Die besten Krimis des Monats Die Krimibestenliste Januar 2019 zum Ausdrucken: An der Spitze weiterhin Sara Paretsky

Die aktuelle Krimibestenliste mit den zehn besten Krimis im Januar gibt es hier zum Ausdrucken. Auf Platz 1 der Krimibestenliste Januar 2019 finden Sie weiterhin: Kritische Masse von Sara Paretsky

Mit den Detektivinnen Anna Lee (1980 von Liza Cody erfunden), Kinsey Millhone (1982 Sue Grafton) und V.I. Warshawski (1982 Sara Paretsky) begann in der Kriminalliteratur die Epoche der sogenannten Frauenkrimis.
Frauen hatten schon seit je Krimis geschrieben und gelesen. Im Unterschied zu ihren Vorgängerinnen Dorothy Sayers, Ruth Rendell oder P.D. James waren ihre Protagonistinnen weiblich und im Unterschied zu Agatha Christies Miss Marple im besten Alter. Frauen, die den romantischsten und härtesten Job übernahmen, der in der Literatur zu haben war, den des bisher von Männern besetzten Job des hardboiled detectives. Genauer gesagt: den des Privatdetektivs.
PIs gab es jetzt auch weiblich. Und zwar überhaupt nicht cosy. Das Häkeln und Sticken wurde der Unterabteilung Ländlich-Lieblich (heute, erweitert um Grauslich: „Frauenspannung“) überlassen. Die Ermittlerinnen, primär auf der Suche nach dem warum und wieso, stießen vor ins bisher nicht (Ausnahme: Patricia Highsmith) erschlossene Dunkelfeld patriarchaler Strukturen und weiblicher Unterdrückung.
Die 1987 gegründeten „Sisters in Crime“ verehren die 1947 in Ames, Iowa, geborene Sara Paretsky als founder mother.
Seit 1982 veröffentlicht sie alle zwei Jahre ein Buch. In Deutschland erschienen bis 2011 elf Romane, jetzt nach einer Verlags-Pause von 7 Jahren, der siebzehnte Fall von V.I. Warshawski. Zur Erinnerung: V steht für Virginia, I für Iphigenia, und V.I. ist nur milde gealtert. Mit ca. 50 ist sie immer noch so fit, dass sie den Rüpeln vom Heimatschutz gut eine verpassen kann.
Dass sie sich mit denen anlegen muss, hat mit dem angeblich für die nationale Sicherheit relevanten Material zu tun, das aus einer IT-Firma verschwunden ist. Dass es sich mit dem Material und der Bedeutung für die nationale Sicherheit ganz anders verhält, erfahren Sie am besten bei der Lektüre unserer Nummer 1 im Dezember. Ich habe seit langem kein derart spannendes Buch gelesen. Einen Vorgeschmack auf die Lektüre geben die Rezensionen von begeisterten Jurymitgliedern:
Thekla Dannenberg in ihrer Kolumne „Mord und Ratschlag“ im Perlentaucher: „Was für ein Comeback!“
Marcus Müntefering bei Spiegel Online: „Paretsky beherrscht das amerikanische Erzählprinzip des show, don’t tell, zeigt meisterlich und ohne jemals zu belehren, wie vieles, das heute in den USA schiefläuft, seine Ursachen in den Verfehlungen der Vergangenheit hat.“

Und hier mein kleines Lob auf Deutschlandfunk Kultur.

Neu auf der Krimibestenliste Januar stehen insgesamt vier Titel. Diesmal sind es je 1 koreanischer, 1 irischer, 1 französischer und 1 amerikanischer mit zusammen 1672 Seiten. Zwei weibliche, zwei männliche Autoren. Neu dabei sind:

