Die zehn besten Krimis im Dezember / John le Carré auf Platz eins

Monatlich wählen achtzehn auf Kriminalliteratur spezialisierte Literaturkritiker aus Deutschland, Österreich und der Schweiz aus der Masse der Neuerscheinungen die zehn Titel aus, denen sie viele Leser wünschen.

Diesmal mit sechs neue Titeln, darunter die dreier Autoren, die noch nie auf der KrimiWelt-Bestenliste waren. Tobias Gohlis, der Jury-Vorsitzemnde schreibt dazu:

Dass John le Carré mit Marionetten den ersten Platz belegt, wird kaum wundern. Ein Hamburg-Roman des Altmeisters, der sich darin ganz frisch und unverzagt zeigt, auch in Liebesdingen.

Der Norweger Jo Nesbø hat sich in den letzten Jahren einen guten Ruf als Verfasser spannender und voluminöser Thriller erschrieben. Sein Schneemann importiert den Serienkiller (nicht zu verwechseln mit dem Mehrfachtäter, der ist seit jeher Nesbøs Geschäft) jetzt auch nach Norwegen.

Von José Maria Guelbenzu werden vermutlich bisher nur die Romanisten gehört haben. In Spanien ist er ein anerkannter Lyriker, Essayist, Publizist und Romancier. Er hat lange den Verlag Alfaguara geleitet. Hierzulande ist er bekannt als Herausgeber einer Sammlung von spanischen Märchen in der Anderen Bibliothek. Der Krimi Stört den Mörder nicht ist eine intrikate Analyse der Neurosen neu- und altreicher Spanier, ein Leckerbissen, dem hoffentlich bald weitere folgen werden.

Über Ian Rankin, der allmählich zu einer Art von schottischem Nationalschriftsteller wird (sofern ein Linker national werden kann), muss nicht viel gesagt werden. Mit Ein Rest von Schuld legt er den letzten, den 17. Band seiner Serie über DI John Rebus vor, ein Stück, in dem er alle seine Talente glänzend spielen lässt.

Ebenfalls aus Edinburgh, und dank einer Vorgeschichte als Whitbread-Preisträgerin (für „Familienalbum“ 1996) zuletzt etwas miss-rezipiert als literarische Familientante ist Kate Atkinson. Ihr Krimi Lebenslügen ist jedenfalls ein durch und durch herzerfrischendes Stück schottischer Literatur, glänzend geschrieben, wie immer ein herrliches und nachdenklich machendes Spiel mit Krimi-Erwartungen und -Mustern, witzig und voller toller Frauen.

Last und least: George Pelecanos. Sein Krimi Der Totengarten nutzt die Wiederkehr eines Mordmusters, um ein großes Stück alltäglichen Heldentums und Überlebenskampfes einfacher Leute in einer Stadt zu erzählen, in der sonst eher von politischen Kämpfen die Rede ist: in Washington DC. Pelecanos ist einer der Autoren der weithin gerühmten TV-Serie „The Wire“.

Hier die kommentierte KrimiWelt für Dezember:

1. (-) John le Carré: Marionetten. Ullstein
Hamburg: Terrorist oder kein Terrorist? Flüchtling Issa, tschetschenischer Muslim, will ein Vermögen an islamische Hilfsorganisationen spenden. Das lockt amerikanische, englische und deutsche Geheimdienste an. Und gutmeinende Helfer. Klare Fronten? Doch nicht im Krieg gegen den Terror. John le Carré at it’s best.

2. (2) Jean-François Vilar: Die Verschwundenen. Assoziation A
Paris/Prag: 3 Jahre waren Victor und Alexandre Geiseln von Terroristen. Zurück in Paris, stirbt Alexandre. Victor verliert sich im hinterlassenen Tagebuch von Alexandres Vater. 1938: Surrealisten, Trotzkisten, Stalinisten. Hitler. Dreiecksgeschichten: Kunst, Liebe, Spione. Krimi als historisches Kaleidoskop. Enorm.

3. (3) Jerome Charyn: Citizen Sidel. Rotbuch
New York: Isaac Sidel, Bürgermeister von New York, Mörder, blonder Jude, ist der Liebling der Demokraten. Er soll Vizepräsident werden, seine Popularität den Präsidentschaftskandidaten retten. Doch er muss aufklären, warum Doug Knight seinen Sohn getötet hat. Band 10 der Sidel-Saga, ohne die das 20 Jahrhundert ganz unverständlich bliebe.

4. (-) Jo Nesbø: Der Schneemann. Ullstein
Bergen/Oslo: Steht ein Schneemann im Garten, kommt er bald zu dir. Er ist der erste Serienkiller Norwegens und tötet wie ein Arzt. Medizinische Selektion. Kommissar Harry Hole ist der einzige, der ihn fassen kann. Denn der Scheemann will ihn schlagen. Aber Harry ist der beste. Wenn er trocken bleibt.

5. (-) José María Guelbenzu: Stört den Mörder nicht. C. Bertelsmann
San Pedro, Kantabrien: Ein Mord wie im Traum: Carlos schneidet Richter Medina die Kehle durch und glaubt: alles überstanden. Doch die gelangweilten Mitglieder der Sommerferienkolonie, die Justiz und die Dienstmädchen stöbern herum. Somnambules Gesellschaftsspiel. Faszinierende Entdeckung.

6. (-) Ian Rankin: Ein Rest von Schuld. Manhattan
Edinburgh: Der russische Dichter Todorow wird erschlagen. DI John Rebus verbeißt sich in seinen letzten Fall. Er will die Oberwelt und die Unterwelt zu packen kriegen und Cafferty, den alten Todfeind, mit. Doch statt Schottland zu säubern, wühlt Rebus sich selbst in den Sumpf. Der letzte Rebus: Groß im Abgang.

7. (10) Fred Vargas/Baudoin: Das Zeichen des Widders. Aufbau
Paris/Orange: Grégoire und Vincent klauen, um zu überleben. Das ist schwer in Frage gestellt. Sie haben in die Tasche eines Serienkillers gegriffen. Jetzt ist er hinter ihnen her, malt Widder-Gehörn auf seine Opfer. Auch im Comic ist Kommissar Adamsberg unbesiegbar. Vargas schwarz-weiß. Toll.

8. (-) Kate Atkinson: Lebenslügen. Droemer
Edinburgh/Yorkshire: „Ein Zufall ist eine Erklärung, die darauf wartet zu passieren.“ Joannas Familie wurde schon einmal umgebracht, jetzt verweigert Jo dem Schicksal eine Wiederholung. Großes Spiel mit Zeit und Vorsehung. Tolle Figuren, witzig, tripelbödig: eine Attacke gegen müde Erzählkonvention. Entdeckung.

9. (8) Bernhard Jaumann: Die Augen der Medusa. Aufbau
Montesecco, Italien: Vor den Toren des 25-Einwohner-Kaffs fliegt eine Limousine mit Staatsanwalt in die Luft. Doppelte Belagerung: Medien und Polizei wollen den im Ort verschanzten Attentäter ausräuchern, doch die Dörfler haben besseres vor. Witzig, kunstvoll. Krimi-Idyll: So könnte Leben lebendig sein.

10. (-) George Pelecanos: Der Totengarten. Rowohlt
Washington DC: Gäbe es den Polizistenblues, Pelecanos wäre sein Komponist. 1985, und 2005 wieder: Jugendliche werden erschossen. Ihre Vornamen Palindrome, die Körper sodomisiert. Keine Hysterie, keine Serienkillerhatz. Ruhige Polizei- und Besinnungsarbeit. Metropolenmelancholie.

Die Dezember-Ausgabe der KrimiWelt-Bestenliste wird auch im NordwestRadio (heute live, ca. 8:35 Uhr, und am Sonntag in der Literaturzeit zwischen 15:00 und 16:00 Uhr) sowie in der Literarischen Welt vorgestellt.

Buchhändler können einen dreifarbigen Flyer mit der aktuellen KrimiWelt-Bestenliste bestellen. Kontakt: KrimiWelt, c/o asv vertriebs GmbH, Süderstraße 77, 20097 Hamburg, E-Mail: krimiwelt@axelspringer.de, Fax: 040/34 72 76 68..

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