Frank Henseleit und Carsten Pfeiffer eröffnen im Herbst eine Buchhandlung für Indie-Verlage „Die Independent Verlage brauchen einfach mehr Sichtbarkeit“

Frank Henseleit (renommierter Übersetzer und Verleger des Kupido-Verlages) und Carsten Pfeiffer (Vertriebsprofi und Mitgesellschafter des Verlags Das Kulturelle Gedächtnis) eröffnen im Herbst in Köln mit dem „Kupido-Depot“ eine Buchhandlung nur für Independent-Verlage. Wir haben mit den beiden über die Beweggründe und ihre Pläne gesprochen.

Wie soll denn das Modell vom „Kupido-Depot“ konkret aussehen?

Carsten Pfeiffer

Carsten Pfeiffer: Die Buchhandlung wird als Depot-Kommissionsbuchhandlung geführt. Die Verlage bestücken in eigener Hoheit ihr Depot – selbstverständlich mit Beratung durch die Buchhandlung. Die gelieferten Bücher bleiben dabei Eigentum der Verlage. Der Umsatz der Verlage entsteht durch den (direkten, nicht via BS) berechneten Nachbezug der verkauften Titel bei den Auslieferungen, durch den das Kommissions-Depot dann wieder aufgefüllt wird. Die Regalpflege (Aussortierung von Langsamdrehern, vergriffenen Titeln, Ergänzungen der Depots um Novitäten) erfolgt in enger Abstimmung mit den Verlagsvertrieben oder den regionalen Verlagsvertretungen im Turnus der Halbjahresprogramme und ETs der Novitäten.

Worin liegen hier die Vorteile?

CP: Wir finden, das hat zwei große Vorteile: Die Buchhandlung hat keine Kapitalbindung für den Warenbestand – den würde heute wohl keine Bank finanzieren, insbesondere,  da wir eben ausschließlich Independent Verlage und nicht die Spiegel-Bestsellerliste führen. Die Verlage bekommen im Gegenzug dauerhafte Sichtbarkeit und Präsenz am PoS in einer Millionenstadt mit einer großen buchaffinen Zielgruppe. Dazu der direkte Nachbezug statt via BS. Und: Wir denken einfach, es ist besser, die Bücher stehen im Verlagsdepot in unserer Buchhandlung, nah am Kunden, als im Hochregal der Auslieferungen, wo ja doch eher selten Endkunden vorbeikommen …

Es ist ja durchaus mutig, in diesen Zeiten eine neue Buchhandlung zu gründen. Was motiviert Sie?

Frank Henseleit
(Foto: Michael Bause)

Frank Henseleit: Ja, ohne Mut geht es sicher nicht! Zur Motivation: Probleme der Sichtbarkeit dürften unabhängigen Verlagen vertraut sein. Selbst in den engagiertesten Buchhandlungen ist der Verdrängungskampf auffällig. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Ein Grund mehr, die Idee des „Depots“ – die mich schon seit einiger Zeit umtreibt – jetzt umzusetzen. Dieser Schritt ist einfach nötig für die vielen tollen Independent Verlage in D-A-CH. Als Verleger des Kupido Verlags weiß ich aus eigener Erfahrung, wie schwer es geworden ist, ein ambitioniertes literarisches Programm im Handel zu platzieren,

CP: Auch ich habe mich schon länger mit einem solchen Konzept befasst; der Zufall – oder vielmehr Ulli Faure (ehemaliger BuchMarkt-Redakteur) – hat uns zusammengebracht. Die Independent Verlage brauchen einfach mehr Sichtbarkeit – die Kund:innen, die Leser:innen für diese Verlagsprogramme gibt es ja. Wir wollen belegen, dass man auch mit Independent Verlagen auskömmliche Umsätze generieren und zugleich neue Kund:innen gewinnen und binden kann. Kund:innen, die eher zu den Viellesern gehören und über ein attraktives Budget für Bücher verfügen.

Stellen Sie sich da nicht in Konkurrenz zum bestehenden lokalen Buchhandel?

FH: Wir denken nicht! Und das wollen wir auch nicht. Alle Buchhandlungen entscheiden über ihr Programm, und sie entscheiden sich, der Verdrängung der Independents nachzugeben oder nicht. Sie sind und bleiben unsere geschätzten und sehr wichtigen Kunden. Von der Präsenz in nur einer Buchhandlung in Köln kann ja kein Verlag leben. Unsere Buchhandlung in der Pantaleonsmühlengasse 38-40 liegt im gleichnamigen Veedel. Den geschätzten Kollegen Bittner, Lengfeld’sche, Agnes Buchhandlung und der Anderen Buchhandlung und anderen rücken wir nicht auf den Pelz.

CP: Frank und ich, wie sind ja beide Verleger. Uns ist der Erhalt einer breiten, vielfältigen Buchhandelslandschaft sehr wichtig. Es werden halt nur insgesamt immer weniger Buchhandlungen, auch durch offene Nachfolgefragen, steigende Kosten und mangelnde Finanzierungsbereitschaft der Banken. Und damit weniger Buchhandlungen,die Independent Verlage führen. Wir sehen uns nicht als Konkurrenz zum etablierten Buchhandel. Nicht gegen den Buchhandel, sondern für Independents. Im Idealfall beraten wir auch gerne andere Buchhandlungen – die vielleicht noch Platz für eine Independent-Ecke haben. Vielleicht zu Lasten von ein paar Frühstücksbrettchen, Paperblanks oder Manga.

