Christoph Schwalb über Verfassungsrichter, die vom Verkauf eigener Urteile Feste und Ausflüge bezahlen

Seit 1999 klagt Christoph Schwalb, Mit-Geschäftsführer der Plattform Lexxpress, darum, den gleichen Zugang zu den Urteilen der höchsten Gerichte zu bekommen, wie auch die vom Bund betrieben Datenbank juris. Vor dem Verwaltungsgericht in Mannheim hatte er bereits Recht bekommen. Dagegen hat juris nun Widerspruch eingelegt. Aus Schwalbs Sicht werde juris einseitig bevorzugt. Das hat Gründe: Die Richter profitieren nämlich vom Verkauf der eigenen Rechtsprechung, so Schwalb. Wir fragten nach.

buchmarkt.de: Was genau werfen Sie der Datenbank juris vor?

Christoph Schwalb

Christoph Schwalb: Der juris GmbH – und vor allem ihrem Mehrheitsgesellschafter, dem Bund – werfe ich vor, durch die Exklusivverträge über die Nutzung von amtlichen Informationen (Gerichtsentscheidungen und Gesetzestexte) ein Informationsmonopol aufgebaut zu haben, das gegen deutsches und europäisches Informationsfreiheitsrecht, Wettbewerbsrecht, Kartellrecht und Vergaberecht verstößt. Durch dieses Informationsmonopol und die Vergabe millionenschwerer Aufträge ohne Ausschreibung von Bund und Ländern an juris ist diese innerhalb weniger Jahre zum dominierenden Unternehmen für juristische Informationen geworden und hat schon mehrere Wettbewerber vom Markt verdrängt (z.B. LexisNexis und Westlaw). Im Grunde ist die juris-Konstruktion der reine Staatsmonopolkapitalismus – und das unter Führung einer (damaligen(?)) FDP-Ministerin!

Sie hatten bereits vor dem Verwaltungsgericht Baden Württemberg Recht bekommen, warum jetzt noch mal der Gang vor das Bundesverwaltungsgericht?

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg war nach vielen verlorenen Gerichtsverfahren das erste Gericht, das mir im Mai dieses Jahres vollumfänglich recht gegeben hat. Die Revision gegen dieses Urteil haben aber das Bundesverfassungsgericht und die juris GmbH als Beigeladene in dem Verfahren eingelegt, nicht ich. Mein Ziel ist natürlich, dass die Mannheimer Entscheidung rechtskräftig wird.

Sie haben jetzt die Verfassungsrichtern Befangenheit vorgeworfen, warum?

Ich befürchte zunächst bei den Bundesrichtern des Bundesverwaltungsgerichts, die jetzt über die Revision entscheiden müssen, Befangenheit, und das aus mehreren Gründen:
Das Bundesverwaltungsgericht beliefert ebenfalls exklusiv die juris GmbH mit Entscheidungen und hat ganz aktuell wieder abgelehnt, mich gleichermaßen zu beliefern. Die Präsidentin hat zudem verschiedentlich bekräftigt, die juris GmbH auch in Zukunft weiter zu privilegieren. Da den Richtern am Bundesverwaltungsgericht diese Rechtsauffassung ihrer Präsidentin natürlich bekannt ist und sie dienstlich in einem Abhängigkeitsverhältnis von ihr und dem Bundesministerium der Justiz stehen ist zu befürchten, dass sie sich eher dieser Rechtsauffassung anschließen werden als gegen den erklärten Willen ihrer Präsidentin zu entscheiden. Immerhin entscheidet diese und die Bundesjustizministerin zum Beispiel über die Karrieren der Bundesrichter.

Laut Spiegel wird das Geld auch für private Zwecke bzw. gesellschaftliche Anlässe ausgegeben, ein weiterer Grund?

Genau. Die Richter des Bundesverwaltungsgerichts haben sich zu einem privaten Richterverein zusammengeschlossen und verkaufen über diesen ihre eigenen Entscheidungen. Auch die sogenannte „Amtliche Sammlung“ der Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts wird von diesem Richterverein herausgegeben. Die Gewinne aus dieser privaten Nebentätigkeit wird an alle Richter ausgeschüttet, zudem bestreiten sie daraus laut Spiegel Feste und Ausflüge. Wenn ich das Verfahren gewinnen würde, müsste das Bundesverwaltungsgericht aber gleichmäßig an alle interessierten Verlage abgeben, d.h. für ihre eigenen Nebengeschäfte würde der Markt viel kleiner. Eigene finanzielle Interessen eines Richters am Ausgang eines Verfahrens sind ein anerkannter Grund für die Besorgnis der Befangenheit.

Das klingt eigentlich nach einem handfesten Skandal.

Den Richtern kommen nur die Erlöse zugute, die ihr Richterverein aus dem Urteilsverkauf an Verlage erwirtschaftet. Ich sehe schon einen Skandal darin, dass ein Amtsträger meint, die Früchte seiner dienstlichen Arbeit zum eigenen finanziellen Nutzen verwerten zu dürfen. Die Richter werden für ihre Arbeit vom Staat ja immerhin gut bezahlt. Die Erlöse aus dem Urteilsverkauf stehen m.E. alleine dem Gericht als dem Dienstherren der Richter zu. Der beamtete Förster im Staatsforst kann ja auch nicht einfach beschließen, den Holzverkauf in Nebentätigkeit auf eigene Rechnung zu organisieren.

Aber ich habe Sie bei der Aufzählung der Gründe unterbrochen.

Der dritte Grund ist: Die Bundesrichter am Bundesverwaltungsgericht zitieren eigene und fremde Entscheidungen ausschließlich nach juris-Randnummern. Wer diese nachschauen will benötigt aber einen kostenpflichtigen Zugang zur juris-Datenbank. Damit fördern die Bundesrichter die juris GmbH im Wettbewerb, und auch das macht sie natürlich in einem Verfahren, an dem juris beteiligt ist, befangen.

Es heißt, das Bundesverfassungsgericht veredle die Urteile, indem es zum Beispiel Leitsätze formuliert, und mache sie für die Datenbank nutzbar. Ist das nicht eine Vermischung von Aufgaben?

Natürlich, die Arbeit der Dokumentationsstelle des Bundesverfassungsgericht, von der derzeit allein juris profitiert, gehört nicht zu den primären Aufgaben eines Gerichts. Es ist ein elementarer Fehler der juris-Konstruktion, dass man meinte, die Urteilsdokumentation bei den Gerichten erledigen zu müssen, aber diese nur einem Unternehmen zur Verfügung stellen zu dürfen.

Wer verdient daran, nur die Bundesrichter oder andere Gerichte auch?

Richtervereine, die die eigenen Entscheidungen vermarkten, gibt es an allen Bundesgerichten, auch beim Bundesverfassungsgericht, ansonsten aber meines Wissens nur bei wenigen Gerichten, zum Beispiel dem Oberverwaltungsgericht Münster. Grund dafür ist, dass nur die höchstrichterlichen Entscheidungen bei den Verlagen einen Marktwert haben und bezahlt werden.

Sollte die Befangenheit festgestellt werden, was bedeutet das für den Fortgang des Prozesses?

Das Problem ist eigentlich, dass schon die Befangenheit gar nicht mehr festgestellt werden kann, weil es dafür natürlich einiger unbefangener Bundesrichter bedürfte, die es aber nicht gibt. Nach § 45 Abs. 3 ZPO müsste in diesem Fall das nächsthöhere Gericht entscheiden – das es aber dummerweise ebenfalls nicht gibt. Der Fall ist gesetzlich nicht geregelt – ein Novum in der deutschen Rechtsgeschichte.

Welche Möglichkeiten für den Fortgang sehen Sie?

Es gibt drei Möglichkeiten
1. Das Bundesverwaltungsgericht weist meine Befangenheitsanträge als offensichtlich völlig unbegründet zurück. Dies wäre aber eine echte Dreistigkeit der Bundesrichter, gegen die ich Verfassungsbeschwerde einlegen würde. Spätestens die Richter des Bundesverfassungsgerichts sind aber befangen, weil das Bundesverfassungsgericht selbst Partei ist.
2. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet gar nicht, weder über die Befangenheitsanträge noch über die Revision. Dann kann ich in ein paar Jahren beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Beschwerde wegen Untätigkeit erheben.
3. Das Bundesverfassungsgericht und die juris GmbH nehmen die von ihnen eingelegte Revision zurück, damit würde die Mannheimer Entscheidung rechtskräftig.

Es heißt, schon das Bundesverfassungsgericht habe den Vertrag mit juris als problematisch erkannt, hilft Ihnen das im Prozess?

Ja natürlich: Die Richter des Verwaltungsgerichtshof Mannheim haben dem Bundesverfassungsgericht in der Verhandlung und im Urteil in deutlichen Worten vorgehalten, schon 1999 erkannt zu haben, dass es mich und alle anderen Interessenten mit der juris GmbH gleichbehandeln müsse, dies aber auf Druck des Bundesministeriums der Justiz nicht gemacht zu haben.

Werden Sie im Zweifelsfall vor den Europäischen Gerichtshof gehen?

Der Weg zum Europäischen Gerichtshof steht für nationale Streitigkeiten leider nicht offen.

Was wollen Sie am Ende erreichen?

Mein Ziel ist die Gleichbehandlung aller Verlage bei der Belieferung mit Urteilstexten durch die Gerichte, also das Ende des juris-Monopols.

beck online scheint ganz gut neben juris klarzukommen, warum können Sie das nicht?

Natürlich komme auch ich – in meiner Nische – gut neben juris klar, sonst könnte ich nicht seit fast 15 Jahren gegen das juris-Monopol kämpfen. Der Beck Verlag verfügt aber – wie alle anderen juristischen Fachverlage – über eigene redaktionelle Inhalte, z.B. Kommentare, die mit amtlichen Inhalten gekoppelt und vermarktet werden. Einerseits verfüge ich nicht über redaktionelle Inhalte, andererseits lehnen das BMJ und die Gerichte aufgrund meiner Klagen die Kooperation ab. Meine Chancen im Wettbewerb sind dadurch natürlich sehr viel schlechter.

Was kostet der Prozess für Sie bisher? Sind Sie sauer, weil die anderen Anbieter von juristischen Datenbanken sich nicht beteiligen, immerhin kämpfen Sie auch Rechte für diese heraus?

Die verschiedenen Verfahren haben mich bislang ca. 100.000 Euro gekostet. Andere juristische Fachverlage und Datenbankanbieter führen nach meiner Einschätzung vor allem deshalb keine Verfahren gegen den Bund, weil sie zum Teil von diesem und den Ländern millionenschwere Aufträge erhalten, und insofern in gegwisser Weise in das Kartell mit eingebunden sind. Dass beim Ende eines Monopols alle juris-Wettbewerber profitieren liegt in der Natur der Sache. Dieser Effekt darf aber doch nicht dazu führen, dass keiner der juris-Konkurrenten gegen das Kartell vorgeht: Das ist doch wohl genau die Absicht vom Bund und der juris GmbH!

Die Fragen stellte Matthias Koeffler

Christoph Schwalb, geboren 1958 in Bonn, war als Geschäftsführer am Aufbau verschiedener Softwareunternehmen beteiligt, so zum Beispiel der Freiburger Lexware GmbH, die er 1989 mit gegründet hat. Seit 1999 betreibt er die juristische Online-Datenbank Lexxpress, mit der er sich auf die automatisierte Konsolidierung von Bundes- und Landesrecht spezialisiert hat.

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