SWR-Bestenliste Die neue SWR-Bestenliste für den November ist da

Renommierte Literaturkritikerinnen und -kritiker nennen monatlich ‑ in freier Auswahl ‑ für den SRW vier Buch-Neuerscheinungen, denen sie möglichst viele Leserinnen und Leser wünschen, und geben ihnen Punkte. Die Addition ergab folgendes Resultat für den November:

1. Michael Ondaatje: Kriegslicht (Hanser)

320 Seiten, € 24

62 Punkte

London, 1945: ein Land zwischen Katastrophe und Wiederaufbau, einsame Geschwister zwischen Kindheit und Erwachsensein ­– von Niemandsländern und ihren Geheimnissen erzählt Ondaatje. Und vom Versuch, eine Wahrheit zu rekonstruieren aus literarischen Glassplittern, poetischen Puzzlesteinen.

2. Virgine Despentes: Das Leben des Vernon Subutex 3 (KiWi)

416 Seiten, € 22

59 Punkte

Frankreich, auf dem Land, kurz nach den Pariser Anschlägen: Vernon Subutex, unser neuer Jedermann, legt Platten auf in der Provinz. Für einen Moment scheint Heilung für alle möglich. Dann stirbt (beinahe) alles. Grandioses Finale der grandiosesten Gesellschaftsanalysenserie der Gegenwart.

3. Eckhart Nickel: Hysteria (Piper)

240 Seiten, € 22

59 Punkte

Deutscher Supermarkt, in nächster Zukunft: Ein Mann folgt der Spur verdorbener Himbeeren ins Herz und durchs Hirn einer ökofaschistischen Dystopie. Kultur ist Verbotskultur, der Mensch rettet die Welt, indem er sich abschafft. Eleganter Thriller, irrwitzig, konservativ, dekadent.

4. Richard Powers: Die Wurzeln des Lebens (Fischer Verlag)

624 Seiten, € 26

43 Punkte

Amerikanische Wälder, ungefähr heute: Retten wir die Welt, wenn wir den Wald retten? Was umarmen wir, wenn wir einen Baum umarmen? Was sind Menschen zu tun bereit für die borkigen Lebewesen? Ein Roman wie ein Baum voller Aktivisten. Der Roman für den Hambacher Forst.

5. Ursula Krechel: Geisterbahn (Jung und Jung)

650 Seiten, € 32

40 Punkte

Trier, nach dem Krieg, im Krieg: Kinder der Täter und der Opfer sitzen in einem Klassenraum zusammen. Und auch die Geister der Ermordeten, der Sinti, der Kommunisten. Wie kam es zu alldem, fragt Ursula Krechel in ihrer hochkonzentrierten Deutschstunde, und warum gibt es kein Entkommen?

6. Annie Ernaux: Erinnerung eines Mädchens (Suhrkamp)

163 Seiten, € 20

34 Punkte

Sommerferienlager, Normandie, 1958: Ein Mädchen wird missbraucht. Erinnert sich gut fünfzig Jahre später wieder, geht sich nach und den Fragen: Was machen Erlebnisse aus uns? Wie funktioniert Gedächtnis? Tiefenbohrung durch ein Leben in eine Gesellschaft, eine Zeit.

7. Ben Lerner, Alexander Kluge: Schnee über Venedig. Der Kluge-Lerner-Container (Spector Books)

300 Seiten, € 28

34 Punkte

Transatlantisch, durch alle Zeiten: Alexander Kluge, der vielleicht letzte lebende deutsche Universalgelehrte, und Ben Lerner, der fast kultisch verehrte New Yorker Lyriker, durchstreifen unsere Welt und unser Wissen. In Gedichten, Geschichten, Erinnerungen und zu Gerhard Richters Venedig-Fotos.

8. Thomas Hürlimann: Heimkehr (S. Fischer)

528 Seiten, € 25

31 Punkte

Hochtal in der Schweiz, ungefähr heute: Ein Mann kehrt heim. Das geht in der Literatur immer schief. Verunfallt auf dem Weg zum Vater. Wacht in Sizilien wieder auf. Vielleicht auch nicht. Erlebt auf der Suche nach seinem Ich einen Schelmenroman von innen.

9. Michael Lentz: Schattenfroh. Ein Requim (S.Fischer)

1008 Seiten, € 36

31 Punkte

Düren, immer: Wie bringt man 1007 Seiten voller Mäander durch Geschichte, Gewalt, Krieg, Religion auf drei Zeilen? Ein Mann mit Gesichtsmaske fernab der Welt schreibt, denkt ein Wimmelbild des Wissens, ein Über-Vater-Abarbeitungsbuch, ein Requiem auf alle und alles.

10. Jan Wagner: Die Live Butterfly Show (Hanser Berlin)

104 Seiten, € 18

31 Punkte

Unter Fischen, auf Reisen, im Garten: Wenn Gedichte die Wiederverzauberung der Welt betreiben, das kleine Leben bedeutend, magisch machen sollen, ist Jan Wagner, das beweist er hier wieder, ein großer Dichter. Wenn Gedichte Wunder der Form sein sollen, dann auch.

Die Jurymitglieder nennen in freier Auswahl vier Neuerscheinungen, denen sie möglichst viele Leserinnen und Leser wünschen, und geben ihnen Punkte (15, 10, 6, 3).

Die Jury:
Helmut Böttiger (Berlin), Michael Braun (Heidelberg), Gregor Dotzauer (Berlin), Martin Ebel (Zürich), Julia Encke (Berlin), Eberhard Falcke (München), Cornelia Geißler (Berlin), Peter Hamm (München), Richard Kämmerlings (Berlin), Sandra Kegel (Frankfurt), Elmar Krekeler (Berlin), Sigrid Löffler (Berlin), Ursula März (Berlin), Ijoma Mangold (Berlin), Lothar Müller (Berlin), Klaus Nüchtern (Wien), Jutta Person (Berlin), Wiebke Porombka (Berlin), Iris Radisch (Hamburg), Ulrich Rüdenauer (Bad Mergentheim), Denis Scheck (Köln), Christoph Schröder (Frankfurt), Julia Schröder (Stuttgart), Gustav Seibt (Berlin), Hubert Spiegel (Frankfurt), Hajo Steinert (Köln), Daniela Strigl (Wien), Kirsten Voigt (Baden-Baden), Insa Wilke (Frankfurt), Hubert Winkels (Köln)

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