Landesverband Niedersachsen protestiert gegen von Eltern bezahlte Hilfskräfte zur Ausleihe von Schulbüchern / Auch Protest der Schulbuchverleger „Mietsystem verhindert Schulreformen“

Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels-Landesverband Niedersachsen protestiert gegen das vom Kultusministerium vorgeschlagene und ab dem Schuljahr 2004/2005 gültige Mietmodell bei Schulbüchern.

In einer offiziellen Stellungsnahme vom Landesverband heißt es dazu:

Mit diesem Modell weicht das Kultusministerium davon ab, Kinder nicht zuletzt aus pädagogischen Gründen mit eigenen Schulbüchern lernen zu lassen. Viele Kinder kennen eine Buchhandlung nicht mehr von innen, sie besitzen nicht einmal ein eigenes Buch.

Aus dem Runderlassentwurf, der dem Verband vorliegt, wird deutlich, dass die Bemühungen des Ministeriums immer Bevorzugung des Mietmodells vorsah, so dass alle Gespräche, die in eine andere Richtung zeigten, von vornherein chancenlos waren.

Thomas Wrensch, der Vorsitzende des Verbandes, bezeichnet das Mietverfahren als „Mogelpackung“: Zum einen werden die Eltern im Glauben gelassen, die Schule würde die Bücher zur Verfügung stellen, obwohl sie in Wirklichkeit von den Eltern bezahlt werden.Diese erwerben aber kein Eigentum.
Zum anderen sollen in Zukunft die „normalverdienenden Steuerzahler mit Kindern “ die Bücher der sozial schwächer gestellten Familien mitbezahlen. Das Land und die Kommunen verabschieden sich aus ihrer finanziellen Verantwortung. Von den Geldmitteln, die die Eltern zahlen, sollen nach dem vorliegenden Erlassentwurf auch Hilfskräfte bezahlt werden, die die Ausleihe durchführen sollen.
Darüber hinaus wird die angekündigte Schulreform von vornherein erschwert, da kein Etat für die vom Kultusminister geforderten neuen Lehrbücher zur Verfügung steht. Besonders ärgerlich: Es gibt seitens des Ministeriums keine Mitteilung darüber, inwieweit das Modell auch in den nächsten Jahren, wenn Mittel zur Verfügung stehen, weitergeführt werden soll.

Woher die vom Minister nun ins Spiel gebrachten 6 Mio. Euro stammen sollen, ist dem Verband völlig unerklärlich, war doch nach Aussage aus dem Ministerium immer die Rede davon, es ständen im Jahr 2004 keine öffentlichen Mittel mehr zur Verfügung.

Und der Verband Bildungsmedien VdS der Schulbuchverleger stößt ins gleiche Horn:

Die Entscheidung des Landeskabinetts, anstelle der Lernmittelfreiheit künftig ein Mietsystem zur Schulbuchversorgung der Schulen einzurichten, trifft auf Unverständnis bei den Schulbuchverlagen und Herstellern von Bildungsmedien. Das Land will ab dem kommenden Schuljahr die in den Schulen vorhandenen alten Schulbücher gegen eine Gebühr von ca. einem Drittel des Neupreises an die Eltern vermieten. Damit wurde nach Stellungnahme des Branchenverbandes VdS Bildungsmedien in Frankfurt am Main die schlechteste aller möglichen Alternativen gewählt. Die dringend notwendige Erneuerung der Lernmittel werde sich mindestens für die nächsten drei Jahre verzögern. Allein durch die Auflösung der Orientierungsstufe zum nächsten Schuljahr sind aber in fast allen Fächern der 5. und 6. Klassen sofort neue Lernmittel notwendig. Da die Schulen jedoch das Geld für den Neukauf erst durch das Vermieten der Altbestände ansparen müssen, werden die von der Landesregierung beschlos-senen und zum nächsten Schuljahr umzusetzenden Schulstrukturreformen ohne die erforderlichen neuen Medien beginnen und notgedrungen scheitern. Das Land hatte per Nachtragshaushalt kurz vor Weihnachten den Lernmitteletat von bislang 22,5 Mio. EUR restlos gestrichen. „Eine Anschubfinan-zierung des Mietsystems gibt es somit schlicht nicht“, stellt der Verband fest und folgert, dass Kultusminister Busemann seine eigenen Ambitionen zum Umbau des niedersächsischen Schulsystems zu torpedieren droht.

Zugleich werden die Schulen mit dem Mietsystem durch einen gewaltigen Verwaltungsaufwand be-lastet, der letztlich durch teure Lehrerarbeitszeit geleistet werden müsse. Der Aufwand für die Schulbuchausleihe ist nach Berechnungen der Kienbaum Unternehmensberatung erheblich und liege bei über 19 Mio. EUR Lehrerarbeitszeit. „Ein guter Teil der von der Landesregierung im letzten Jahr geschaffenen neuen Lehrerstellen werde so völlig sachfremd für Bibliotheksarbeiten und Buchführung verbraucht“, befürchtet der VdS. Das gewählte Verfahren ist zudem völlig unnötig, da mit einem Mietverfahren nur das staatlich organisiert würde, was sich sowieso durch private Initiative per Schul-buchflohmärkte oder über Tauschbörsen im Internet schnell selbst ergeben würde, betont der Verband. In Bundesländern wie Rheinland-Pfalz und dem Saarland, wo die Eltern schon immer die Schulbücher selbst kaufen, gibt es einen durchorganisierten Gebrauchtbuchmarkt der Schulfördervereine und El-terninitiativen, auf dem sich die Eltern je nach Bedarf von den Schulbuchkosten entlasten.

Zudem bezweifelt der Verband den Mehrwert für die Eltern: Durch das nun beschlossene Mietsystem fallen Gebühren von bis zu 90 EUR für alte Bücher an, ohne dass es eine schnell einsetzende Erneue-rung der Lernmittelbestände gebe. „Für ihr Geld bekommen die Eltern nur das, was sie zuvor umsonst erhalten haben – nämlich fast ausschließlich alte Ausleihbücher, die den aktuellen neuen Unterrichtsvorgaben nicht entsprechen können“, kommentiert der VdS. Der Verband hatte bei der Diskussion um die Lernmittelfreiheit immer für die Einführung des rheinland-pfälzischen Modells des Eigenkaufs von Schulbüchern plädiert. In diesem System, dass seit vielen Jahren ohne Probleme im Südwesten funktioniert, arbeiten alle Schüler mit eigenen Schulbüchern, die auch als Handapparat fürs Nachschlagen und Nachbereiten des Lernstoffs zur Verfügung stehen. Geringverdiener und kinderreiche Familien erhalten geldwerte Gutscheine zum Eigenkauf der Bücher. Der pädagogische Vorteil dieses Verfahrens ist unbestritten, spielte aber bei der Entscheidung in Niedersachsen nur eine untergeordnete Rolle. Das dagegen nun von der Landesregierung beschlossene System bringe keine schnelle Innova-tion und einen riesigen Verwaltungsaufwand für Schulen und Lehrer, lautet das Fazit des VdS. Die Chance, mit der im Dezember beschlossenen Abschaffung der Lernmittelfreiheit eine deutliche Verbesserung der schulischen Lernsituation mit eigenen Schulbüchern zu erreichen, wurde vertan. Stattdessen werde nun die politische Verantwortung für die Lernmittelversorgung auf die Ebene der einzelnen Schulen verschoben.

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