Auf Platz 2: Die Plotter von Un-Su Kim

Dem Erscheinen von Un-Su Kims Die Plotter ging ein mächtiges Dollar-Rauschen voraus. Der Guardian wusste von einem sechsstelligen Vorschuss, der dem 1972 in Busan geborenen Autor für die englischen Rechte gezahlt worden sein sollte. Entsprechend hoch notierten die Börsenmeldungen. Seine umtriebige Agentin Barbara Zitwer erkannte in ihm den südkoreanischen Stieg Larsson, während der Guardian (und sein deutscher Verlag) in ihm genauso literarisch daneben einen „Henning Mankell“ zu sehen glaubten – Geklimper des amerikanischen Buchmarktes, der mit Verfilmung und Veröffentlichung der Schweden zum ersten Mal begriffen hatte, dass es auch in Europa Kriminalliteratur gibt, mit der man money machen kann.
Die Plotter ist ein Roman über den Zerfall einer bisher funktionierenden Organisation von Auftragsmördern. Verdeutlicht in der ersten Szene: Der 32-jährige Raeseng schafft es nicht, einen alten General mit einem Fernschuss zu erledigen, schläft ein, wird von seinem Opfer zum Essen und Trinken eingeladen, in allegorische Gespräche über Täter und Opfer verwickelt. Nach dieser friedlichen Nacht bekommt er Frühstück von seiner Zielperson, klettert auf den Berg und erschießt ihn wie angeordnet. Sein Opfer war ein General, der selbst lange Zeit Auftraggeber des Mördersyndikats gewesen war. Aber: „Die guten Zeiten gingen früher oder später zu Ende, und wenn sie überleben wollten, mussten diejenigen, die unversehens vom Thron gestoßen waren, sich ihre Taten vor Augen führen und die Reste zusammenfegen. Die Zeit hatte es nun einmal an sich, dass sie sich im Kreis drehte und einen prompt in den Arsch biss.“
Raeseng, als Waisenkind in der „Dog House“-Bibliothek unter der Ägide von Old Raccoon aufgewachsen, hat diesen Fatalismus wie die Klassiker (er liebt Achilles und die Ilias) inhaliert. Er weiß, dass er früh sterben muss, findet eine Bombe in seiner Toilette und gerät auf die Spur seines Gegenübers, der Killerin Mito, die ebenso wie er im Blutkreislauf des Mordens groß geworden ist.
Ein merkwürdiges Buch, erschienen vor 8 Jahren: politische Allegorie, Gesellschaftsanalyse, koreanische Antwort auf europäische Killermythen?
Zwei Sichtweisen aus der Jury:
Der Roman bietet „keine generischen Gewaltorgien, sondern verstörende Einblicke in zerstörte Seelen. In Die Plotter zeigt Kim das Verbrechen nicht als abweichendes Verhalten, sondern als den Normalzustand in einer Welt ohne Werte. Nicht unbedingt der Stoff, aus dem Bestseller gemacht sind. Aber große Literatur.“ (Marcus Müntefering, Spiegel online)
„Un-Su Kim (variiert) gekonnt bekannte Muster, ohne sich auf das bloße Zitieren zu beschränken, und paart brutale Gewalt mit Humor. Konsequent führt er zudem seine düstere Grundidee aus, dass sich in einer kapitalistischen Tötungsindustrie jeder Morde kaufen kann, sofern er über die nötigen Mittel und ein wenig Einfluss verfügt. Dazu kommen originelle Ideen wie eine Bibliothek, die als Tarnung dient. Eine Neuerfindung des Auftragskillerromans ist dieses sehr unterhaltsame Buch dennoch nicht. Aber es zeigt, wie viel Potential in diesem Subgenre immer noch steckt.“ (Sonja Hartl, Deutschlandfunk Kultur)

