joachim Meyerhoff zu legen. Auch in seinen Büchern spielen das Leben und der Tod ja die eigentlichen Hauptrollen.

Was lesen Sie persönlich gerne/aktuell?

Ich lese mich gerade durch sämtliche Werke von Hemingway. Darauf bin ich durch meinen Lektor gekommen. Er hat mir den Briefwechsel von Hemingway und Scott Fitzgerald als Buch geschickt und nachdem ich das gelesen hatte, wollte ich alles von Hemingway kennen. Nachdem ich ihn zwischenzeitlich verehrt habe, bin ich nun wieder auf Distanz zu ihm. Er war schon ein widerlicher Kerl. Antisemit, homophob und nur mit sich selbst beschäftigt. Aber gerade deswegen sind seine Bücher vielleicht auch so gut. Eines der Hauptthemen bei ihm,  das ich in fast allen Geschichten wiederentdecke, ist:  Warum verzweifelt der Mensch –  obwohl ihm klar vor Augen steht, dass das Leben grausam und sinnlos ist – nicht daran, dass es grausam und sinnlos ist? Das ist für mich nicht nur eine der Grundfragen des menschlichen Lebens, sondern auch Ursprung der Religion. Und gleichzeitig Motivationsquelle für Literatur.

Welche Frage, die wir nicht gestellt haben, hätten Sie dennoch gerne beantwortet?

Kann ich nach dem Schreiben eines solch versauten Buchs überhaupt noch jemals gut und redlich als Pfarrer arbeiten?

Hier können Sie dies nun tun:

Ja, könnte ich.

 

 

Kommentare (1)
  1. Dem Erzähler möchte ich attestieren: „Ja, Du bist ein egoistisches Arschloch!“ Du bist in der Pubertät stecken geblieben! Und in der Zunft der Pfarrer können wir Dich vermutlich nicht gebrauchen. Der Hinweis auf Augustins „Confessiones“ schmeichelt Dir zu sehr. Dem Hoffmann und Campe-Verlag möchte ich mein Bedauern ausdrücken, dass er so ein – auch literarisch schwaches Buch – meint in Umlauf bringen zu müssen!

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