Berlin: André Schiffrin im Gespräch mit Michael Naumann

Ein spannender Literatur-Abend in Berlin.

Michael Naumann, André Schiffrin, Andreas Rötzer (v. l.)

Im Gespräch mit Cicero-Chefredakteur Michael Naumann stellte der amerikanisch-französische Verleger André Schiffrin im Berliner Büro des Börsenvereins seine Lebensgeschichte vor.
„Paris, New York und zurück. Politische Lehrjahre eines Verlegers“ ist soeben im Verlag Matthes & Seitz Berlin erschienen.

Das Publikum erfuhr, dass die beiden Freunde Naumann und Schiffrin sich seit 1985 kennen. Damals hatte Naumann als Rowohlt– Verleger Art Spiegelmans „Maus“ nach Deutschland geholt, ein Buch das Schiffrin für den amerikanischen Markt entdeckt hatte.

Einem breiten Publikum bekannt wurde André Schiffrin durch sein Buch „Verlag ohne Verleger“, das der Wagenbach Verlag vor zehn Jahren auf Deutsch publizierte und das mittlerweile in 27 Ländern erschienen ist. Schiffrins neues Buch, das sich wie ein autobiografischer Bildungsroman lese, erzähle auch die politische Geschichte der USA nach 1945 und die intellektuelle Entwicklung in dem Land, lobte Naumann.

Schiffrin, Jahrgang 1935, der als Sohn russischer Juden in Paris geboren wurde, erzählte, dass sein Vater, der eng mit André Gide befreundet war, in Paris „Les Editions de la Pléiade“ gründete, die er später bei Gallimard führte. 1941 floh die Familie vor den Nationalsozialisten über Casablanca in die USA, wo der Vater den Pantheon Verlag mit aufbaute.

Auch André Schiffrin arbeitete lange als Verleger von Pantheon Books, bevor er The New Press gründete. Heute lebt der Verleger wieder überwiegend in Paris.

In Berlin sprach er über den Strukturwandel der Branche, über die Bedrohungen, die von der Monopolisierung des Vertriebs ausgehen und von der Schrumpfung der Feuilletons. In der Buchhandelslandschaft gleiche New York der Sahel Zone, so Schiffrin. Er erinnere sich, dass es in den 50er Jahren, als er mit dem Studium begann, 333 Buchhandlungen in New York gab. Heute seien in der ganzen Stadt nicht einmal mehr 30 übrig. Ketten hätten die inhabergeführten Läden durch ihre Preispolitik verdrängt. Soweit könne es wegen der gebundenen Ladenpreise in Deutschland zum Glück nicht kommen, betonte Naumann.

Bei den Verlagen beobachtet Schiffrin eine zunehmende Polarisierung: auf der einen Seite die großen Konzerne, deren neue Ideologie laute „Jedes Buch muss Gewinn machen“ und auf der anderen Seite das Entstehen engagierter Kleinverlage, die Beachtliches leisten – wie Matthes & Seitz beispielsweise. Die Branche müsse sich an Renditen gewöhnen, die nahe an der Inflationsrate liegen.

Dennoch überwog an diesem Abend der Optimismus. Die Buchkultur wird nicht untergehen, solange es genug Verrückte gibt. „Wer heute Verleger ist, muss verrückt sein“, so Naumann. Ich bin froh, dass es sie gibt, die Verrückten.“

Am Mittwoch, dem 2. Juni, stellt André Schiffrin sein Buch im Gespräch mit Hanser– Verleger Michael Krüger in München vor. Wer nicht dabei sein kann, die Lektüre von André Schiffrins Autobiografie ist auf jeden Fall ein Erlebnis. ML

Lesen Sie dazu auch das Interview mit Andrè Schiffrin im morgen erscheinenden Juni-BuchMarkt, Seite 46

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