Das Sonntagsgespräch Jahreszeitlich angemessen diesmal von BuchMarkt-Redakteur Ulrich Faure mit dem Weihnachtsmann

Das ist nicht der Faure

FAURE: Herrjeh, ich dachte schon, ich würde Sie nicht mehr erwischen. Sie waren ja völlig abgetaucht. Als ob Sie bereits Ihren jährlichen Betriebsurlaub abgetreten hätten…

DER WEIHNACHTSMANN: Die Branchenpresse ist auch nicht mehr, was sie war. Jahresurlaub – am 27. Dezember?! Weiß denn heute keiner mehr, was bei unsereins nach dem Fest los ist?! Da geht die Inventur los. Wisst Ihr naseweisen modernen Bengel überhaupt noch, was eine Inventur ist und was die an Arbeit mit sich bringt?

FAURE: Aber Sie hatten sogar den Anrufbeantworten abgestellt. Sie schienen völlig perdu. Ich habe mir schließlich gedacht, nach diesen anstrengenden Wochen muss der arme Kerl ja wohl auch halbtot sein.

DER WEIHNACHTSMANN: Schon wieder diese Ignoranz der Branchenpresse. Sie vom „BuchMarkt“ müssten es doch eigentlich wissen, bei den vielen guten Büchern über mich: Der Weihnachtsmann ist nicht totzukriegen. Und schon gar nicht klein zu kriegen. Da geht’s mir nicht anders als dem Buchhändler.

FAURE: Tun Sie bitte nicht so, als ob die Buchhändler Weihmachtsmänner seien.

DER WEIHNACHTSMANN: Herrje, ich glaube, Sie sind mit den Nerven runter. Sind Sie heute aber empfindlich. Was wäre das Fest heute schon ohne uns beide, ohne Buchhändler und Weihnachtsmann? Und umgekehrt? Finden Sie etwa, Weihnachtsmann sei kein achtbarer Beruf? Außerdem habe ich da eher das bessere Image. Ich bin – noch dazu positiv – viel mehr im Gespräch. An den Weihnachtsmann werden noch wesentlich höhere Erwartungen gestellt…

FAURE: Wieso eigentlich?

DER WEIHNACHTSMANN: Das sollten Sie besser den Börsenverein oder die MVB fragen. Ist ja nicht zuletzt auch eine Berufsverband- und Marketingfrage. Eine PR-Frage. Ich kriege mehr Werbung. Ich habe die bessere Presse…

FAURE: …Sie haben schließlich auch die Kirchen hinter sich, die Caritas etc etc .Zudem ist Religion heute wieder in…

DER WEIHNACHTSMANN. Schön wär’s. Wenn Sie recht hätten, müsste eigentlich das Christkind mehr Konjunktur haben, oder?

FAURE: Aber der Helmut Schmidt geht doch wie geschmiert.

DER WEIHNACHTSMANN: Das soll hoffentlich ein Witz sein. (Wird richtig böse.) Der ist doch bloß ein typisch deutscher Gottvater-Ersatz. Und ein Buch ist doch nicht schon religiös, nur weil ein Mann in biblischem Alter zur Autorität und mit seinem Leben erbaulich wird! Im übrigen funktioniert das alles ja auch nur, weil er als Politiker „außer Dienst“ ist, da hat er gut reden. Während ich mich trotz meines nicht minder hohen Alters abrackern muss wie ein unterbezahlter geknechteter junger Azubi oder Verlagshospitant.

FAURE: Nun mal langsam. So einmalig sind Sie da auch wieder nicht. Denken Sie an Marcel Reich-Ranicki!

DER WEIHNACHTSMANN: Was läuft denn bei dem noch? Außer im Fernsehen, wenn er Krach schlägt? Und wem soll das was bringen? Ich kann mich nicht erinnern, dass von dem was auf vielen Wunschlisten gestanden hat.

FAURE: Jetzt sind Sie aber fies. Richtig unfair. Reich-Ranicki hat schließlich nichts Neues geschrieben.

DER WEIHNACHTSMANN: Touché. Trotzdem – bei der PR; mit der er sich immer wieder in den Mittelpunkt der Welt stellt.

FAURE: Immerhin ist er der deutsche Literaturpapst.

DER WEIHNACHTSMANN: Wäre er vielleicht gern. War er vielleicht mal,. Ist aber lange her. Auch einer „außer Dienst“. Aber im Unterschied zu Helmut Schmidt nicht gerade erbaulich.

FAURE: Sie sollten mit Ihren Altersgenossen, mit Ihrer eigenen Generation freundlicher und nachsichtiger umgehen, schon gar zur Zeit des Fests der christlichen Liebe…

DER WEIHNACHTSMANN: Das Fest ist vorbei. Wenn Sie so wollen, bin ich selber außer Dienst, zeitweilig zumindest, offiziell.

