Was bedeutet es eigentlich, eine Frau zu sein? Diese Frage begleitet Helene, die Protagonistin in Anne Freytags Buch Lügen, die wir uns erzählen (Kampa) während sie beginnt, ihren eigenen Weg zu gehen. Anlass für Fragen:
Worum geht es in dem Buch?
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- „Lügen, die wir uns erzählen“ ist die Geschichte einer vielschichtigen Frau, die sich im Laufe des Romans Stück für Stück näherkommt. An der Oberfläche lernen wir eine Frau Mitte vierzig kennen, die nach zwanzig Beziehungsjahren von ihrem Mann für eine Jüngere verlassen wird. Absolutes Klischee. Doch sind nicht oft die Trümmer von etwas Altem, das Fundament für etwas Neues? Helene wird bewusst, dass das Leben und die Vorstellungen anderer – aber auch die ihren – sie wie einen nassen Klumpen Ton in eine Form gepresst haben, der mit den Jahren ausgehärtet ist. Nach außen hin hat sie alles erreicht. Karrierefrau, Ehefrau, Mutter, Freundin, Tochter, Schwester – sie hat ihre Rollen stets ausgefüllt. Aber wer ist sie darunter? Wer ist die Person unter den Bildern einer Frau? Mit dieser Frage beschäftigt sich mein Roman.
Wie entstand die Idee zum Thema?
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- Durch Gespräche mit Freundinnen, durch Beobachtungen, durch das Gefühl, das etwas fehlt. Aber vor allem durch die Frage, was eine Frau ausmacht. Im Duden heißt es: eine erwachsene Person weiblichen Geschlechts. Aber was bedeutet das? Wie fühlt sich das an? Ich hatte oft das Gefühl, in der Literatur nicht wirklich vertreten zu sein, weil es da meist um die Suche nach Mr. oder Mrs. Right geht und nicht um den Blick nach innen. Alles ist nach außen gerichtet – als läge die Vervollkommnung in den Händen anderer. Als wartete man als Frau auf den oder die Richtige, wie ein fehlendes Puzzlestück. Als wäre man allein lückenhaft. Ich fand die Vorstellung spannend, ein ganz normales Leben Schicht für Schicht abzutragen und dabei dem Gefühl auf den Grund zu gehen, warum wir uns oft selbst nicht genügen.
Welche drei Wörter beschreiben es perfekt?
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- Fuck People Pleasing – (Bitte entschuldigen Sie meine Ausdrucksweise, alles andere wäre zu lang gewesen.)
An welche Leserschaft richtet es sich?
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- An die größte, die es gibt: Frauen. Und Männer, die sie verstehen wollen.
Mit welchem Argument kann der Buchhandel das Buch im Laden gut verkaufen?
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- Mit dem, dass jede Frau Aspekte von Helenes Leben aus ihrem eigenen kennt: Die Doppelbelastung von Arbeit und Familie, das nagende Gefühl, niemandem gerecht zu werden, schon gar nicht sich selbst. Den tiefen Wunsch nach Unabhängigkeit, aber auch den nach Kindern. Die Sehnsucht geliebt und gesehen zu werden – emotional und körperlich. Auch jenseits der vierzig noch als Frau wahrgenommen zu werden, als sexuelles Wesen. Den innigen Wunsch stark und schwach sein zu dürfen, sich geborgen zu fühlen. Ich glaube, in jeder von uns steckt etwas von Helene. Das Wesentliche ist, verstanden zu werden.
Wie sähe ein Schaufenster dazu schön gestaltet aus?
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- Ich habe im Laufe der Zeit überaus kreative BuchhändlerInnen kennengelernt – entsprechend bin ich mir sicher, dass sie nach der Lektüre auf sehr viel bessere Einfälle kommen würden als ich. Aber wäre es mein Schaufenster, würde ich auf die Farben des Covers setzen – das starke Blau, den Lilaton, das Orange. Die Frau auf dem Bett könnte entspannt oder traurig sein, einsam oder erfüllt. Man sieht sie und doch auch wieder nicht. Meiner Meinung nach ist das Motiv des Künstlers Guy Yanai so stark, dass es die Blicke ohnehin auf sich zieht – kombiniert mit dem Titel, würde mir das als Gestaltung genügen. Klare Linien, starke Farben – und Neugierde auf die Lügen.