Danach fragen Kunden Umgeblättert heute: „Wem die Hervé-Le-Tellier-Bände aus­gehen, dem wird hier geholfen“

Jeden Morgen blättern wir für Sie durch die Feuilletons der führenden Tageszeitungen – damit Sie schnell einen Überblick haben, wenn Kunden ein bestimmtes Buch suchen oder Sie nach einer Idee für einen aktuellen Büchertisch:

 

„Süße Melancholie“: Oulipo lässt aufs Schönste grüßen: Anne Serres literaturspielerische Erzählungen Im Herzen eines goldenen Sommers. „Tatsächlich entwirft Serre 33 davon, denn so viele Texte fasst ihr Band, Erzählungen, von Ton und Länge her irgendwo zwischen amerikanischer short story und lateinamerikanischer microficción angesiedelt – die Evokationskraft der Letzteren haben sie allemal, die emotionale Dichte einer Geschichte von Raymond Carver oder James Salter allerdings auch. Hinzu kommt die ironische Verspieltheit von Oulipo und überhaupt das Detachement schönster französischer Prosa. Wem die Hervé-Le-Tellier-Bände aus­gehen, dem wird hier geholfen.“
  • Anne Serre, Im Herzen eines goldenen Sommers. (aus dem Französischen von Patricia Klobusiczky; Berenberg Verlag)

„Ein schüchterner Mann“: Er reagiert nicht auf den Westen, sondern handelt aus eigenem Antrieb: Michael Thumann beschreibt Wladimir Putins Aufstieg und Russlands Weg in die Diktatur. „Seinen gelungenen Crashkurs in neuerer russischer Geschichte ergänzt der Autor mit Szenen aus dem Moskauer Alltag und politischen Analysen. Er erzählt von Begegnungen mit russischen Bekannten, Nachbarn und Ukrainern auf der Flucht.“

  • Michael Thumann, Revanche. Wie Putin das bedrohlichste Regime der Welt geschaffen hat. (C. H. Beck Verlag)

„Sanfter Guerillero“: Das unaufhörliche Umschlagen von Informationen in Emotion: Der rumäniendeutsche Schriftsteller Richard Wagner ist gestorben. „In dem Buch Herr Parkinson rechnete er 2015 mit jener Krankheit ab, die ihm bald nicht mehr erlauben sollte, zu schreiben. Er übergab sein privates Archiv schon 2013 dem Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas in München. Die Literaturwissenschaftlerin Christina Rossi, die es erforscht, hat etwa berichtet, aus den darin enthaltenen Akten gehe hervor, dass Wagner und Müller auch in Deutschland noch Morddrohungen des rumänischen Staatsapparates erhalten hätten. In einem Fragment gebliebenen Essay über Paul Celan schreibt Wagner laut Rossi: ‚Herkunft ist nicht alles, Herkunft ist mehr.‘ Am gestrigen Dienstag ist Richard Wagner in Berlin gestorben.“

„Unerwartet privat“: Auf der Suche nach der Quelle ihres Sounds: Judith Hermanns Frankfurter Poetikvorlesungen sind jetzt als Buch erschienen. „‚Das Verschweigen des Eigentlichen zieht sich durch alle Texte‘ – daraus folgt der Untertitel der Poetikvorlesungen ‚Vom Schweigen und Verschweigen im Schreiben‘. Doch obwohl Verschwiegenheit in diesem Genre eher untypisch ist, sind Hermanns Poetikvorlesungen erzählerisch und stilistisch gelungen und seien jedem empfohlen, der auf der Suche danach ist, was den typischen Hermann-Sound ausmacht.“

  • Judith Hermann, Wir hätten uns alles gesagt. (Verlag S. Fischer)

„Die Offenbarung“: In ihrem neuen Buch geht Judith Hermann klug und poetisch dem Zauber ihres eigenen Schreibens auf den Grund. „In ihrem siebenten Buch, nach vier Bänden von Short Storys und zwei kurzen Romanen binnen 25 Jahren, führt die inzwischen 53-jährige Autorin die Stärken und Schwächen ihres lakonischen Erzählstils so selbstgewiss vor, dass die oft beanstandeten Defizite ihres Schreibens als dessen eigentliche Vorzüge erscheinen.“

  • Judith Hermann, Wir hätten uns alles gesagt (S. Fischer)

„‚Die Nation hat große Anforderungen an Sie'“: Vernichtende Kälte: Stephan Oswalds Biografie von Goethes Sohn August gerät zur Anklageschrift gegen den Vater. „Die neue Biografie von Stephan Oswald, reich an neuen Informationen aus den Archiven, gut geschrieben, gut disponiert, entfaltet eine Tragödie, deren Grundlinien in grausamer Härte schon Thomas Manns Roman Lotte in Weimar 1939 gezeichnet hatte. Mann stützte sich auf die präzise Biografie Goethes Sohn von Wilhelm Bode aus dem Jahr 1918, die nun endgültig durch Oswalds Buch ersetzt wird. Das Bild wird dabei schärfer, aber nicht grundsätzlich anders.“

  • Stephan Oswald, Im Schatten des Vaters – August von Goethe (C.H. Beck)

„‚Ich bin nicht mehr mein Körper'“: Zum Tod des Schriftstellers Richard Wagner, der an Parkinson litt. „Die Parkinson-Krankheit, stellt der Erzähler in Richard Wagners letztem Prosawerk fest, habe zwar keinen erkennbaren Plan, aber ein Prinzip. ‚Sie verlangt nicht ausdrücklich die Unterwerfung, doch wo der Parkinson Herr der Lage ist, hat der Erkrankte nicht mehr viel zu sagen.‘ Das Ich in dem 2015 erschienenen Buch hat sehr viel mit dem Autor gemein – vor allem die Auseinandersetzung mit einem unangenehmen, herrischen Bekannten, der sich sogar im Titel breitmacht: Herr Parkinson. Am Dienstag ist Richard Wagner im Alter von 70 Jahren in Berlin gestorben.“

„Der Sound der Erhabenheit“: Dirk von Lowtzow führt ein Corona-Jahr lang Tagebuch – aus dem wehleidigen Herzen einer unter Druck geratenen Normalität heraus. „Dirk von Lowtzow schreibt aus dem wehleidigen Herzen einer unter Druck geratenen Normalität heraus. Corona hat seine Nulllinie in Kipplage gebracht, seine Normalität ist ins Rutschen geraten. Weitermachen wie bisher funktioniert nicht mehr. Aber außer ein paar halbgaren Gedichten und Anekdoten ohne Pointe fällt Lowtzow dazu nichts ein. Auf das im Titel versprochene Auftauchen wartet man vergeblich.“

  • Dirk von Lowtzow, Ich tauche auf. (Kiepenheuer und Witsch)
Kommentare (1)
  1. Liebe Redaktion,
    schade, dass Sie der Tendenz nachgeben, manche offensichtlich eben ins Deutsche importierte Substantive klein zu schreiben (Meldung über Anne Serre: short story bzw microficción). Wo verläuft bei Ihnen die Grenze? Haben Sie ein bestimmtes Referenzjahr im Blick, werden die davor gebräuchlichen Substantive noch groß, die danach klein geschrieben? Ach, für solche Fälle gäbe es ja noch die Kursivierung der klein geschriebenen Hauptwörter, dann wäre alles wieder gut.
    Herzliche Grüße und ((kurs.)) no hard feelings ((kurs. Ende))
    Ilse Winkler

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