Auf Platz 6: Der dunkle Garten von Tana French

Tana French, 1973 in den USA geborene, seit 1990 in Dublin lebende Irin, liebt es, in ihren breit angelegten Romanen Figuren und Motiven nachzugehen, die ihr an anderer Stelle schon einmal über den Weg gelaufen sind. Aus ihrem siebten Roman Der dunkle Garten ist das mehr oder minder vertraute Personal der Dubliner Kriminalpolizei verschwunden, hier spielen die Detectives Martin, Rafferty und Kerr ihr eigenes solitäres böses Spiel. Aber zwei Motive tauchen wieder auf: Aus ihrem Erstling Grabesgrün (In the Woods) das der im Grünen verschwundenen Kinder – es verwandelt sich hier in ein Skelett, das seit zehn Jahren in der Höhlung einer alten Ulme vermodert – und das der (sexuellen) Rivalität unter Jugendlichen, das in dem Internatsdrama Geheimer Ort eine zentrale Rolle spielte. Im dunklen Garten changiert das Motiv der mangelnden Anerkennung in zwei Richtungen: in Mobbing und das weitaus trügerische des Selbstbewusstseins.
Frenchs Schreibe hat etwas Schlingpflanzenhaftes. Bevor eine Figur oder eine Szene Kontur gewinnt, wird sie schon wieder in etwas anderes umgesponnen, verliert sich in neuen Verflechtungen, weshalb konkrete Tatsachenfeststellungen oft banale Züge annehmen. Zum Beispiel diese: Toby, der sich bis dahin für einen Glückspilz hielt, wird von Einbrechern in seiner Wohnung schwer zusammengeschlagen. Die Kopfverletzungen hinterlassen schwere Störungen: Im Erinnern, bei bestimmten Bewegungen, kurz wie nach einem mittelschweren Schlaganfall. Während Toby vor sich hin siecht, erfährt die Familie vom bevorstehenden Tod des Lieblingsonkels durch einen inoperablen Gehirntumor. Toby greift Cousine Susannas Vorschlag auf, den Onkel zu betreuen, zieht mit seiner hilfsbereiten Freundin zu ihm und landet bald im Zentrum der Ermittlungen, die die Polizei um den Tod eines Jugendlichen anstellt, der vor zehn Jahren vorgeblich durch Selbstmord umgekommen ist, tatsächlich aber seitdem in der alten Ulme in Onkel Hugos Garten steckt. Erzählt man die Geschichte so, wirkt sie albern, willkürlich und platt.
Nimmt man jedoch Tobys beschränkte und unzuverlässige Perspektive ein, wie die Erzählerin Tana French, wird man Teil seiner sich steigernden Paranoia. Sie setzt mit der Wahrnehmung kognitiver, artikulativer und motorischer Defizite ein und steigert sich bis zu der Vorstellung, er könne den jungen Dominic, einen notorischen Rugby-Rüpel, Verführer und Mobber aus reichem Hause, umgebracht haben. Das Verhältnis zu Cousine Susanna und Cousin Leon wird dabei immer wieder neu und noch paranoider beleuchtet, verschärft durch Vernehmungen seitens der Detectives, die in ihrer Impertinenz und Dünkelhaftigkeit der Feder eines John Le Carré entsprungen sein könnten.
Es ist ein spannendes Buch, indem die Selbstgefälligkeit eines Young Urban Hipsters einem Härtetest unterzogen wird bis zum Zerreißen aller Illusionen. Zugleich wird die Idee, dass subjektives Glücksgefühl auf Ignoranz der Wirklichkeit beruht, zum bitteren Ende hin durchdekliniert. Bei aller Eleganz, die French als hervorragende Erzählerin hinzugewonnen hat: Sie vermag es nicht, einer schönen Idee auszuweichen, weshalb das ganze Unternehmen etwas lang geworden ist.
Der englische Titel The Witch Elm verweist auf eine Inspirationsquelle der Autorin: 1943 fanden Bauernjungs im ausgehöhlten Stamm einer „Wych Elm“ (ulmus glabra) erst den Schädel und dann das Skelett einer weiblichen Leiche. Der Fall und das Rätsel der Witch Elm blieben ungelöst.
„Je länger die Autorin die Psyche ihres Helden seziert, desto größer werden die Zweifel. Wie steht es wirklich mit Tobys Suche nach der Wahrheit? Ist er tatsächlich ein Opfer, oder manipuliert er Freunde, Familie – und Leser? Das ist die spannendste Frage in diesem Thriller, der klug und elegant über Identität und Erinnerung reflektiert.“ (Marcus Müntefering, Spiegel Kultur)

Auf Platz 9: Nichts ist verloren von Cloé Mehdi (original 2017: Rien ne se perd)

