Die Rechte-Kolumne Rainer Dresen: Wat is dat denn? BILD verliert gegen taz

Die taz ist ja nicht nur für ihre etwas andere Zeitung, sondern in Fachkreisen auch für ihre meist erfolgreich bestrittenen Klageverfahren bekannt: http://www.buchmarkt.de/content/37332-die-rechte-kolumne.htm

In ihrer schon gewohnten Rolle als Beklagte fand sich die taz wieder in einem Verfahren um einen ganz besonderen Kinospot, mit dem sie im Jahr 2005 für ihre Zeitung warb. Das allgemeine Publikum fand das Filmchen sehr gelungen, es gab sogar Werbepreise („First Steps Award“ für den besten Werbefilm des Jahres) dafür.

Die im knapp eine Minute langen Film eine Hauptrolle spielende BILD-Zeitung fand den aber gar nicht lustig: Im ersten Teil des Werbepots ist vor einem als „Trinkhalle“ bezeichneten Zeitungskiosk ein mit dem Logo der BILD-Zeitung versehener, gähnend leerer Zeitungsständer zu sehen. Ein schlecht gelaunter, übergewichtiger, goldkettchentragender Kunde, der mit Pantoffeln, einem Unterhemd und einer Jogginghose bekleidet ist und von seinem Hund zum Kiosk gezogen wird, fordert den Inhaber des Kiosks auf: „Kalle, gib mal Zeitung“, worauf dieser lapidar entgegnet: „Is aus“. Auf verwunderte Nachfrage des Kunden: „Wie, aus?“, schiebt der Kioskinhaber wortlos statt der BILD eine taz über den Tresen. Der Kunde, definitiv kein regelmäßiger taz-Leser, reagiert hierauf ungläubig mit den Worten: „Wat is dat denn? Mach mich nicht fertig, Du“ und wirft die taz nach einem kurzen Blick in die Zeitung verärgert wieder zurück auf den Ladentisch. Der Kioskinhaber holt nun eine unter dem Tresen versteckte BILD-Zeitung hervor, die er dem Kunden gibt. Daraufhin brechen beide und ein ebenfalls anwesender weiterer Kunde in lautes Gelächter aus.

Im zweiten Teil des Werbespots, er spielt wohl am nächsten Tag, ist vor der „Trinkhalle“ ein nunmehr mit BILD-Zeitungen ordnungsgemäß gefüllter Zeitungständer zu sehen. Der Kunde vom ersten Teil des Spots verlangt dieses Mal aber statt der gewohnten BILD: „Kalle, gib mal taz„. Der Kioskinhaber ist so verblüfft, dass er dieser Aufforderung nicht nachkommt. Jetzt bricht der Kunde in Gelächter aus, in das der Kioskinhaber und der weitere Besucher vom Vortag einstimmt.

Am Ende beider Teile des Werbespots ist der Text eingeblendet: „taz ist nicht für jeden. Das ist OK so.“

Der Werbung folgte ein vierjähriger Rechtsstreit mit dem Axel-Springer-Verlag, der den Spot zunächst im Eilverfahren stoppen ließ. Der Kläger sah in diesem Werbespot eine nach § 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG unlautere vergleichende Werbung und nahm die taz daher auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht in Anspruch. Wer vergleichend wirbt, handelt nach dieser Bestimmung unlauter, wenn der Vergleich die Waren eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft. Springers Juristen argumentierten, der Spot enthalte einen „menschenverachtenden Kern“, der das Blatt und seine Leser herabwürdige. BILD-Leser würden dadurch als dumm, primitiv und kaum des Lesens mächtig abqualifiziert und in ihrer Menschenwürde verletzt.

Die bekannten Hamburger Pressekammern des Landgerichts und des Oberlandesgerichts sahen das ähnlich und untersagten die Werbung als „herabsetzend“. Die Werbebotschaft bestehe darin, die Leserschaft der BILD-Zeitung als intellektuell unfähig darzustellen, die anspruchsvolle taz zu lesen. Das sei von der Meinungs- und Kunstfreiheit nicht mehr gedeckt. Landgericht und Berufungsgericht haben der Klage deshalb weitgehend stattgegeben. Das Berufungsgericht hat formuliert, die taz überschreite mit dem Werbespot, auch wenn dieser durch Witz, Ironie und Sarkasmus geprägt sei, die Grenzen des wettbewerblich Zulässigen. Sie versuche, ihre Zeitung werblich herauszustellen, indem sie ein vernichtendes Bild von der trostlosen Sozialstruktur und den (fehlenden) intellektuellen Fähigkeiten eines typischen BILD-Zeitungslesers zeichne und damit die Leserschaft und die Zeitung der Klägerin ohne sachlichen Grund abqualifiziere.

Auf die Revision der Beklagten taz hat der Bundesgerichtshof die Entscheidungen der Vorinstanzen nun aufgehoben und die Klage abgewiesen. Für die Beurteilung der Zulässigkeit eines Werbevergleichs ist – so der Bundesgerichtshof – auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abzustellen, der zunehmend an pointierte Aussagen in der Werbung gewöhnt ist. Eine humorvolle oder ironische Anspielung auf einen Mitbewerber oder dessen Produkte stelle daher erst dann eine unzulässige Herabsetzung dar, wenn sie den Mitbewerber dem Spott oder der Lächerlichkeit preisgebe oder von den Adressaten der Werbung wörtlich und damit ernst genommen und daher als Abwertung verstanden werde. Der Werbespot der Beklagten ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofs danach nicht als wettbewerbswidrig anzusehen. Er bringe lediglich zum Ausdruck, dass die taz „nicht für jeden“ sei, also nicht den Massengeschmack anspreche. Der durchschnittliche Zuschauer erkenne, dass es sich bei der Darstellung um eine humorvolle Überspitzung handele, mit der die Aufmerksamkeit der Werbeadressaten geweckt und nicht die BILD-Zeitung oder deren Leserschaft pauschal abgewertet werden solle.
Übrigens: BILD zeigt nun tatsächlich Humor und hat auf bild.de nicht nur eine Meldung über die Niederlage bei Gericht veröffentlicht, sondern gleich einen Link zum Spot selber, so dass für jeden BuchMarkt-Leser gelten kann: BILD Dir Deine Meinung: http://www.youtube.com/watch?v=M0kmwrXprQM&hl=de

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