In ihrem Roman „Der schwarze Winter“ (jetzt neu bei Harper Collins) schreibt Clara Lindemann über zwei Schwestern, die im Hungerwinter 1946/47 gemeinsam ums Überleben kämpfen. Hinter dem Pseudonym steckt die Thriller-Autorin Janet Clark, die sich mit dem Roman erstmals an ein neues Genre wagt. Anlass für Fragen:
BuchMarkt: Worum geht es in dem Buch?
Janet Clark: Im Hungerwinter 1946 suchen die Schwestern Silke und Rosemarie trotz des von den Briten verhängten Zuzugstops Zuflucht im zerbombten Hamburg. An eine Unterkunft und Essensmarken kommen sie nur noch über den Schwarzmarkt, es ist ein raues Pflaster, jeder ist sich selbst der Nächste. Zunächst schaffen die Schwestern es kaum, genug Lebensmittel aufzutreiben, um nicht zu verhungern, dann fassen sie Fuß im Schwarzmarkt, Silke bekommt über einen ihrer Kontakte sogar die Chance, eine Bar für britische Soldaten zu eröffnen. Sie scheinen es geschafft zu haben, da treffen die Schwestern auf Händler, denen die Frauen in ihrem Geschäft ein Dorn im Auge sind …
Wie entstand die Idee dazu?
Im Gespräch mit meinem Agenten. Dieser Roman ist ein Genrewechsel für mich, den habe ich gemeinsam mit meinem Agenten geplant. Daher übrigens auch das Pseudonym. Die Nachkriegszeit finde ich sehr spannend, gerade die Verschiebung der Mächteverhältnisse auf so vielen Ebenen. Die Erobernden werden zu Flüchtenden, die Unterdrückenden zu Bittstellenden, das schwache Geschlecht entpuppt sich plötzlich als überaus stark. Das führt zu enormen Spannungen und Konflikten, dem Elixier einer guten Geschichte.
Sind die ersten Sätze beim Schreiben schwieriger oder die letzten?
Für mich definitiv die ersten. Und es sind auch diejenigen, die am öftesten überarbeitet, umgeschrieben, gestrichen werden. Die ersten Sätze setzen die Tonalität des Buches, die Stimme der Erzählerin dieser Geschichte. Diese muss ich mir erst erarbeiten, das kann schon mal 50 Seiten und mehr dauern. Die letzten Sätze sind ebenfalls eine Herausforderung, sollen sie doch die Geschichte abrunden und die Leser und Leserinnen mit einem guten Gefühl aus der Geschichte entlassen. Doch im Vergleich zu den ersten Sätzen fällt mir das sehr viel leichter.
Welche Leserschaft wollen Sie damit ansprechen?
Leser und Leserinnen, die von packenden Schicksalen und Geschichten in den Bann gezogen werden wollen. Interessieren sie sich dann noch für unsere Geschichte, ist es ein Volltreffer. Z.B. Leserinnen von dem Roman Bühler Höhe von Brigitte Glaser.
Und der Buchhändler, mit welchem Argument kann der das Buch idealerweise verkaufen?
Ein Buch, das Sie nicht mehr aus der Hand legen können.
Eine so fesselnde wie ungewöhnliche Momentaufnahme der Nachkriegszeit.
Erzählt aus drei spannungsreichen, ineinander verwobenen Perspektiven: der vertriebenen Nazimitläuferin und Geschäftsfrau, plötzlich zu „Gesindel“ degradiert, der rebellischen Künstlerin, und des gehbehinderten Frisörs, der im Schwarzmarkt die Fäden zieht.
Welche drei Wörter beschreiben das Buch perfekt?
Packend, ungewöhnlich, stark.
Und privat, was lesen Sie da gerne?
Bücher, die mich mitreißen, mir neue Einblicke vermitteln – egal welches Genre.
Welche Frage, die wir nicht gestellt haben, hätten Sie dennoch gerne beantwortet?
Was fiel Ihnen beim Schreiben des Buches am schwersten?
Hier können Sie dies nun tun:
Silkes Perspektive. Silke war überzeugte Anhängerin des Naziregimes. Wie so viele, hat sie Hitlers Versprechungen geglaubt und sich in der Bequemlichkeit der Profitierenden eingerichtet. Dann kam der totale Zusammenbruch und sie hat alles verloren, nicht nur ihr Geschäft und Haus, auch ihren Status. Eben noch ehrbare Geschäftsfrau, ist sie nun ein Flüchtling, den niemand will, auch nicht die Nazis, die vormals gemeinsam mit ihr dem Führer zugejubelt hatten. Diejenigen, von denen sie Hilfe bekommt, sind ausgerechnet Menschen, die unter dem Naziregime gelitten haben, was bei Silke einen Umdenkprozess auslöst.
Es war sehr herausfordernd, dass ausgerechnet eine meiner Heldinnen, eine Nazimitläuferin war. Es fiel mir unglaublich schwer, mich in sie einzufinden und sie positiv zu erzählen. Und doch ist es so wichtig, genau so eine Person zu erzählen, wenn man die Nachkriegsgeschichte erzählt. Es war ja nicht so, dass es nach dem Krieg niemanden mehr gab, der Hitler zuvor unterstützt hatte – es wurde nur totgeschwiegen.