Heute Dieter Duchdewald im Sonntagsgespräch über die richtige Nachfolgeregelung für Buchhandlungen „Nicht zu spät über die richtige Nachfolgelösung nachdenken“

Dieter Durchdewald: „Das Wesentliche ist, sich früh, mindestens drei Jahre vor dem gewünschten Ausstieg mit der Nachfolge zu beschäftigen und eine klare Überleitungsvorstellung, am besten mit mehreren Szenarien, zu entwickeln“

Es wird immer deutlicher: Wenn unabhängige Buchhandlungen vor der Frage stehen, wie sie ihre Nachfolge lösen sollen, scheinen neuerdings immer wieder nur Filialisten das Problem lösen zu können – warum ist das so und woran liegt das? Das war Anlass für Fragen an Berater Dieter Durchdewald, der sich mit seiner Beratungsfirma Berlin Horizonte darauf spezialisiert hat, Buchhändler vor allem auch bei der Lösung der Nachfolge zu beraten:

BuchMarkt: Herr Durchdewald, stimmt unsere Wahrnehmung, dass in letzter Zeit fast nur noch die Filialisten am Zuge sind, wenn irgendwo eine Nachfolge gelöst werden muss?

Dieter Durchdewald: Wir lesen in der Branchenpresse in der Tat häufiger, dass Buchhandlungen von Filialunternehmen übernommen und weitergeführt werden, als von kleineren inhabergeführten Buchhandlungen, die zugekauft haben.

Und warum ist das so?

Das liegt vermutlich daran, dass die Filialunternehmen aktiv zu Übernahmen informieren. Wir können den Eindruck, dass überwiegend Filialisten kaufen jedenfalls nicht bestätigen. Wir sehen viel Interesse von Einzelpersonen aus der Branche, die sich selbstständig machen und von Buchhändlern mit bestehenden Unternehmen in der Umgebung, die filialisieren möchten. Außerdem wollen manche Alteigentümer ausdrücklich an inhabergeführte Buchhandlungen oder Einzelpersonen verkaufen. Als Unternehmensberater stimmen wir übrigens  die Reihenfolge der Ansprache mit unseren Klienten zu Beginn der Akquisitionsphase ab.

Das ist Ihr Metier?

Da bin ich nicht der Einzige, aber es ist halt so, dass wir immer wieder von inhabergeführten Buchhandlungen Kaufanfragen bekommen. Sie fühlen sich mitunter, so die Anmerkung einer Buchhändlerin, von Filialunternehmen umzingelt und handeln proaktiv. Rationalisierungsüberlegungen spielen natürlich ebenfalls eine Rolle dabei.

Also es muss nie sein, dass immer nur Ketten zum Zug kommen?

Wir alle sollten um jede Buchhandlung froh sein, die die Nachfolge geregelt bekommt und der Standort erhalten bleibt. Filialisten machen nicht per se schlechtere Arbeit nur weil sie Filialisten sind. Das Gegenteil ist meist der Fall. Ich selbst bin ein Osiander-Gewächs und sehe bis zum heutigen Tag, dass dort Kaufleute am Werk sind, die ihr Metier beherrschen.

Dass Sortimentsbuchhandel heute anders aussieht als vor 20 Jahren, liegt nicht an den Filialisten, sondern am veränderten Markt- und Handelsumfeld. Weil die Regale in einer Buchhandlung eher luftig bestückt waren, dachte ich neulich beim Betreten einer Buchhandlung an Ausverkauf. Aber angesichts der betriebswirtschaftlichen Kennzahlen war zu sehen, dass diese Buchhandlung sehr gut in Form ist. Ich habe als Händler heute eben nur das neue Buch von Julie Zeh im Sortiment und besorge auf Wunsch Unterleuten für meine Kundin.

Was machen denn Filialisen anders, wenn sie kaufen wollen?

Wir sehen, dass Filialunternehmen ein paar andere und zusätzliche Punkte auf der Checkliste haben, wenn sie Buchhandlungen übernehmen, als die angesprochene Käufergruppe. Und wenn sie dann kaufen, liegt der Verkaufserlös meist im Rahmen des Erwarteten, jedenfalls nicht darunter.

Tut Ihnen da nicht in der Seele weh, dass die Buchhändler nicht auf die Idee kommen, sich für diese wichtige Frage professionelle Beratung zu holen?

Es gibt für Buchhändlerinnen zurzeit eine Vielzahl von Angeboten zur Unterstützung der Unternehmensnachfolge, vor allem von den Barsortimenten und vom Börsenverein. Ich selbst biete auch ein entsprechendes Seminar bei den Landesverbänden an und werde zu den Hauptversammlungen zum Nachfolge-Vortrag eingeladen.

Weil es ein Thema ist, das immer aktuelller wird?

