Hessische Verleger treffen den rechtspolitischen Sprecher der SPD, MdB Alfred Hartenbach, zu Unterredung über das geplante Urhebervertragsrecht

„Erhebliche Bedenken und große Sorge über die Konsequenzen des Gesetzentwurfes haben die stv. Vorsitzende des Hessischen Verleger- und Buchhändler-Verbandes, Dr. Annette Schüren, der Verleger des Frankfurter Campus Verlages Thomas Carl Schwoerer, die Justitiare Thomas Tietze, Bärenreiter-Verlag, Kassel, und des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Frankfurt am Main, Dr. Christian Sprang, sowie der Geschäftsführer des Hessischen Landesverbandes, Peter Brunner, am Dienstag in Immenhausen in einem zweistündigen sachlichen und offenen Gespräch geäußert. Die geplante Regelung, Urheber seien in Zukunft „angemessen“ zu honorieren, wiesen die Verleger als schädlich und der Sache nicht dienlich zurück. Eine derart unklare und inhaltslose Formulierung lade geradezu zu endlosen und zeit- und kostenintensiven Auseinandersetzungen vor Gericht ein, statt dem eigentlichen Sinn der Gesetzgebung gerecht zu werden. Das Gesetz ermögliche es selbst kleinsten Inhaltsbeiträgern von Veröffentlichungen jeder Art, Verlage zur Offenlegung ihrer aus diesem Objekt erzielten Umsätze und Erträge über einen Zeitraum von rückwirkend bis zu zehn Jahren zu zwingen, und dies auch in völlig marginalen Fällen. Der Vertreter des Kasseler Bärenreiter-Verlages erläuterte, daß das geplante Gesetz „Jahrhundertwerke“ wie die Enzyklopädie Musik in Geschichte und Gegenwart zur verlegerischen Kamikaze – Aktion machen würde: bei geschätzten 300 Autoren pro Band des 21 Bände umfassenden Werkes müßten alleine für zukünftig drohende Rechtsauseinandersetzungen Rücklagen gebildet werden, die Unternehmen in den Ruin treiben könnten – ganz abgesehen vom erforderlichen Personalaufwand für Registratur, Dokumentation und Rechtsvertretung. Thomas Schwoerer erläuterte am Beispiel eines im Ausland eingekauften umfangreichen Verlagswerkes, welche Kalkulationsgrundlagen umfangreiche Buchobjekte heute haben. Sowohl die ausländischen Inhaber der Rechte wie ihre internationalen Agenten wüßten sehr wohl, daß Veröffentlichungsrisiken im kollegiale Gespräch ausgetauscht und abgewogen werden müßten – das Urheberhonorar sei in solchen Verhandlungen nur einer von vielen Faktoren. Wenn nun aber sichergestellt werden müßte, daß der Lizenzvertrag einer so abstrakten Formulierung wie „angemessene Honorierung“ standhalten müsse, sehe er sich zu solchen verlegerischen Aktivitäten völlig außerstande. (Schwoerers Campus Verlag hat beispielsweise mit Benevolos über tausendseitiger Geschichte der Stadt Furore gemacht). Dr. Schüren erläuterte den Begriff des Autors, dem die Verfasser des Gesetzes „auf den Leim gegangen“ seien: die Vorstellung, „Autor“ sei in Deutschland in der Regel eine Person, die vom Schreiben belletristischer Literatur lebe, entbehre jedes Bezuges zur Realität. Weit über 80 % der deutschen Buchproduktion betrifft Titel, die nicht der Belletristik zuzuordnen sind, annähernd alle Autor/inn/en dieser Literatur sind in „Lohn und Brot“, und selbst im belletristischen Bereich sei in der Regel der Verdienst nicht der ausschlaggebende Faktor für die schriftstellerische Arbeit. Für nur jeden tausendsten bei fast einer Million in Deutschland lieferbarer Titel mit häufig zahlreichen „Teilrechte-Inhabern“ die „Angemessenheit der Honorierung“ bei allen denkbaren Einzelumständen festzustellen, sei eine Sisyphusarbeit, vor der deutsche Gerichte binnen kurzem würden kapitulieren müssen. Die Verleger betonten, daß sie das Gesetzesvorhaben insgesamt ablehnten. Allerdings habe der denkbare Ersatz des Begriffes „angemessen“ durch eine die Realitäten widerspiegelnde Formulierung wie „branchenüblich“ oder „im Handelsbrauch“ für sie entscheidende Bedeutung. Dies sei insbesondere deshalb vorzuziehen, weil ja in allen Gesprächen und Erläuterungen zum Gesetzestext immer wieder betont worden sei, daß das Buchverlagswesen nicht wesentlicher Gegenstand der Beseitigung von Ungerechtigkeiten sei, eben weil Verlage Autoren bereits jetzt „angemessen“, nämlich im Verhältnis zu Aufwand und Ertrag für beide Seiten, honorierten. Die „eigentlich“ gemeinten „schwarzen Schafe“, die über unverhältnismäßig schlechte Zahlungen das Vertrauensverhältnis zum Autor schädigten, könnten mit einer solchen Formulierung zur Rückkehr zu den tatsächlich angemessenen, heute regelmäßig – „branchenüblich“ – gewährten Honorierungen bewegt, notfalls auch gezwungen werden. Landesverbandsgeschäftsführer Brunner wies darauf hin, daß auch im Bereich der Vorstellung von der Wirtschaftskraft der Verlage von wenigen Einzelnen unzulässig auf eine Gesamtheit geschlossen werde. Schätzungsweise 250 der etwa 340 Verlagsmitglieder des Verbandes aus Hessen seien Unternehmen, die Jahresumsätze von unter zwei Millionen DM machten, durch Kaufkraftrückgang (auch im Bereich der öffentlichen Hand), E-Commerce und strukturelle Veränderungen ohnehin in wirtschaftlich schwieriger Lage und nun über das geplante Gesetz regelrecht von Enteignung bedroht. Eine Gesetzespassage, die Autoren und insbesondere ihre Erben beim Verkauf „ihres“ Verlages berechtige, sämtliche, oft jahrzehntelange Bindungen kommentar- und folgenlos zu kündigen, könne nicht hingenommen werden und vom Gesetzgeber auch nicht gewollt sein. Die Regel gefährde mit einem Federstrich nicht nur mögliche Veräußerungserlöse beim Verkauf eines Verlages, sondern sofort und unmittelbar Finanzierungen, Beteiligungen und Kreditlinien. Am Beispiel konkreter Verlagsverkäufe erläuterte Brunner, wie Familienexistenzen aufs Spiel gesetzt würden, wenn diese Regelung greife. Auch die geplante Möglichkeit, daß Autoren nach dreißig Jahren den Rückfall ihrer Rechte vom Verlag verlangen dürften, gefährde das Verlagswesen insgesamt. Schon heute sei es durch die Zwischenschaltung literarischer Agenten häufig so, daß Autoren von kleinen Verlagen aufgebaut würden und nach schwer erarbeiteten Erfolgen mit neuen Titeln zu größeren und kapitalkräftigeren Verlagen wechselten. Wenn dann auch noch die Rechte an den Titeln, die die kleinen Verlage erst „gemacht“ hätten, verloren gingen, gefährde dies insbesondere die Veröffentlichungsmöglichkeiten von Nachwuchsautorinnen und -autoren, die das Gesetz vorgeblich ja gerade besser stellen wolle. Christian Sprang als Justitiar des Börsenvereins wies darauf hin, daß die in Deutschland geltenden Regeln zur Buchpreisbindung die sicherste aller möglichen Garantien für Autorenhonorierung biete: in aller Regel beziehen sich Verabredungen über Honorare nämlich auf den Verkaufspreis, und da dieser in Deutschland fest stehe, stünden eben auch die entsprechenden Bezugsgrößen fest und seien im Streitfall sicher zu dokumentieren. Eine Lage, die eine Unzahl von juristischen Auseinandersetzungen wie im amerikanischen Raum in Deutschland seit Jahrzehnten vermieden habe. MdB Hartenbach, der die Gesetzesvorlage als rechtspolitischer Fraktionssprecher selbst ins Parlament eingebracht hat, betonte die Absicht, die durch das Gesetz verfolgt werde. Durch verschiedene Urteile sehe sich das Parlament und die Regierung in der Pflicht, Ungerechtigkeiten im Verhältnis zwischen Autoren und Verwertern zu beseitigen. In der Tat lägen solche Ungerechtigkeiten häufiger in anderen Bereichen als bei Buchveröffentlichungen. Hartenbach sagte den Besuchern zu, ihre Argumente sorgfältig zu prüfen und nach Möglichkeit zu berücksichtigen. Bei Expertenanhörungen im Oktober d.J. wird es die Chance für die Verleger geben, ihren Standpunkt noch einmal zu erläutern.“

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