2-lagig in die Zukunft – akademisches Publizieren auf der APE2013 in Berlin

Was bloß hat ein zum Transporter umgebauter italienischer Motorroller mit dem wissenschaftlichen Publizieren zu tun? Die Antwort findet man laut Arnoud de Kemp, Veranstalter der APE2013, im Italienisch-Wörterbuch:

APE heißt das skurrile Gefährt, das südlich der Alpen heute den Esel weitestgehend verdrängt hat. APE heißt auch „Academic Publishing in Europe“, womit jeder Konferenzteilnehmer im richtigen Bild war.

Und damit das Bild nicht allzu bescheiden wirkte, packte man auf das schwache Dreirad einen starken Elefanten – fertig war das Key Visual der APE2013. Auch dies nicht ohne Symbolgehalt: ein „elephant in the room“ ist in der amerikanischen Umgangssprache ein wichtiges, aber unangenehmes und deswegen verdrängtes Thema, und „Talking to the elephant in the room“ das Motto der „Pre-Conference“, mit der die APE2013 am 28. Januar begann. Damit nämlich die Kalkulation der APE2013 stimmte, packte der Veranstalter sie wie gewohnt in zwei Lagen: am Montag vor allem lokales Jungvolk ins gediegene Mitteklassehotel, am Dienstag und Mittwoch die Elefanten des europäischen wissenschaftlichen Publizierens in die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.

Und da waren sie, die Themen-Evergreens: Open Access und E versus P, Social Media und die Finanzmisere der Bibliotheken. Aber mag sein, dass es am hohen Anteil an „Jungvolk“ unter 40 lag. Oder wiegen die Vertreter sich im Gefühl, ihre Hausaufgaben bereits gemacht zu haben? Die Stimmung jedenfalls war gelassen. Die Großen Vier (Amazon, Apple, Facebook und Google) und ihre Aktivitäten wurden selten erwähnt. Sie sind Realitäten und bergen neben den Risiken, die aus ihrer Dynamik und schieren Größe für das eher langsame wissenschaftliche Publizieren folgen, auch große Chancen. Die Teilnehmer der „Pre-Conference“ hielten sich mit den Elefanten im Raum nicht lange auf, sondern sprachen über Chancen:

Tina Harseim von Springer berichtete, wie Social Media in STM-Verlagen wirklich funktioniert – allerdings in einem beneidenswert großen Team von 20 Kolleg/innen. Felix Evert zeigte die Vision von De Gruyters enormem Digitalisierungsprojekt aller jemals erschienenen Verlagstitel und die brandneue Initiative zur „Patron Driven Acquisition“ (PDA): Bibliotheken mieten einen elektronischen Gesamtbestand von zur Zeit 11.000 E-Books, 250 E-Journals und 15 Millionen Datenbankeinträgen. Nach Ablauf der Frist kaufen sie nur das, was oft genug genutzt wurde. Für eine wachsende Zahl von Partnerverlagen in diesem Modell fungiert De Gruyter als Aggregator und Dienstleister für den PDA-Vertrieb an Bibliotheken. Martijn Roelandse von Springer NL beschrieb die Grenzen herrschender Bewertungssysteme für Forscher auf Basis von Zitationen im akademischen Schrifttum und zeigte „Social Media“- basierte Alternativen.

Open Access als Modell der Publikation von Forschungsergebnissen und wissenschaftlicher Diskussion hat sich durchgesetzt, die Verlage haben sich daran gewöhnt. Und natürlich haben sie Wege gefunden, wie sie ihre spezifischen Leistungen nicht als Rechtenutzer, sondern als Dienstleister in den Open Access-Prozess einbringen und an der Wertschöpfung partizipieren. Was neu ist: Open Access findet seinen Weg auch in das monographische Publizieren. Aber der Zug fährt und ist nicht mehr aufzuhalten: Modelle wie der „Green Open Access“, die frühzeitige Entlassung wissenschaftlicher Inhalte aus dem Bereich der Verlage in die Public Domain sind reine Übergangs-Phänomene, wie Karl Ulrich Mayer von der Leibniz-Gesellschaft es sieht. Auch die Ausführungen der britischen Wissenschaftler/innen wie Adam Tickel oder Dame Janet Finch zeigten: Nicht nur in Deutschland hat sich die gesellschaftliche Haltung zum Urheberrecht in den letzten Jahren grundlegend gewandelt.

Diese Branche ist in der Zukunft angekommen, auch wenn sie sich immer wieder ritualhaft selbstkritisch nach ihrer Innovationskraft befragt. Gerade diese Frage ist am allerschwersten von innen heraus zu beantworten.

Michael Lemster

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