Heinold fragt: Wer war’s?

Wer im Fach „Buchhandelsgeschichte“ aufgepaßt hat, weiß, dass der Buchhändler und Verleger J. P. Palm 1806 in Braunau, Adolf Hitlers späterer Geburtsstadt, auf Geheiß Napoleons wegen Verbreitung der anonymen Flugschrift „Deutschland in seiner tiefen Erniedrigung“ erschossen wurde. Ebenso, wenn nicht noch übler war es einem französichen Buchhändler, Verleger, Typografen, Schriftenschneider und Schriftgießer ergangen, der auch Bücher verfasste und 1534 samt seinen Schriften kurzerhand auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde.

Wir können unseren Beruf heutzutage – jedenfalls in Mitteleuropa – ohne solch drastischen Gefährdungen ausüben. Doch der Name eines Schülers und Mitarbeiters des verbrannten Kollegen begegnet uns in vielen, wenn nicht den meisten Büchern. Nach diesem Namen, der zugleich der Name einer ganzen Schriftfamilie ist, suchen wir heute.

Der Gesuchte hat verchiedene Schriften in der frühen Zeit des Buchdrucks entwickelt und sich an römischen und Vorbildern aus der italienischen Renaissance orientiert. Seine ebenfalls der Renaissance zuzurechnenden Schriften übertrafen ihre Vorgänger an Leichtigkeit und Eleganz. Er produzierte sie in der eigenen Manufaktur, die er durch ein königliches Dekret erhalten hatte.

Die Schriften, die bis heute seinen Namen tragen, gehen zwar auf ihn zurück, wurden aber von einem anderen Schriftkünstler nachgeschnitten, der 100 Jahre nach ihm lebte. Dieser protestantische Schriftenschneider und Drucker bekam die Faust der katholischen Obrigkeit zu spüren: Kardinal Richeleu ließ ihn verhaften und seine Werkzeuge und Stempel konfiszieren, um damit sein Werk „Principaux Pointes de la Foi“ setzen und drucken zu lassen. Sie tauchten erst Jahre später wieder auf. Die gefundenen Schriften wurden
versehentlich unserem gesuchten Renaissancekünstler zugeordnet, obwohl sie aus dem Geist des Barock entstanden waren.

Die Schriftenfamilie spielte im Maschinensatz eine bedeutende Rolle, nachdem ein namhaftes deutsches Unternehmen der grafischen Industrie sich ab 1925 ihrer angenommen und sie anhand von Drucken nicht des barocken Nachschneiders, sondern unseres gesuchten Schriftenschneiders originalgetreu neu aufgelegt hatte. Inzwischen hat die Schriftfamilie in der digitalen Welt Einzug gehalten: Varianten sind unter den Betriebssystemen Windows und Apple zu entdecken.

Sogar in die moderne Literatur ist der gesuchte Name eingewandert. Nach ihm ist ein fiktiver Wissenschaftsverlag in Umberto Ecos Roman „Das Foucaultsche Pendel“ benannt. Ein glamourös-unseriöser Selbstkostenverlag trägt im gleichen Roman des Namen eines Venezianers, an dessen Schöpfungen sich der Gesuchte orientierte.

Heinold fragt: Wie heißen der französische Schriftenschneider und die nach ihm benannte Schrift?

Bitte mailen Sie Ihre Lösung und Ihre Anschrift an: heinold@buchmarkt.de. Unter den Einsendungen verlosen wir ein Exemplar {Bücher und Buchhändler von Wolfgang E. Heinold}

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