Als Cloé Mehdi für ihren zweiten Kriminalroman Nichts ist verloren 2016 von den Studenten der Universität Nanterre mit dem Prix Étudiant Polar (sollte man zur Nachwuchsförderung nachmachen: einen Studenten-Preis für Krimis) ausgezeichnet wurde, hatte sie Schule und Uni – die ganze formale Bildungskarriere – für sich längst ausgeschlossen. Ihr ging es wie ihrem elfjährigen Protagonisten Mattia: Sie wollte und konnte nicht verstehen, warum sie Jahrhunderte alte Literatur nach den Regeln der Literaturwissenschaft interpretieren sollte. Statt dessen schrieb sie selbst über ihre Gegenwart, und Rien ne se perd wurde in Frankreich zu Recht als Stimme des Protests aus den Vorstädten mit Preisen überschüttet.
Die Stimme des elfjährigen Mattia, aus dessen Perspektive sie erzählt, wird man nicht so schnell vergessen. Sein Vater, ein Sozialarbeiter, war Zeuge, wie Saïd, einer seiner Jugendlichen, von einem durchgedrehten Polizisten zu Tode geprügelt wurde, brach zusammen und brachte sich in der nach Sigmund Freuds Lehrer, dem Neurologen und Hysterieforscher Charcot genannten Psychiatrie um. Zimmergenosse war ein jugendlicher Inselbegabter, der nicht verhindert hatte, dass eine Kommilitonin aus dem Fenster sprang, weil sie ein paar Fehler in ihren Gleichungen hatte. Dieser Leon ist inzwischen Nachtwächter, rezitiert pausenlos französische Lyrik, und Mattias Vormund, nachdem die Mutter sich außerstande erklärt hatte, den Jungen zu erziehen. Dritte in der Vorstadtkommune ist Gabrielle, eine notorische Selbstmörderin. Mattia: „Ich verstehe Gabrielle und ich verstehe meinen Vater. Man muss schon irre sein, um in dieser Welt leben zu wollen. Eigentlich gehören wir alle in die Anstalt.“
Diese Welt: das sind Polizisten, die in die Wohnung der Drei einbrechen, um Beweise für den Totschlag Saïds zu beseitigen, das sind Psychiater, die sich anmaßen, zwischen gesund und ungesund zu entscheiden und Menschen durch Psychopharmaka zu zerstören, das ist der kapitalistische Wahnsinn, mit dem die Vorstadt Verrières für rentablere Bauprojekte platt gemacht wird, das ist der Hass, das sind Verzweiflung und Einsamkeit. Mehdi verleiht dem Zorn, der Verzweiflung, der Ausweglosigkeit die helle, klare Stimme Mattias.
Mehdi führt in „in furioser Prosa sehr eindringlich vor Augen (..), dass es vielleicht nicht Schizophrenie und Depressionen sind, die sich vererben, wie einem die Psychiater weismachen wollen, sondern der Wunsch nach einem besseren Leben.“ (Thekla Dannenberg, Perlentaucher)
„Lesbar wird diese rabenschwarze Geschichte, die unter die Haut geht, durch Mehdis jugendlich-rebellischen Unterton, durch Passagen von zarter Poesie und durch einen zwischendurch aufblitzenden leisen Humor. So gibt es, wenn auch nur sehr zaghaft, einen Hoffnungsschimmer in dieser elenden Tristesse.“ (Hanspeter Eggenberger, Zürcher Tages-Anzeiger)
„Mehdi bricht das trostlose Setting durch die altkluge Kinderperspektive etwas auf, düster bleibt diese konzentriert erzählte Geschichte dennoch. Detailreich fängt sie die Enge und Zwänge eines Lebens unter Beobachtung ein, ein Leben, auf das der Tod und die Psychiatrie stets einen Schatten werfen.“ (Frank Rumpel, culturmag)

Auf Platz 10: Desert Moon von James Anderson

Über James Anderson ist nicht mehr bekannt, als dass er in Oregon studiert hat, zeitweilig in der Four-Corner-Region lebt, die durch die Kriminalromane über die Navajo-Polizisten Jim Chee und Lt. Leaphorn von Tony Hillerman bekannt wurde, und jahrelang in der Verlagsbranche gearbeitet hat.
Ein verschwiegener Mann wie sein Held, der selbständige Trucker Ben Jones, der an der Staatsstraße 117 auf und ab durch die Wüste Utahs fährt und die wenigen Wüstenratten, die sich dorthin verzogen haben, mit dem Nötigsten versorgt. Einer davon ist Walt Butterfield, dessen Diner in vielen Filmen mit seinem verstorbenen Freund Lee Marvin Schauplatz war. Walt mit seinem Motorrädern ist so etwas wie das Epizentrum des Romans, hierhin liefert Ben einige merkwürdige Kisten, eine nackt Cello spielende Frau bezieht ein leeres Haus in der Nähe, und die Erinnerung an die Vergewaltigung von Walts Frau durch eine Gruppe von Touristen ist immer noch lebendig.
„Es ist eine Geschichte, die von den lakonischen Dialogen, den Himmels- und Wüsten- und Wetterbeschreibungen lebt. Von der faszinierenden Trostlosigkeit auf Bens Wegen. Den Figuren, die einerseits wie aus Zeit und Raum gefallen sind. Die andererseits faszinieren in ihrer Seltsamkeit, der Krassheit ihrer Seelenverletzungen.(..) In der ‚verdammt großen Wüste‘ gehen Menschen verloren oder verlieren sich selbst. Und auch die Polizei, die es hier eher am Rande gibt, vermag sie nicht zu finden.“ (Sylvia Staude, Frankfurter Rundschau)

Unsere Dauerchampions: Zum dritten Mal stehen Louise Penny mit Hinter den drei Kiefern, Fred Vargas mit Der Zorn der Einsiedlerin und Christoph Peters mit Das Jahr der Katze auf der Krimibestenliste.

Die Krimibestenliste Januar wird in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung gedruckt veröffentlicht, und ist online wiederzufinden unter www.faz.net/krimibestenliste
und www.deutschlandfunkkultur.de/krimibestenliste (ab Montag).
Unter diesen Webadressen finden Sie immer die aktuelle Krimibestenliste.

Am Freitag, dem 4.1., um 8.20 Uhr  gab es wie immer einen Vorgeschmack auf die Krimibestenliste bei Deutschlandfunk Kultur.

Kommentare (0)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert