Danach fragen Kunden Umgeblättert heute: Eine „bitterböse, überdrehte Satire“

Jeden Morgen blättern wir für Sie durch die Feuilletons der führenden Tageszeitungen – damit Sie schnell einen Überblick haben, wenn Kunden ein bestimmtes Buch suchen oder Sie nach einer Idee für einen aktuellen Büchertisch:

 

„Wir waren einfach Macher“: Teilnehmende Beobachtung ostdeutscher Identitätsfindung: Juliane Stückrad betreibt Feldforschung, die sich nicht bloß den Klagen widmet, sondern auch Erfolge beschreibt. „Stückrads dramaturgisch klug konzipierter Forschungsbericht offenbart, dass sich viele Ostdeutsche auch dreißig Jahre nach der Wiedervereinigung in der bundesrepublikanischen Leistungsgesellschaft noch immer als Mängelwesen empfinden; dass sie auf die Erfahrung der Demütigung oftmals mit einer verstärkten Neigung zum Demütigen reagieren; dass sie umgetrieben werden von Gefühlen des Verlustes, der Resi­gnation, des immer nur Wenigerwerdens – ‚wer weiß, wie lange es das noch gibt‘, ist ein Satz, der Stückrad im Feld immer wieder begegnet.“
  • Juliane Stückrad, Die Unmutigen, die Mutigen. Feldforschung in der Mitte Deutschlands. (Kanon Verlag)

„Diese Orte sind ja so unklassisch!“: Eigenwilliger Extremismus: William Beckford erträumte sich ein Kontinentaleuropa, das er auf seiner Grand Tour viel zu selten fand, aber beschrieb. „Beckfords Reisebriefe sind wahrlich kein Cicerone für gebildete Bürger, wie ihn sechs Jahre später Goethe auf seiner Italienreise zu Papier brachte. Der Engländer macht Witze und Anspielungen, gibt hemmungslos subjektiv seine Eindrücke wieder. Vieles bleibt dem reinen Zufall überlassen, er reist nicht nach Plan, sondern nach Gutdünken.“

  • William Beckford, Träume, Gedankenspiele und Begebenheiten – in einer Reihe von Briefen aus verschiedenen Gegenden Europas. (aus dem Englischen und Anmerkungen von Wolfram Benda; Bildlegenden und Nachwort von Norbert Miller; Die Andere Bibliothek)

„Achtung, Hundeblick!“: Ein schmales Buch will absolut alles erklären. „Unter dem Motto ‚Neugier allein genügt nicht‘ versammeln der Genetiker und die Mathematikerin in einer als Kompendium kaum tauglichen Collage mit dem Titel Der ultimative Guide zu absolut Allem neun vage zusammenhängende Angelegenheiten, die den Menschen umtreiben. Allesamt liegen ihnen Fragen zugrunde, deren Antworten nicht in der Magengrube gefunden werden können, oder wo auch immer die menschliche Intuition beheimatet sein mag. Sie sind Teil einer Sphäre, die der Mensch bloß mit wissenschaftlichen Methoden zu erklären vermag.“

  • Hannah Fry und Adam Rutherford, Der ultimative Guide zu absolut Allem* (*gekürzt). (aus dem Englischen von Hans-Peter Remmler; C. H. Beck Verlag)

„Den Dualismus von Mann und Frau hält sie für falsch, wie alle Dualismen“: „So habe ich mich noch nie gefühlt“. Wie es ist, einen Menschen zu verlieren, der immer nur das Beste für einen wollte: In ihrem Essayband Mütter, Väter und Täter nimmt Siri Hustvedt Abschied von ihren Eltern. „Siri Hustvedt ist bekannt für ihre brillanten Essays, die neueste Forschungen der Neurowissenschaften, der Physik und Molekulargenetik auf ebenso elegante Weise in die Argumentation integrieren wie Erkenntnisse der Philosophie und Psychoanalyse. Und sie ist bekannt für ihre multiperspektivischen Romane, die Fiktion und Realität zu einer schillernden Doppel-Helix verdrehen. Ihre Essays sind immer aus der Ich-Perspektive geschrieben. (…) Der neueste Essayband setzt den Akzent noch deutlicher als sonst auf autobiografische Erfahrungen. Die Themen sind nah am weiblichen Körper ausgerichtet, an seiner Verletzlichkeit, dem Altern und der Beziehung zu anderen Personen.“

  • Siri Hustvedt, Mütter, Väter und Täter. Essays. (aus dem Englischen von Uli Aumüller und Grete Osterwald; Rowohlt Verlag)

„Ein ewig Fragender“: Der israelische Historiker Tom Segev hat seine Memoiren geschrieben, die auch ein lebenskluges Buch über die Untiefen des Erinnerns geworden sind. „In seinen Erinnerungen lernt der Leser den Autor Tom Segev als einen ewig Fragenden kennen, dessen Neugier dazu dient, die schwierige, rätselhafte Welt ein wenig besser zu verstehen. Er sucht die Antworten bei den Menschen und ihren Geschichten.“

  • Tom Segev, Jerusalem Ecke Berlin – Erinnerungen. (aus dem Hebräischen von Ruth Achlama; Siedler Verlag)

„Ronen Steinke über Rechtsextreme“:

  • Ronen Steinke u.a. (Hrsg.), Recht gegen rechts. Report 2023. (S. Fischer)

„Und die Herrn Nazis haben die Posten“: Gabriele Tergits Der erste Zug nach Berlin ist eine böse Satire auf Nachkriegsdeutschland. „Es ist das Verdienst des Frankfurter Schöffling Verlags, die literarischen Werke Tergits wieder dem Vergessen entrissen zu haben. Das gilt für ihren großen Familienroman Effingers (1931 begonnen, erst 1951 erschienen!) wie für die autobiografisch geprägte Arbeit So war’s eben, aber auch für ihre Gerichtsreportagen und ihre Erinnerungen unter dem Titel Etwas Seltenes überhaupt. Und nun also die bitterböse, überdrehte Satire Der erste Zug nach Berlin. Die Autorin verarbeitet hier die ernüchternden Erfahrungen von zwei Reisen 1948 und 1949 in ihre zerstörte Heimatstadt Berlin.“

  • Gabriele Tergit, Der erste Zug nach Berlin. Roman. (Schöffling & Co.)

„‚Die Aufklärung muss vor sich selbst geschützt werden'“: Philosoph Omri Boehm im Interview über vermeintlich westliche Werte, ihren allgemeinen Anspruch sowie die Verbindung der jüdischen Philosophie zu Immanuel Kant.

  • Omri Boehm, Radikaler Universalismus. Jenseits von Identität. (a. d. Engl. v. Michael Adrian; Propyläen)
Kommentare (0)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert