In unserem Autor*innen-Special sprechen wir in dieser Woche von Montag bis Freitag mit Autorinnen und Autoren zum neuen Buch. Heute: Matthias Kröner
Als Autor, Journalist, Redakteur, Herausgeber und Lyriker ist Matthias Kröner vom Fach, ein Kinderbuch hatte er bisher jedoch noch nicht geschrieben. Umso spannender, welchen Themen er sich in seinem kinderliterarischen Debüt Der Billabongkönig (Beltz & Gelberg, illustriert von Mina Braun) widmet. Es geht um Machtmissbrauch, Populismus und Krieg … Anlass für Fragen:
BuchMarkt: Lieber Herr Kröner, Der Billabongkönig ist Ihr kinderliterarisches Debüt. Wie fühlt sich das an?
Matthias Kröner: Angesichts des Kriegs in der Ukraine wird die große Freude darüber, einen Kinderroman bei meinem Lieblingsverlag für Kinder, Beltz & Gelberg, zu veröffentlichen, schon überschattet. Zudem hat es mich erschreckt, wie aktuell Der Billabongkönig ist: Es geht um Themen wie Machtmissbrauch, Populismus und Krieg …
Was wiederum zeigt: Wir Schriftsteller*innen können immer nur warnen, doch müssen das ständig tun und dabei gute Geschichten erzählen, in denen eine menschliche, mitfühlende Moral zwischen den Zeilen durchschimmert.
Wie entstand denn überhaupt die Idee, ein Kinderbuch und dann auch noch über den Billabongkönig zu schreiben?
Schon seit Jahren wollte ich einen Roman schreiben. 2019 erhielt ich dann ein Literaturstipendium der Kulturstiftung des Landes Schleswig-Holstein: für 27 Kindergedichte. Ich fand eine Agentin, Charlotte Larat, und sie brachte mich mit einer Lektorin bei Beltz & Gelberg zusammen. Mit dem Rückenwind eines so besonderen Verlags – ich habe schon als Schüler die Bücher von Peter Härtling und Klaus Kordon gelesen – hat es dann geklappt, und ich konnte ich all das ausdrücken, was mir bei Erwachsenen schwergefallen wäre zu sagen.
Dass es ausgerechnet ein Buch über ein Salzwasserkrokodil, den Billabongkönig Ben, wurde, hat mehrere Gründe: Zum einen fand ich den Begriff, der in der Mangrovenwelt für ein solches Krokodil üblich ist, einfach grandios. Zum anderen brauchte ich ein Abhängigkeitsverhältnis, um meine Geschichte zu erzählen. Der Gegenspieler von Ben ist ein Krokodilwächter. Das sind die Vögel, die den Krokodilen die Zähne putzen. Er heißt bei mir Kaukasius Grätenzieher II. Ihro Exzellenz von Stolzhausen-Stammberg, ist ein kleiner Vogel und schwach, doch kann verdammt gut reden und fiese Intrigen spinnen. Als Ben eine Fischgräte zwischen den Vorderzähnen einfach nicht mehr herausbekommt, braucht er diesen genialen Zahnarzt und das Verhängnis nimmt seinen Lauf …
Worin bestand hierbei die Herausforderung?
Die Herausforderung bei einer großen Geschichte liegt meines Erachtens darin, dass man über einen langen Zeitraum dabei bleibt. Ich habe da durchaus mit Ängsten und Zweifeln gekämpft. Kann ich das überhaupt? Bin ich gut genug? Doch ich hatte so große Lust auf die Hauptfiguren, und es hat mich selbst interessiert, wie das alles ausgeht.
Außerdem habe ich einen Kniff entwickelt, damit ich immer wieder zu den Figuren zurückfinde. Ich habe den Kinderroman dialogisch erzählt. Meine Hauptfigur Ben unterbricht ständig den Erzähler, stellt richtig, betont, was er sagen will, und zeigt seine Sicht auf die Welt.
So konnte ich den Schlagabtausch in der Mangrovenwelt auch zwischen dem Autor und seiner Hauptfigur zeigen – und Einiges an skurrilem Humor einbauen.
Was liegt Ihnen an diesem Projekt besonders am Herzen?
Mir liegt am Herzen, dass ich mir mündige Kinder wünsche, die nicht geschützt werden vor der Wirklichkeit. Ich will Kinder in meiner Literatur ernst nehmen. Sie sollen wissen, dass die Macht der Worte groß ist – und dass man sie auf schlechte und gute Weise einsetzen kann.
Offensichtlich richtet sich das Buch an Kinder. Aber das Thema, welches im Buch behandelt wird, ist ja durchaus auch ernst (Stichwort Machtmissbrauch). Eignet es sich dennoch für Jedermann?
Obwohl es im Billabongkönig rund geht, ist alles ist kindergerecht erzählt. Aber schon so, dass sich Fragen auftun. Das ist es ja, was Literatur leisten kann: Sie stellt Fragen. Die Antworten geben wir uns selbst.
Deshalb glaube ich, dass sich das Buch für Kinder und Erwachsene eignet. Ich bin ja selbst einer, der seinen Kindern (die inzwischen 12 und 8 sind) sehr gerne vorliest. Dabei will ich als Erwachsener aber keine Seifenblasenwelt geboten bekommen, sondern mich gewitzt und intelligent unterhalten.
Gibt es denn ein Happyend?
Das gibt es – wobei es mir wichtig war, an Klischees vorbeizuhuschen. Wann ist denn schon immer alles für alle Ewigkeiten gut? Mir geht es um einen optimistischen Realismus, der genau hinschaut und Themen anspricht, die in der Luft liegen.
Die Illustration hat Mina Braun übernommen. Wie lief die Zusammenarbeit und wie kam es dazu?
Die Illustrationen von Mina Braun möchte ich hier einmal ausdrücklich loben. Sie passen perfekt zum Buch und fangen die Eigenheiten der Tiere, wie es eine Rezensentin gesagt hat, subtil ein.
Spannend fand ich dabei, dass Beltz & Gelberg gar nicht unbedingt will, dass Autor*innen und Illustrator*innen zu eng zusammenarbeiten. Dadurch kann sich jeder auf sein Metier konzentrieren, wobei natürlich im Vorfeld klar war, dass Mina die Geschichte sehr mag und ich Minas Illustrationen großartig finde.
Kennengelernt haben wir uns erst hinterher, und wollen uns, wenn das möglich sein wird, auf der Frankfurter Buchmesse treffen.
Mit welchem Argument kann der Buchhändler das Buch im Laden besonders gut verkaufen?
Wenn ich als Autor mein eigenes Buch anpreise, hört sich das immer ein bisschen blöd an. Aber ich kann nur wiederholen, was ich zuvor schon gesagt habe: Der Billabongkönig ist traurigerweise ein hochaktuelles Buch. Es geht um Themen, die uns gerade in Europa sehr beschäftigen und die wir unseren Kindern nahebringen sollten. Dass ausgerechnet ein Kinderroman solche Themen anpackt, finde ich übrigens nicht verwunderlich. Kinderbücher sind Bücher für alle, sofern sie gut gemacht sind.
3 Wörter, die das Buch ideal beschreiben?
Spannend. Witzig. Zeitlos. Wobei auch das eher andere beurteilen müssten … Mir war es wichtig, ein spannendes, in sich stimmiges Buch zu schreiben, das Themen wie Moral und Verantwortung, aber auch den Wert von Freundschaft und Zusammenhalt aus der Geschichte und den Figuren heraus entwickelt. Mir geht es um ein fantastisches Erzählen, das trotzdem nah an der Realität dran ist.
Gibt es noch etwas, dass Sie uns sagen möchten?
Das gibt es tatsächlich (lacht). Wer jetzt neugierig geworden ist, kann sich in mein derzeit stattfindendes Newsletter-Projekt „Lyrische Post – 55 Kindergedichte in Wort und Ton“ unter www.fairgefischt.de/lyrische-post.html eintragen. Seit dem 7. März verschicke ich täglich ein Kindergedicht als Text und Audio. Man kann die Gedichte also auch anhören. Das Projekt ist kostenlos, gemeinnützig und niederschwellig und wird von dem Lübecker Kulturfunken und der Possehl-Stiftung gefördert.
Hier geht’s zur Leseprobe.