Frankfurter Buchmesse reagiert auf Unmut der Verlage: Der Gemeinschaftsstand Hörbuch wechselt 2014 in die Halle 3.1

Seit Jahren sinkt auf der Frankfurter Buchmesse die Attraktivität der gemeinsamen Plattform für Hörbuchverlage – nun zieht die Messe die Konsequenz, auch auf Druck des Arbeitskreises Hörbuchverlage sowie zahlreicher Verlage, die ihrem Unmut auf der jüngsten Messe Luft machten. 2014 soll ein Wechsel des Gemeinschaftsstandes in die Halle 3.1 für frischen Wind sorgen und neues wie auch altes Hörbuch-Publikum anlocken.

Das Hörbuch muss raus aus der „hintersten Ecke“ – wofür die Branche seit vielen Jahren als Verbesserung bei der Mehrheit der Buchhandlungen kämpft, hat sie bei der weltgrößten Buchmesse nun erreicht. Endlich, möchte man sagen, denn immer offensichtlicher wurde die Diskrepanz zwischen der Wichtigkeit eines so buchnahen 300-Millionen-Euro-Mediums und seiner „Abbildung“ auf der weltgrößten Buchmesse. Gerade vor dem Hintergrund, dass die Konkurrenz in Leipzig – unterschiedliche Rahmenbedingungen hin oder her – dem Hörbuch auf 10.000 Quadratmetern eine beachtliche Bühne bereitet, müssen die in Frankfurt letztlich verbliebenen 300 Quadratmeter interessierten Besuchern wohl als „mickrig“ erscheinen.

Raus aus der „hintersten Ecke“: Die Gemeinschaftspräsentation der Hörbuchverlage wird 2014 von Halle 4.1. in die Halle 3.1. verlegt

Zwar wurden bereits 2012 einige Änderungen versucht, um den Bereich für Hörbuch-affines Publikum attraktiv(er) zu machen. Doch ein Verkaufsbereich (als Ersatz für die gestrichene Hörbuchhandlung), der als solcher nicht zu erkennen war und eher an eine Ausstellung erinnerte, dazu eine nur mitbenutzte Aktionsbühne, die dem Hörbuch nicht zugehörig schien, und vor allem die an den Rand gedrängten Verlage – all dies war, so lautete damals bereits im Vorfeld die Einschätzung der Fachpresse, für die Akzeptanz beim Publikum nicht besonders förderlich.

Allerdings: Die Präsenz des Mediums an sich wurde – für viele unbemerkt – in den letzten Jahren tatsächlich stetig größer, denn immer mehr Verlage kehrten notgedrungen der Gemeinschaftspräsentation den Rücken und kümmerten sich selbst um attraktive Plätze inmitten des klassischen Mediums. „Wenn allerdings ein Verlag, der beispielsweise zuvor mit vier laufenden Metern am Gemeinschaftsstand war, im Folgejahr mit einem eigenen Zwölf-Quadratmeter-Stand aufgetreten ist, war das per Saldo ein Mehr an Hörbuchpräsenz, worunter aber das Bild des Gemeinschaftsstandes litt“, erklärt Kilian Kissling, Marketing- und Vertriebschef bei Argon. „Die Unzufriedenheit der Teilnehmer am Gemeinschaftsstand, insbesondere mit der Lage des Standes, wurde nun in vertrauensvollen Gesprächen zwischen der Messeleitung und dem Arbeitskreis Hörbuch aufgearbeitet – mit dem sehr positiven Ergebnis, dass der Gemeinschaftsstand ab 2014 einen Standort in der Halle 3.1 bekommt. Fest steht bereits, dass dort mehr Verlage präsentieren werden als 2013. Hierzu liegen dem Arbeitskreis bereits verbindliche Meldungen der Verlage vor.“

„Wo genau der Standort sein wird, steht momentan noch nicht fest, und auch zu dem Standkonzept wird sich eine Arbeitsgruppe weitere Gedanken machen“, kündigt AK-Hörbuch-Leiterin Simone Mühlhauser an. Wahrscheinlich schon Mitte Dezember soll es ein erstes Treffen geben, um die Gestaltung über die Standwände und Tische hinaus zu besprechen.

Dass es nicht damit getan ist, den bisherigen Bereich von der Halle 4.1 in die 3.1 zu übertragen, steht außer Frage – nun kommt es auf kreative Ideen an, um das verloren gegangene Vertrauen der Verlage wiederherzustellen. Während wir von der Frankfurter Buchmesse trotz mehrfacher Anfrage leider keine Stellungnahme erhalten konnten, haben wir von Verlegern und Buchhändlern einige Stimmen zusammengetragen:

Gabriele Swiderski, Chefin des Verlags Jumbo Neue Medien: „Wir begrüßen eine bessere Präsentation in der neuen Halle. Der nun nach Jahren der Dürre ins Gespräch gekommene neue Standort ist sicher ein Schritt in die richtige Richtung. Wenn dann noch die Präsentation vom Laienspiel in eine angemessene Form geht, so wie es bisher in Leipzig war, umso besser.“

Kerstin Kaiser, Programmleiterin bei Lübbe Audio: „Der Wechsel ist für uns auch der Anstoß, wahrscheinlich wieder Elemente am Gemeinschaftsstand zu mieten, weil der Standort wesentlich attraktiver als in der alten Halle ist. Unbedingt sollte jedoch eine Veranstaltungsbühne integriert werden, und vor allem sollte die Größe des Bereichs auch die Wichtigkeit des Mediums signalisieren – all dies ist in Leipzig sehr gut.“

Peter Bosnic, Geschäftsführer bei steinbach sprechende bücher: „Dass der Bereich in Frankfurt den deutschen Hörbuchmarkt widerspiegelt, war zuletzt überhaupt nicht mehr der Fall. Wenn Kunden, die fest manifestiert im Kopf haben, dass unser Markt ein ‚boomender‘ ist, dann diesen Bereich gesehen haben, dann hat das doch fatale Folgen, weil jeder denkt: Wie bitte, das ist der deutsche Hörbuchmarkt?“

Johannes Stricker, Verlagsleiter bei Hörbuch Hamburg: „Schön wäre es, wenn es eine zentrale Veranstaltungsbühne fürs Hörbuch ähnlich wie in Leipzig geben würde, auf der die Möglichkeiten und die Vielfalt des Mediums präsentiert werden können. Vielleicht lässt sich auch an die sehr gut gemachte hr2-Hörbuchnacht anknüpfen, die immer am Messe-Samstag ein äußerst anregendes und kurzweiliges Programm präsentiert. Eben analog zu Leipzig, wo sich durch die zahlreichen Veranstaltungen zum Hörbuch in der Stadt und auf der Messe der ganze Reiz des Mediums entfaltet.“

Günter Rubik, Chef des Hörbuchladens Audiamo in Wien: „Die Bühne in Frankfurt hatte die verbaute Rückwand Richtung Hörbuch, so dass sie nicht als dazugehörig empfunden wurde. Und da eigentlich nur noch die kleinen Verlage am Gemeinschaftsstand übrig geblieben sind, gab es natürlich nur noch selten Veranstaltungen auf der Bühne. Dabei war das früher eines der Highlights, vor allem, wenn der AK Hörbuch Fakten oder Diskussionen zum Thema Hörbuch angeboten hat.“

Dazu noch einmal Gabriele Swiderski von Jumbo: „Warum aber sollen die Hörbuchverlage, die der Literatur auf der Messe Stimmen geben, sie zum Klingen bringen, sie attraktiv machen, noch horrende Gebühren für Veranstaltungen zahlen? Schließlich finanzieren wir die Sprecher samt Nebenkosten, und dass Hörbuch-Auflagen in der Regel im Durchschnitt zwar bestenfalls gut ein Zehntel der Buchauflagen ausmachen, aber letztere durchaus fördern, sollte geläufig sein.“

Kritischer sieht Johannes Ackner vom Verlag Buchfunk das Konzept einer Gemeinschaftspräsentation an sich: „Ich glaube, dass es den interessierten Hörbuchhörer als Spezies gar nicht gibt! Die Leute interessieren sich doch in erster Linie für bestimmte Genres wie Krimi, historischer Roman, Fantasy. Deshalb könnte ich mir themenspezifische Schwerpunkte vorstellen: eine Krimi-Ecke, eine Unterhaltungs-Ecke, eine Hörspiel-Ecke – jeweils mit einem „Anker“ wie die „Drei ???“ bei den Hörspielen. Damit würde man Leute mit speziellen Interessen ansprechen und könnte ihnen dann zeigen, dass es den Lieblingsautoren auch als Hörbuch gibt. Das Hörbuch an sich wird schwer zu bewerben sein.“

Dem hält Günter Rubik entgegen: „Ich glaube, dass das Zusammenlegen der Hörbuchverlage auf einen Gemeinschaftsstand extrem wichtig ist, weil die Wahrnehmung des Themas sonst verloren geht. Es waren ja etliche Verlage getrennt schon in Halle 3 und ich bin teilweise nur zufällig darüber gestolpert. Die Anzahl der Besucher ist zwar dort viel höher, aber die rauschen halt vorbei, weil sich die meisten für das ‚Medium für die Lesefaulen‘ nicht interessieren. Und den prinzipiell Hörbuch-Interessierten wird es doch schwerer gemacht.“

Fazit: Auf den AK Hörbuch und die Frankfurter Messe kommt viel Arbeit zu, wenn ein echter Neustart für die Präsenz des Mediums auf der Buchmesse gelingen soll. Eine Vergrößerung des Hörbuchbereichs wird die Mindestvoraussetzung sein – nicht nur, um die bereits vorliegenden Anmeldungen von (mehr) Verlagen zu berücksichtigen. Noch wichtiger ist es, Möglichkeiten zu schaffen, den Ohren- und Augen-Lesern gleichermaßen in allen Facetten zu zeigen, wie Literatur erklingen kann – in einem erkennbaren Aktionsbereich, vergleichbar mit dem Vorreiter Leipzig, den man Mitte der 2000er Jahre schon einmal ganz offiziell „kopiert“ hatte. Schließlich sagte schon Goethe: „Vorlesen ist die Mutter des Lesens.“

René Wagner

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