Die Rechte-Kolumne Rainer Dresen: Vorsicht – München schwankt

Gegenstand dieser Kolumne sind üblicherweise Rechtsfälle, die einen bundesweiten Leserkreis interessieren und die meist im Verlagsumfeld angesiedelt sind. Deshalb gibt es nur selten Anlass, über Münchner Lokalgeschehnisse zu berichten. Einmal im Jahr, nämlich jetzt, zur Oktoberfestzeit, soll hiervon eine Ausnahme gemacht werden. Denn dieser Tage häufen sich die Besuche von auswärtigen Autoren, Kooperationspartnern oder auch nur Kollegen in der Stadt. Vielleicht weiß nicht jeder Auswärtige, welche Gefahren in jenen Tagen auf ihn lauern.

Pünktlich zum Wiesnstart veröffentlichte das Amtsgericht München ein Urteil, bei dem es darum ging, dass einer Motorradfahrerin 2006 ein merklich angeheiterter Fußgänger bei Rot direkt vor die Maschine gelaufen war. Durch das Bremsmanöver stürzte die Motorradfahrerin und verletzte sich. Auch das Motorrad wurde beschädigt. Der Richter sprach der klagenden Motorradfahrerin dennoch nur 50 Prozent ihres Schadens zu: Zwar trage der angeheiterte Fußgänger eine Mitschuld. Die andere Hälfte der Schuld liege jedoch bei der Motorradfahrerin. Zur Oktoberfestzeit seien nächtens bekanntermaßen „größere Mengen Betrunkener unterwegs, bei denen nicht immer erwartet werden kann, dass sie die Verkehrsregeln einhalten“, sagte der Amtsrichter. Die Motorradfahrerin hätte daher ihre Geschwindigkeit anpassen müssen, um den Betrunkenen jederzeit ausweichen zu können.

Betrunkenen auszuweichen fällt dieser Tage nicht nur Motorradfahrern schwer. Nach Einbruch der Dunkelheit trifft (oder beinahe: tritt) man nicht selten in der Stadt auf Menschen, die unsicheren Schrittes versuchen, sich vom Festgelände heimwärts oder in Innenstadtlokale zu begeben. Nicht immer gelingt dies, wie zahlreiche Gestalten zeigen, die schwankend an Laternenpfählen lehnen, hin und her pendelnd auf Gehsteigen sitzen oder einfach im Gebüsch liegen.

Mitunter schwankend in seiner Begeisterung für diese schöne Stadt aber wird selbst der sich penibel von allen einschlägigen Vierteln fernhaltende Zeitungsleser, der im Polizeibericht der Süddeutschen Zeitung alleine an einem einzigen Tag über folgende Ereignisse lesen musste:

Ein Brite im Kostüm des rosaroten Panthers wollte sich im Taxi vom Oktoberfest zum Flughafen fahren lassen. Unzufrieden über den hohen Fahrpreis kam es zum Streit. Dies führte dazu, dass der mutmaßlich nicht mehr ganz nüchterne Tourist vom Taxifahrer an die frische Luft gesetzt wurde und mitsamt seinem Pantherkostüm die Nacht in einer Gefängniszelle verbringen musste.

Über ein Pantherkostüm, so vermutet die berichtende SZ, hätte sich sicher ein Besucher aus Leipzig gefreut, denn dieser fand sich nach einer Taxifahrt zum Flughafen in noch misslicherer Situation wieder, nämlich im Adamskostüm in der Halle des Terminals 2. Nach eigenen Angaben hatte auch er Streit mit einem Taxifahrer. Weil er den Fahrpreis nicht bezahlen konnte, habe der Taxifahrer Kleidung und Brille des Fahrgastes als Pfand einbehalten. Gegen den Taxifahrer wird wegen Raubes ermittelt.

Nicht untypisch fürs festliche München sind auch Meldungen wie diese, wonach zwei Männer auf dem Oktoberfest derart in Streit geraten waren, dass der eine dem anderen den Maßkrug so auf den Kopf schlug, dass der Krug zerbrach. Oktoberfestbesucher aber vertragen was: Nach kurzer ambulanter Behandlung konnte das Opfer das Krankenhaus verlassen.

Noch viel schlimmer war der Vorfall, den eine junge Australierin erdulden musste: Sie hatte knapp zwei Maß getrunken und sich auf einen wegen des sich anschließenden Vorfalls berüchtigten Hügel auf dem Festgelände zum Schlafen gelegt. Neben sie begab sich ein bulgarischer Tourist, der die Gelegenheit ausnutzte, die Frau vergewaltigte und ihr das Telefon stahl. Taschendiebfahnder beobachteten die Straftaten und nahmen den Mann fest; die Frau hatte nichts mitbekommen und musste von der Polizei geweckt werden.

Jede Hilfe zu spät kam für einen betrunken von der Theresienwiese zur Unterkunft auf einem Campingplatz strebenden Australier. Begleitet von einem Neuseeländer lief er zu dicht an den vermeintlich Orientierung gebenden S-Bahngleisen entlang und wurde von einem herannahenden Zug tödlich erfasst.

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