FAURE: Ich bleibe dabei: Sie sollten sich vorbildhaft benehmen. Und gutes Benehmen ist wieder gefragt, Benimmbücher sind in…

DER WEIHNACHTSMANN: Unsinn. Haben Sie denn nicht das Feuilleton der FAZ vom Dienstag gelesen? Wo schwarz auf weiß zu lesen stand, bei diesen Benimm-Sachen geht es doch nur „um Etikette, die den Leuten als Distinktionsgewinn, als eitles Unterscheidungsmerkmal dienen“?

FAURE: Was war mit Kochbüchern? Wenn im Internet die populärsten Kochportale zum Austausch von Rezepten und Erfahrungen monatlich über acht Millionen Besucher melden, könnte es da Einbrüche gegeben haben. Und bei Google hat man die Auswahl unter einer Million Rezepten für Tomatensuppe. Stand übrigens am Dienstag auch im Feuilleton der FAZ. Wer kauft da noch Suppenbücher?

DER WEIHNACHTSMANN: Für Internetkochen und -tomaten bin ich nicht zuständig, nur für Geschenke zum Fest von Christi Geburt, und da sind Kochbücher auch in diesem Jahr eine ziemlich große Nummer gewesen. Was mich hier wieder mal gestört hat, ist nur der Sexismus.

FAURE: Jetzt wollen Sie mich veräppeln – Sexismus beim Kochbuch?

DER WEIHNACHTSMANN: Sie scheinen wohl nicht viel in der Welt herumzukommen, mein Guter. Und ich habe dazu noch eine weitversippte internationale Verwandtschaft. Sie sollten mal hören, was etwa meine angelsächsischen Cousins zu erzählen haben, bei denen haben eigentlich schon immer Köchinnen mit ihren Rezeptbüchern eine erste Geige gespielt – Delia Smith, Nigella Lawson und so weiter und so fort. Aber bei uns? Bei Kochbuchbestsellern haben Sie da nur männliche Visagen mit und ohne Mütze. Das nenn ich Sexismus. Der wäre in Deutschland auch mal eine Publikumsbeschimpfung wert.

FAURE: Sie übertreiben.

DER WEIHNACHTSMANN: Nennen Sie mir doch aus dem Kochbuchbereich eine Bestseller-Autorin!

FAURE: Äh, Zürcher, nee: Wiener

DER WEIHNACHTSMANN: Bravo – aber ich kenn Sie ja, Verehrter, Sie sind ein Literatur- und Lyrikliebhaber, von Sarah Wiener wissen Sie bloß, weil Ihr Papa ein bedeutender Dichter war. Und sie ist die eine Ausnahme, welche die Regel bestätigt.

FAURE: Was sonst?

DER WEIHNACHTSMANN: Was sonst was?

FAURE. Haben sich dies Jahr bei Ihnen neue große Trends abgezeichnet?

DER WEIHNACHTSMANN: Nicht wirklich.

FAURE: Aber Tendenzen?

DER WEIHNACHTSMANN: Der Deutsche Sachbuchpreis hat wieder mal für ein Highlight gesorgt. Und Uwe Tellkamps „Der Turm“ ist ja auch ein Spitzenbuch. Ansonsten, allgemeiner… Wenn ich mich recht erinnere, waren Krimis diesmal noch gefragter als sowieso schon. Da hat John le Carrés neuer Roman einen richtigen kurz vor dem Fest einen regelrechten Run ausgelöst.

FAURE: Und die übrige Belletristik?

DER WEIHNACHTSMANN. Na ja. Jedenfalls nicht zum Verrücktwerden. Insgesamt ist da wohl Historisches besonders gut gegangen. Übrigens auch im Sachbuch. So viele Exemplare wie von seinem neuen Titel sind bei Knopp schon lange nicht mehr erwünscht gewesen, bei dem muss die Druckerei zuletzt fast einem Zusammenbruch nahegekommen sein. Und die „Varusschlacht“ von Märtin, und…

FAURE: Und…? Bitte weiter!

DER WEIHNACHTSMANN: Ach geh. Lassen Sie mich in Ruh. Ich bin ein alter Mann, und nach den unsäglichen Strapazen meiner Gedächtnislogistik bis zum 24. Dezember…Eine genauere Statistik werden Sie ja bald genug kriegen.

FAURE: Aber…

WEIHNACHTSMANN. Nichts da. Aus. Nur eins, zum Schluss: Meinen herzlichen Dank an die Heinzel- und Weihnachtsmännchen bei KNO, LIBRI, Umbreit und in den Verlagsauslieferungen von BDK bis VVA, ohne die ich in meiner Arbeit aufgeschmissen gewesen wäre. Also dann bis zum nächsten Jahr!

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