Wie finanzieren Sie die Buchhandlung?

FH: Im Wesentlichen durch nicht unerhebliche Eigenmittel von Carsten und mir (die GmbH befindet sich in Gründung), meine Sparkasse finanziert keine Kulturwirtschaft, die erklärte sich für dumm genug, nichts von Kultur zu verstehen. Deshalb haben wir auf Startnext ein Crowdfunding gestartet – das Ministerium wurde auf uns aufmerksam, da geht was. Wir erbitten eine Einmalkosten-Beteiligung der Verlage an der Ausstattung der Buchhandlung.

CP: Wir wollen nicht nur Bücher verkaufen, sondern die sich beteiligenden Verlage auch mit ihren Profilen und Programmen „sichtbar“ machen. Wir werden also nicht nach Warengruppen sortieren und nicht innerhalb der Warengruppe die Bücher Rücken an Rücken nach Autoren-Alphabet präsentieren. Sondern in „geschlossenen“ Verlagspräsentationen nach Verlags-Alphabet. So hat jeder Verlag seinen eigenen kleinen oder größeren Auftritt. Stellen Sie es sich vor wie eine kleine Dauer-Buchmesse, bei der jeder Verlag seinen eigenen kleinen Stand hat. Jeder Verlag wird am Regal gebrandet! Die Verlage können ihren Platzbedarf selbst definieren – als Einmalkosten für die Möblierung erbitten wir eine Beteiligung je laufendem Meter Regalfläche: 120 Euro für 1 Meter, 220 Euro für 2 Meter, 300 Euro für 3 Meter. Das ist durchaus moderat. Ein einmaliger Beitrag zur Anschub-Finanzierung, keine regelmäßige Miete.

Wie groß wird die Buchhandlung – und was bieten Sie noch?

FH: Wir verfügen über 150qm Fläche im EG für Buchhandlung und Veranstaltungen, Schaufenster, Aktions- und Thementische. Dazu weitere 50qm im Basement, zuzüglich großer Küche. Kürzlich habe ich in Annapolis eine Basement-Buchhandlung besucht, oben tranken Leute und aßen, ziemlich crowdy, das machte Mut. Weitere 50qm stehen für Mikrogastronomie und 100qm Patio für sommerliche Lesungen zur Verfügung. Was wir also unbedingt auch bieten wollen: Raum für Lesungen, Buchpräsentationen, Verlagsjubiläen, Sonderflächen auf Aktionen – und Tapas unter dem Kölner Himmel. Der Verlag zieht in den ersten Stock. Und: Ein Gästezimmer ist auch vorhanden. Die Veranstaltungen mit bis zu 70 Besuchern stehen unseren teilnehmenden Verlagen offen. Ich denke an Festivals, Reihen, einzelne Highlights – Relevanz. Zudem erzeugt dies eine Synergie der Öffentlichkeitsarbeit.

An wen wenden sich Verlage, die sich beteiligen wollen?

CP: Wir arbeiten Hand in Hand. Jeder von uns hat ja individuelle, persönliche Kontakte. Aber wir müssen auch arbeitsteilig arbeiten, um das Projekt zum Erfolg zu bringen. Frank kümmert sich im Schwerpunkt um die GmbH-Gründung, Design, Ladenbau,Veranstaltungen vor Ort etc. Und ich im Schwerpunkt um die Verlagsakquise und die Klärung aller Fragen von Verleger:innen. Also, bei Interesse gerne eine E-Mail an carstenpfeiffer@web.de

Das ausführliche Interview und weitere Infos rund um das Projekt von Frank Henseleit und Carsten Pfeiffer lesen Sie in der August-Ausgabe von BuchMarkt

Liste der bisher teilnehmenden Verlage:

Alexander Verlag
AvivA Verlag
Barton Verlag
Berenberg Verlag
Caracol Verlag
Corso Verlag
Dagyeli Verlag
Das Kulturelle Gedächtnis
Das Wunderhorn
Dittrich Verlag
Drava Verlag
Ebersbach & Simon
Edition Converso
Edition Erdmann
Edition fotoTapeta
Edition Frölich
edition taberna critica
ELIF Verlag
Favoritenpresse
Folio Verlag
Haymon Verlag
Kanon Verlag
Kindermann Verlag
Kookbooks
Kupido Verlag
Liebeskind Verlag
Little Tiger
Löwenzahn Verlag
MÄRZ Verlag
Marix Verlag
Maro Verlag
Merlin Verlag
Mitteldeutscher Verlag
Nimbus Verlag
Nonsolo Verlag
Otto Müller Verlag
Picus Verlag
Residenz Verlag
Schreibheft
Schüren Verlag
Secessions Verlag
Stadtlichter-Prese
Transit Verlag
Unionsverlag
Velbrück Wissenschaft
Verbrecher Verlag
Verlagshaus Berlin
von Hase & Koehler
Voland & Quist
Wallstein Verlag
Wagenbach Verlag
Weimarer Verlagsgesellschaft
Wieser Verlag

Kommentare (0)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert