Danach fragen Kunden Umgeblättert heute: „Welch ein Vermächtnis“

Jeden Morgen blättern wir für Sie durch die Feuilletons der führenden Tageszeitungen – damit Sie schnell einen Überblick haben, wenn Kunden ein bestimmtes Buch suchen oder Sie nach einer Idee für einen aktuellen Büchertisch:

  • „Der Honig der Phantasie“: Welch ein Vermächtnis: In Gerhard Roths finalem Roman Die Imker triumphiert Fabulierlust über trübe Wirklichkeit. Es ist ein verrückter Weltuntergang, den nur die Verrückten überleben. „Die Imker entwickelt einen Sog, wie es nur überragende Romane tun: der perfekte Einstieg in den Parallelkosmos Gerhard Roth.“
    Gerhard Roth, Die Imker. Roman (mit Illustrationen von Erwin Wurm; S. Fischer)
  • „Vom dichterischen Umgang mit Tod und Trauer“: Nach fast einem halben Jahrhundert wird der in Frankreich zum Klassiker der Dichtkunst avancierte Band Garder le mort von Jean-Louis Giovannoni erstmals ins Deutsche übersetzt. „In 65 sehr kurzen pointierten Texten ohne Interpunktion kreist Den Toten bewachen um die Sterblichkeit, eine Reflexion von medizinischer Tabu- und Schonungslosigkeit. Auslöser des Werks, das 1975 erstmals erschien, war der Tod von Giovannonis Mutter.“
    Jean-Louis Giovannoni, Den Toten bewachen / Garder le mort. Gedichte (aus dem Französischen von Paula Scholemann und Christoph Schmitz-Scholemann; Elsinor Verlag)
  • „Das bin doch nicht ich“: Die österreichische Autorin Teresa Präauer versucht in einer Erzählung, den fremden Zuschreibungen und Mustern eine eigenständige Erinnerung abzugewinnen. „Wenn die österreichische Autorin Teresa Präauer in ihrer Erzählung Das Mädchen ihre Kindheitserinnerungen entspinnt, überlagern sich von Beginn an in größter Ernsthaftigkeit Realität und Fiktion.“
    Teresa Präauer, Das Mädchen. Erzählung (Wallstein Verlag)

  • „Bitte warten Sie“: Menschen kommen aus der Ukraine mit nichts als ihren Geschichten. Aber wie kann man hier an Literatur denken, wie schreiben, solange der Krieg die Gegenwart bestimmt? Von Sasha Marianna Salzmann
  • „Was lesen Sie? Mithu Sanyal“: „Immer zu viele Bücher gleichzeitig. Sie liegen in meinem Bett und drücken mir nachts liebevoll Rillen in die Haut. Von hier aus gesehen, sind die nächsten drei: Time Travel, A History von James Gleick, Heinrich Böll/Sharon Dodua Otoo Gesammeltes Schweigen, Enid Blyton, The Biography von Barbara Stoney – und sie sind alle toll.“
  • „Und was ist mit Beethoven?“: Timo Feldhaus besichtigt 1816, das Jahr, das auf den berühmtesten Vulkanausbruch der Geschichte folgte. „Was für dieses Buch trotz mancher Zweifel am problematischen Kompositionsprinzip der Parallelen aber einnimmt, ist sein empathischer Tonfall. Feldhaus verrät seine Helden nicht ans nur Unterhaltsame oder monströs Interessante, sondern versucht, ihnen je einigermaßen gerecht zu werden, ohne sie dabei wieder fern zu rücken durch akkurate Lexikalisierung.“

    Timo Feldhaus, Mary Shelleys Zimmer. Als 1816 ein Vulkan die Welt verdunkelte (Rowohlt)

  • „Patrizia Cavalli ist gestorben“: „Sie hatte einen leichtfüßigen Groove und streunte wie eine römische Katze zwischen klassischen Versmaßen und Alltagsbeobachtungen hin und her: die Dichterin Patrizia Cavalli, eine kleine, rundliche Person, die ihre Texte auswendig vortrug, sich im Rhythmus ihrer Verse wiegte und ihre Zuhörer auf Festivals mitriss. (…) Am 21. Juni 2022 ist die Dichterin gestorben, die sich so gut auf Abwesenheiten verstand: ‚ich verliere mich/ unterwegs, falle Tag für Tag auseinander/ und jede Rückkehr ist vergeblich“‘.

 

  • „Globale Empathie“: Den Schmerz der Anderen begreifen: Charlotte Wiedemann denkt in einem triftigen Essay über den Holocaust und das Gedächtnis der Welt nach. „Es ist hier nicht der Ort, auf Wiedemanns Lösungsvorschläge einzugehen, wohl aber festzuhalten, dass mit diesem Buch, das nach der Möglichkeit einer globalen Empathie fragt, ein neues Kapitel in Richtung dessen, was Michael Rothberg als ‚multidirektionales Erinnern‘ bezeichnet, aufgeschlagen worden ist – und das in einer Sprache, die an Klarheit und Lesbarkeit aber auch gar nichts zu wünschen übrig lässt.“
    Charlotte Wiedemann, Den Schmerz der Anderen begreifen. Holocaust und Weltgedächtnis (Propyläen)
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