E-Book-Thema auf der VVA-Tagung: „Passen Sie auf, dass die Kunden Sie nicht vor sich hertreiben“

„Wir müssen da ran“ oder „Wir haben bereits viele Überlegungen, aber es sind noch so viele Fragen offen.“ Das war das Resümee der meisten Verleger und Verantwortlichen in den Verlagen am Ende der VVA-Tagung, die in den letzten beiden Tagen im Schloss Bensberg zu Bergisch-Gladbach stattgefunden hat. Aber: Auch die ersten Verteilungskämpfe waren zu spüren.

Auch Wolfgang Bertrams, Geschäftsführer der Mayerschen Buchhandlung, appellierte als Redner auf der Tagung unter dem Titel „E-Book – Chance, Gefahr oder Gewäsch?“ [mehr…] eindeutig an die Verlage: „Wenn Sie es noch nicht getan haben, machen Sie mit, statt zu diskutieren. Wenn Sie in zwei Jahren erst einsteigen, dann haben Sie zwei Jahre verloren“, sagte er.

Die Vorbehalte gegen das E-Book bröckeln seit der letzten Frankfurter Buchmesse zusehends. Das wurde auf Schloss Bensberg deutlich. Vielen hat vor allem die Rede und die Warnungen von Gerhard Blum, VP Distribution and supply Chain at Sony BMG London tief beeindruckt. Am Ende seines Erfahrungsberichtes über die Digitalisierung auf dem Musikmarkt, sagte Blum bedenkenswerte Sätze wie: „Passen Sie auf, dass die Kunden Sie nicht vor sich hertreiben.“ Das könnte auch die Botschaft sein, die die meisten teilnehmenden Verleger und Verantwortlichen mit nach Hause genommen haben.

Blum sprach damit vor allem die Urheberrechtssituation an, die sich als Druck aus dem Markt für die Musikindustrie bemerkbar gemacht habe. „Wir haben den Kampf um das Digital Rights Management, DRM, verloren“, konstatierte er ziemlich wehmütig. Und: „Apple hat ein X-faches mehr verdient als die Rechteinhaber selbst.“. In der anschließenden Diskussion sagte Blum: „Man muss aufpassen, dass einem nicht die Verbindung zum Handel und damit der Impulskauf wegbricht.“

Mit seinen konkreten Erfahrungen wurden auch viele Fragen deutlich, die die Distribution von E-Büchern, sei es als Inhalte oder als Gerät mit sich bringt. Deutlich wurde damit auch: Nicht mehr die Sparten der Branche ringen zukünftig um die neue Marktanteile, sondern Global Player wie die Elektronik-Konzerne, Software-Häuser und andere Internet-Unternehmen.

Dr. Frank Sambeth, COO der Verlagsgruppe Random House, sprach vor allem seine Verlegerkollegen an, als er die Strategie der Münchener deutlich machte: „Wir halten nichts von einer einheitlichen Vertriebsplattform, sondern von vielfältigen Distributoren“, sagte er und forderte damit auf, den Wettbewerb zu fördern und damit auch kleineren Anbietern und Buchhandlungen eine Chance zu geben.

MVB-Geschäftsführer Ronald Schild hatte für viele Recht, als er sagte: „Wenn wir den Markt gestalten und unsere eigenen Ansprüche durchsetzen wollen, dann müssen wir daran jetzt hart arbeiten.“ Schildt erwartet, dass Anfang nächsten Jahres das 100.000ste Buch in Libreka! gelistet sein werde. In den diesen Tagen will er den 1.000sten Verleger begrüßen, der sich an Libreka! beteiligt. Anfang kommenden Jahres könne der Verkauf von digitalen Inhalten beginnen.

Doch mit der Rede Schilds wurden auch die Verteilungskämpfe deutlich, die sich in den nächsten Jahren um das E-Book auftun werden. Z.B. durch die Ankündigung, dass die Inhalte von Libreka! direkt über die Plattform vermarktet werden sollen, auch, wenn sie nur über Distributoren zu beziehen sind.

VVA-Geschäftsführer Stephan Schierke sagte: „Ich bin ja selten einer Meinung mit den Barsortimentern, aber das Vermittlungsgeschäft von Inhalten an Distributoren ist unser Geschäftsmodell.“ Da gäbe es noch viel Diskussionsbedarf.

Auch Bertrams schlug in diese Kerbe: „Wir haben große Bauchschmerzen mit der Vertriebsplattform, weil da in unser Geschäft eingegriffen wird“, sagte er. Dann richtete er zahlreiche Apelle an die Verlage und Zwischenbuchhändler: „Bitte kämpfen Sie dafür, dass wir eine Verramschung vermeiden.“ Und: „Kämpfen Sie darum, dass Sie einen einheitlichen Standard im DRM hinkriegen, bitte stellen Sie Ihre Inhalte nicht frei ins Netz!“

Betrams berichtete über erste Erfahrungen: „Interessanterweise steigt das Angebot im belletristischen Bereich, da entsteht die Notwendigkeit, E-Books auch anzubieten.“ Und machte seine Interessen gegenüber Libreka! deutlich: „Es geht bei der Branchenlösung Libreka! um Volltext und Rechteverwaltung. Und alles was wir gegen Shoplösungen tun können, werden wir tun.“

Damit bröckelt auch eines der letzten Vorbehalte, die Belletristik könnte nicht vom E-Book-Markt betroffen sein. „Ich freue mich schon, wenn ich endlich nicht mehr so viele Manuskripte nach Hause schleppen muss“, sagte eine Vertriebsmitarbeiterin in vertrauter Runde. Deswegen könnte auch der Vorschlag von Stephan Schierke nicht aus der Luft gegriffen sein, dass die Verlage E-Books an Buchhändler verteilen, damit sie ihre Leseexemplare zukünftig als E-Books lesen könnten.

Es gäbe noch genügend Spielräume, jetzt die Weichen zu stellen, aber die Zeit ist da, es jetzt zu tun, war die einhellige Meinung und damit war der letzte Satz von Blum wahrscheinlich der richtige: „Es muss nichts im Leben gefürchtet werden, es muss nur verstanden werden.“

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