Liebe Freunde,
alles, was ich gestern über die geringe Auslastung von Halle 2 sagte, ist hiermit hinfällig. Der erste Wochendtag lehrte mich Demut.
Und die ersten 279 Leser fanden eine Top-Ten-Liste vor, die aus nur neun Einträgen bestand. Inzwischen ist sie umbenannt in Top-Nine-Liste.
Der Tag heute war voller Klänge, und das ist so very Leipzig. Samstags steht dann schon mal ein Flügel am Stand, oder ein Klarinettenbauer führt Werkstücke vor. Allenthalben wird gefidelt oder sogar dudelgesackt.
Nach dem Regenfreitag richtete ich mich auf das Schlimmste ein und nahm einen Schirm mit:
Aber kaum ist man erst einmal auf der Messe, braucht man keinen Schirm mehr. Also nicht nur, weil sie ein Dach hat, sondern weil dann freilich die Sonne herauskommt. Aber ich will mich nicht beklagen.
Aber wenn Wetterwechsel meine größte Beschwerde für diesen Tag ist, dann merken Sie schon, dass der Leipziger Nahverkehr heute kooperiert hat. Ich wünsche Ihnen einen guten letzten Messetag! Und wie schnell die wieder vorbei war, diese #LBM24.
Erstes Schlendern für heute
Unser Standnachbar – und mit „uns“ meine ich in dem Fall den Börsenverein, dessen Mitglied ich ja bin – ist die Firma Memories2make®, die in Kooperation mit beispielsweise Instax Aktionen, Challenges und Fotobücher anbietet.
Ich kündigte ja schon an, dass Tsokos und Poznanski bei Droemer für Autogramme zur Verfügung stehen. Droemer, oder wie das lokale Messepublikum auch gerne sagt: „Das ründe Ding“.
Die Leipziger Autor*innenrunde ist inzwischen eine Institution: Ein Think Tank, also ein Saal voller sehr runder Tische, bei dem sich die geballte Interessiertheit am Thema Selfpublishing in Austausch-Runden kanalisiert.
Erdacht wurde dieses Format von Leander Wattig, von Beruf Erdenker, und ich habe mir Zutritt zur Veranstaltung verschafft, um zu fotografieren, ob das alles stimmt.
Oetinger hat mich eingeladen, der fröhlichen und lehrreichen Veranstaltung von Marie Meimberg und Mai Thi Nguyen-Kim beizuwohnen. Im Congress Centerum haben die beiden einen ganzen Saal vollbekommen. Die Ausschnitte, die ich gesehen habe, waren so lustig, dass ich meinen Zeitplan bedauert habe.
Doch ich muss nun bei Penguin Random House einkehren. Zum einen, um dort mein nächstes Interview zu begehen, zum anderen, um dort mein übernächstes Interview zu versäumen, und natürlich auch, um dort Leute (und noch mehr Poffertjes) zu treffen.
Mein drittes Interview: Sebastian Klussmann
Mein eigentlicher Termin ist Sebastian Klussmann. Bekannt wurde der Vielbesserwisser durch die ARD-Quizshow Gefragt – gejagt, obwohl solche Auftritte nur ein Nebenbei seines Berufes sind: übers Lernen zu wissen, und über dieses Wissen zu sprechen. Bei Heyne hat er zwei Taschenbücher zum Thema Allgemeinwissen herausgebracht.
BuchMarkt: So, wir haben zwei Minuten Zeit. Ich ratter die Fragen durch, und Sie müssen ganz schnell antworten.
Klussmann: Möglichst kurz antworten?
Nein, nein, schon gut. Das war nur ein Gag, so wie bei ihrem Quiz.
Ach so, jetzt verstehe ich
(Laute Dudelsackmusik ertönt vom Nachbarstand.)
Ich schreibe am besten in Klammern hin: laute Dudelsack Musik ertönt. Aber erzählen Sie mir mal was zu ihrer Widmung für Oma und Opa.
Als aus einem geplanten Buch nun zwei wurden, da lag es nah, das erste Buch Oma zu widmen und das zweite meinem Opa. Meine Großeltern waren entscheidend in meiner Persönlichkeitsentwicklung. Sie haben mir Geborgenheit gegeben, und meine Oma war mein erster großer Quizgegner. Nach der Schule hat meine Oma immer ein tolles Essen gemacht, und dann haben wir zusammen Fernsehen geguckt – Quizsendungen in den Neunziger Jahren.
Wieso haben ihre Bücher keinen Personen-Index?
Der Index würde fast schon wieder der Hälfte des Buches entsprechen. Dafür sind alle wichtigen Personen und Begriffe fett gedruckt das ist Orientierung genug und es gibt auch keine Wiederholungen in diesem Büro. Die Themen sind alle sehr konzentriert, und so finden Sie alle Schauspieler in der Sektion zum Thema Film und Fernsehen.
Bekommen Sie viele Anfragen als Telefonjoker?
Ständig. Aber es gibt eine festgesetzte Obergrenze. Ich dürfte das dreimal in einem halben Jahr machen, aber man muss sich dann den halben Tag dafür frei nehmen und man müsste zu Hause sitzen und am Telefon warten. Insofern kann ich den meisten dieser Anfragen nicht entsprechen. Aber gerade bei Promiveranstaltungen werde ich gerne angefragt. Die letzte Absage musste ich Reiner Calmund geben.
Verkrampfen die Leute, wenn sie Smalltalk mit Ihnen machen sollen?
Ja, bedauerlicherweise ist das tatsächlich so, und ich wundere mich und ärgere mich ja fast darüber. Den Satz „Ich möchte jetzt nichts falsches sagen, sonst hältst du mich für doof“ hab ich schon so oft gehört. Erstens bin ich umgeben von so vielen klugen Menschen, von denen ich selbst lerne, und zweitens bewerte ich meine Umgebung ja nicht danach, was die weiß. Das wäre ja schrecklich.
Wo waren sie in der Schule schlecht?
Praktische Musik. theoretisch war ich gut in Musik, weil das bis zu einem gewissen Grad mathematisch ist. Aber immer wenn ich musizieren musste, dann war es schwierig. Und auch in Sport war ich erst nicht so gut, bis ich an mir gearbeitet habe.
In der Buchbranche sprechen wir auch gerne vom Allround-Dilettanten, weil unser Wissen mehr breit als tief ist. Finden Sie sich darin wieder?
Ich würde ja gerne das Wort Dilettant streichen, aber sicher bin ich auf vielen Gebieten dilettantisch. Elke Heidenreich würde mich so einordnen. Bei Drei nach Neun hat sie mir mal vorgeworfen, dass ich nur Dinge auswendig lerne, ohne mich zu kenne.
Ihr breites Wissen ist ja sehr bekannt. Aber wo liegt denn ihr tiefes Wissen?
Meine Steckenpferde sind Wirtschaft und Kunst, die interessieren mich einfach mehr als andere Gebiete. Und Politik gehört sicherlich auch noch dazu.
Müssen Sie nicht irgendwo eine Grenze ziehen in all den Bereichen?
Ja, ich komme nicht mehr hinterher, all die guten Filme zu gucken. Das wird immer schwieriger, und ich muss mich zu Gebieten zwingen, die mir eigentlich verschlossen bleiben, weil ich älter werde. Was sind denn die Themen, die auf den Schulhöfen in Deutschland wichtig sind zum Beispiel? Ich muss mir irgendwie erschließen, was in den Netzwerken und Videospielen passiert.
Stirbt das Lexikon?
Das gedruckte Lexikon hat echt ein Problem, aber das ist nichts Neues. Ich denke, auch Wikipedia hat ein Riesenproblem mit immer größerer Auffächerung, mit Artikelinflation. Wissen wird immer kleinteiliger, und da sind meine Bücher ein Angebot, ein bisschen Ordnung hinein zu bringen
Ihre Bücher kommen mir so ein bisschen vor wie ein Knigge, nur in Wissen: kein Anspruch auf Vollständigkeit, aber ein kleiner Wegweiser.
Ja, ich will kein Weltalmanach sein und kein Konversationslexikon. Die Gebiete sind von mir kuratiert und bilden eine Art Grundlage oder einen Wegweiser. Ein Sprungbrett.
Eigentlich hätte ich hier noch ein weiteres Interview, aber dessen Ausfall hebe ich mir für den Abschlussbericht auf. Aber auf einer Buchmesse ist ja keine Wartezeit vergeblich, denn beim Warten trifft man – das habe ich schon öfter demonstriert – mehr Leute, als wenn man sie sucht:
Da, Peter Peterknecht braucht ganz schnell einen Zettel:
Es stellt sich heraus: Titus Müller, Autor von Mauerbaukrimis bei Heyne, ist großer Messe-Mayer-Fan!
Das ist René Anour, der Schöpfer von Commissaire Campanard. Und ich so: Ach, Sie sind dieser Kommissar Dupont?
Und er so:
Danke für die Souveränität und den Humor, und bitte entschuldigen Sie den Fehler, Frau Brunetti.
Zu Ende schlendern
Da sehen Sie Enton und Pikachu in ihren natürlichen Proportionen.
Tatsächlich kostet es Geld, wenn Sie so einen Walk Act über die Messe schicken wollen. Sie müssen präzise angeben, wo er laufen wird, und entsprechend kostet es Geld. Und wenn er gar nicht läuft, sondern nur steht, schwankt und torkelt, dann kostet es eben Steh-, Schwank- und Torkelgeld.
Jetzt wissen wir erst recht, wie Enton sich fühlt.
Ich treffe Alexander Elspas von der Büchergilde, aber er zwingt eine ganze Branche, ihn Sascha zu nennen. Auch die Büchergilde nullt dieses Jahr – das Verlagshaus wird im Sommer 100!
Mirjam Mustonen stellt Ingmar Weber und mich einander vor, denn sie hat doch auch Manieren.
Bei dtv schickt man Standpersonal hinter mir her, um auf die Publikumsgabe hinzuweisen: Blankobücher im Fourth-Wing-Look!
Oh, und tatsächlich habe ich die Übeltäter fotografieren können, die mein Interview mit Sebastian Klussmann mit schmissiger Dudelsackmusik untermalt haben:
Zum Geleit
Natürlich bleibt es niemals bei einem einzelnen Foto, wenn man mit Mirjam Mustonen Quatsch macht, umso mehr, wenn sie unerlaubt einfach meine Kamera benutzt.
Dann war da noch das kleine Geschenk offen vom Standnachbarn Memories2make®:
Heute liefen die Busse und Bahnen anscheinend wieder zuverlässiger, aber heute habe ich mich halt nicht getraut.
Was für eine ereignisreiche Woche, und sie ist noch nicht vorüber: Ich wünsche Ihnen einen schönen Sonntag. Verbunden damit sei meine Bitte, mir gerne noch Fotomaterial zu senden: Wenn ich es nicht an Ihren Stand geschafft habe, belohne ich eine Sonntags-Einsendung gerne mit einer Erwähnung.
Ihr und Euer
Matthias Mayer
Lost Places in Leipzig, 4 von 5: