Anne Kanis über ihr Buch "Auf Erden" (Goya Verlag) „An alle, die Freundschaften pflegen, Streifzüge lieben und Empathie für eine erstrebenswerte Fähigkeit halten“

Anne Kanis (c) Heike Steinweg

Mit viel Einfühlungsvermögen und Empathie erzählt die Schauspielerin Anne Kanis in ihrem ganz persönlichen Roman Auf Erden (Goya) von einem tiefen Trauer- und Erinnerungsprozess. Von dem Glück, in eine liebevolle Familie hineingeboren zu werden, und dem Schmerz, wenn geliebte Menschen das Leben auf Erden verlassen. Von Streifzügen mit den Freundinnen durch eine aufgebrochene Stadt. Und von einer sich anbahnenden neuen Liebe. Anlass für Fragen:

Heute Abend, am 15. März, findet die  Buchpremiere zu Auf Erden im Haus für Poesie in Berlin statt. Worum geht es in Ihrem neuen Roman?

Es geht um den Abschied eines geliebten Vaters, um Zusammenhalt, Trennungen und Neuanfänge und um die Streifzüge von vier Freundinnen durch die Großstadt.

 Wie entstand die Idee zum Thema?

Der Idee gingen viele verschiedene Gespräche voraus, zum Beispiel über Wertschätzung oder Geringschätzung innerhalb von Familien, über positive und negative Männlichkeitsbilder, über den Umgang mit Trauer, über Freundschaft, oder auch darüber, wie es war, in den Neunzigerjahren in Berlin als Mädchen aufzuwachsen.

Die Protagonistin in Ihrem Roman blickt u. a. zurück auf ihre Kindheit und wie sie mit ihren drei Freundinnen Jessi, Katharina und Alma als „enges Viererkleeblatt“ das Berlin der 90er Jahre erlebt hat. Was macht für Sie starke Freundschaften aus?

Für mich ist eine starke Freundschaft eine Freundschaft, in der auch Schwächen in Sicherheit sind. In der zwei Gleichberechtigte sich mögen, einander nahe sind und sich gegenseitig Vertrauen schenken. Und in der niemand auf die Idee kommt, dieses Vertrauen auszunutzen. Und jeder bzw. jede die Grenzen des anderen vollständig akzeptiert.

In Auf Erden entsteht zudem das Bild einer intensiven und glücklichen Vater-Tochter-Beziehung. An einer Stelle heißt es: „Ich glaube, dass unsere Eltern uns prägen, nicht unumstößlich, nicht unveränderbar, aber hartnäckig.“ Gibt es bestimmte Erinnerungen an Momente oder Ereignisse mit Ihrem Vater, die Sie besonders geprägt haben?

Nicht bestimmte situative Erinnerungen. Eher Erinnerungen an sein Verhalten allgemein, an seinen Umgang mit Menschen und der Welt. Mein Vater konnte Poesie ohne Verklärung, Intuition und Vernunft auf eine ganz besondere Art und Weise in sich ausbalancieren. Er konnte mit Leichtigkeit festgefahrenes Denken entwaffnen und hat immer gegen das Autoritäre Stellung bezogen (auch in seinen Inszenierungen), er hat Kinder oft ernster genommen als Erwachsene, was für mich ein sehr schönes Gefühl war — ein Gefühl, unverwundbar zu sein.

Auf Erden handelt auch von ernsten Themen wie Verlust und Trauer. Fiel es Ihnen schwer, über diese Themen zu schreiben?

Schwer nicht in dem Sinne, dass ich Sorge vor innerhalb des Prozesses aufkommenden Gefühlen gehabt hätte. Es war eher dahingehend schwer, darauf zu achten, die Gefühle von Leserinnen und Lesern und die der Menschen aus meinem Umfeld, nicht zu verletzen.

An welche Leserschaft richtet es sich?

An alle, die bereit sind, eine vierzigjährige Frau bei ihren persönlichen Um- und Aufbrüchen zu begleiten. An alle, die neugierig darauf sind, ein Stück Familiengeschichte der Wendezeit aus der Perspektive einer Heranwachsenden zu betrachten. An alle, die das Nachwende-Gefühl zwischen Euphorie und Melancholie nicht mit Verklärung der Vergangenheit oder nostalgischer Sehnsucht verwechseln wollen. An alle, die Freundschaften pflegen, Streifzüge lieben und Empathie für eine erstrebenswerte Fähigkeit halten.

 Mit welchem Argument kann der Buchhandel das Buch im Laden gut verkaufen?

Obwohl es in diesem Buch auch um Abschied geht, war es mein Bestreben, ein versöhnliches Buch zu schreiben, das Trost spendet. Alltagssexismus trifft positive Männlichkeitsbilder, zeitlose Themen wie Freundschaft, Liebe und Trauer verbinden sich mit einem historischen Rückblick auf das Berlin der Neunzigerjahre. Dabei habe ich mich bemüht, eine Sprache zu finden, die nicht nur dokumentiert, sondern Atmosphären einfängt und treffende Bilder findet.

Wie sähe ein Schaufenster dazu schön gestaltet aus?

Ich würde Auf Erden mit verschiedenen bunten Covern (und mit ihnen den Ausbruch des Frühlings), wie in einer Galerie präsentieren und dafür einen schlichten grauen oder blassrosa Hintergrund wählen, der den Farben der Buchdeckel den Vortritt überläßt. Ich würde die Bücher, wie Kunstwerke in einer Ausstellung, auf unterschiedlich hohen Quadern oder auf einer Art Treppe arrangieren.

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