Ja, denn die eigene, lange Jahre mit Herzblut geführte Buchhandlung abzugeben, ist für niemand einfach. Das Thema Nachfolge ist ein ganz persönliches und Entscheidung zu verkaufen muss oft erst auch noch reifen. In diesem Stadium möchte möchte sich die Buchhändlerin  vielleicht informieren, aber nicht gleich in einer größeren Gruppe outen.

Und da können Sie wirklich helfen?

Wir unterstützen die Inhaber aktiv in allen Phasen der Übergabe und moderieren den Verkaufsprozess. In einem Abstimmungsgespräch legen wir gemeinsam die Vorgehensweise fest. Manchmal beginnt die Zusammenarbeit aber auch mit einem Klärungsgespräch oder sogar einem Coaching. Danach bereiten wir ein Verkaufsexposé vor, eine Unternehmensdarstellung samt Bewertung, die später an Kaufinteressenten weitergereicht werden kann. Dann vereinbaren wir die Akquisitions-Strategie, worauf wir Interessenten direkt ansprechen und gegebenenfalls schalten wir eine Suchanzeige im Auftrag des Klienten. Nach einer unterschriebenen Vertraulichkeitsvereinbarung erhält der Kaufinteressent das Exposé und auf Wunsch weitere betriebswirtschaftliche Kennzahlen. Besteht dann ein ernsthaftes Kaufinteresse, setzten Verkäufer und Käufer mit unserer Hilfe ein Letter of Intent auf, der bereits die Basis für den Kaufvertrag bilden kann. – Der Eigentümerin unterstützt den Prozess, aber wir machen für sie, diskret und leise.

Beim Verkauf einer Buchhandlung spielen natürlich noch weitere Faktoren eine Rolle. Allen voran der Mietvertrag, also: Wie lange läuft er noch? Zu welchen Konditionen wird er fortgeführt?

Gibt es denn außer den Ketten wirklich ernsthafte Bewerber um eine Übernahme?

Wie gesagt, es gibt sie und wir haben sogar die Situation, dass uns mehr Kaufanfragen erreichen als wir interessante Angebote haben. Man könnte deshalb derzeit von einem Verkäufermarkt sprechen.

Aber die Frage ist natürlich, ob die Buchhandlung überhaupt zu verkaufen ist?

Ab einem Jahresumsatz von € 500.000 kann das klappen. Ab dieser Marke entsteht allmählich eine auskömmliche Ertragssituation für einen Nachfolger. Ab und an funktioniert es auch schon bei einem geringeren Jahresumsatz, wenn beispielsweise eine Lottoannahmestelle oder ein Post-Shop integriert sind.

Der Jahresumsatz ist aber wohl nicht allein verkaufsentscheidend?

Beim Verkauf einer Buchhandlung spielen natürlich noch weitere Faktoren eine Rolle. Allen voran der Mietvertrag, also: Wie lange läuft er noch? Zu welchen Konditionen wird er fortgeführt? Noch vor der Bekanntgabe der Verkaufsabsicht sollte der Buchhändler deshalb mit der Vermieterin sprechen und deren Vorstellung kennen. Wesentliche Faktoren bei der Kaufprüfung sind die Umsatz- und Ertragsentwicklung über mehrere Jahre, der Lagerwert, die Arbeitsverträge der Mitarbeitenden und der Zustand der Ladeneinrichtung.

Und die Verkaufspreisvorstellungen des Vorgängers kann/ will kaum einer bezahlen?

Die Buchhändler sind bei den Erlös-Erwartungen sehr, sehr realistisch geworden. Meist liegen Wunsch und Unternehmenswertberechnung nahe beieinander. Bisher sind unsere Vermittlungen nie am Kaufpreis gescheitert.

Was empfehlen Sie Inhaberinnen, die a la longue aus Altersgründen abgeben möchten?

Das Wesentliche ist, sich früh, mindestens drei Jahre vor dem gewünschten Ausstieg mit der Nachfolge zu beschäftigen und eine klare Überleitungsvorstellung, am besten mit mehreren Szenarien, zu entwickeln. Und da neben dem Tagesgeschäft i. d. R. wenig Zeit für Zukunftsfragen bleibt, kann es helfen und die Sache beschleunigen, den Berater quasi als Lotsen einzusetzen, der das Terrain kennt, Orientierung gibt und gemeinsam mit der Buchhändlerin das gewünschte Ufer ansteuert.

Die Fragen stellte Christian von Zittwitz

Kommentare (1)
  1. „Das Wesentliche ist, sich früh, mindestens drei Jahre vor dem gewünschten Ausstieg mit der Nachfolge zu beschäftigen..“
    Das kann ich so nicht bestätigen, man soll sich erst mit dem Ausstieg beschäftigen, wenn man bereit ist abzugeben. Denn wenn sich sehr schnell ein Nachfolger findet, muß man abgeben und kann nicht noch
    Jahre warten. Also mein Rat: „Ich bin bereit abzugeben, aber ich kann auch noch bis zu drei Jahren weitermachen.“

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