Die Rechte-Kolumne Rainer Dresen: Wenn Frauen zu sehr lesen oder: Bei Bestellung Knast

Zahllose Verlage haben schon dieselbe Erfahrung gemacht: Bei ihnen meldet sich eine Frau mit nörgelnder Stimme und teilt mit, dass sie gerade eine Buchhandlung eröffnet habe oder als Journalistin Bücher rezensieren wolle und deshalb gefälligst die Zusendung von Büchern oder doch zumindest Verlagsvorschauen an eine postlagernde Adresse wünsche.

Wer daraufhin brav Bücher oder Vorschauen verschickt, kann jedoch lange auf eine Ladeneröffnung mit Folgeaufträgen oder auf Buchbesprechungen warten, denn Frau X. betreibt keine Buchhandlung und Frau X. bespricht auch keine Bücher. Was genau Frau X. mit den ihr übersandten Vorschauen und Büchern macht, ist nicht bekannt. Vielleicht verkauft sie die Bücher weiter, vielleicht ist sie nur leidenschaftliche Sammlerin von Verlagsprodukten.

Was Frau X. aber ganz sicher ist, steht fest: Hartnäckig. Denn mit der Zeit merken die kontaktierten Verlage, dass Frau X. weder als Buchhändlerin Bücher verkauft noch als Journalistin Bücher rezensiert und beantworten diesbezügliche Anfragen nicht mehr. Das aber lässt Frau X. ihnen nicht durchgehen, sondern beschwert sich wütend, wo denn ihre Bücher und Vorschauen bleiben.

Wenn auch das nichts hilft und die Verlage ausdrücklich mitteilen, Bücher und Vorschauen nicht an unbefugte Damen mit Nörgelstimmen rausrücken wollen, meldet sich bei ihnen nicht mehr Frau X. sondern eine Frau Y., bei der aber nicht nur die Stimme, sondern auch die Begehrlichkeiten sehr an Frau X. erinnern. Denn auch Frau Y. will eine Buchhandlung eröffnen und Bücher besprechen, wozu es aber nie kommt.

Um zu vermeiden, dass die regelmäßigen Anfragen der Frau X., Y. und Z. ganze Verlagsabteilungen lahm legen, kommen betroffene Verlage mittlerweile auf findige Ideen. Da gibt es Handlungsanweisungen im Haus „Was tun, wenn Frau X. anruft“, da sprechen sich die Verlage bundesweit über die diversen, vermutlich dank der Lektüre geschnorrter Historienromane immer literarischer werdende Tarnnamen der Frau X. ab.

Wenn auch das nicht hilft, drohen die Verlage Frau X. juristische Schritte an wie die Stellung einer Strafanzeige wegen Betruges oder kündigen an, bei der Polizei Fangschaltungen zu aktivieren. Daraufhin meldet sich Frau X. meist, um empört alle Unterstellungen zurückzuweisen, lässt aber den betreffenden Verlag für längere Zeit in Ruhe.

Ein Verlag wollte sich mit den genannten, einigermaßen friedlichen, aber meist nicht lange anhaltenden Gegenmaßnahmen nicht zufrieden geben. Offenbar besonders genervt durch die nie enden wollenden Lektüresehnsüchte der Frau X. und beraten durch einen findigen externen Rechtsanwalt wurde bei Gericht ein bislang eher aus amerikanischen Filmen um Sorgerechtsstreitigkeiten bekanntes Verbot erwirkt, wonach es Frau X. verboten ist, den Verlag zu kontaktieren. Sollte Frau X. gegen jenes Verbot verstoßen, drohen ihr nicht nur Ordnungsgeld, sondern sogar Ordnungshaft.

Gegen jenes Verbot hat Frau X. Widerspruch eingelegt mit der Begründung, sie sei es gar nicht gewesen, die angerufen oder geschrieben habe. Die daraufhin anberaumte Verhandlung, zu der sie ausdrücklich geladen ist und bei der es auch um die Frage gehen dürfte, ob jemand ihre charakteristische Stimme wieder erkennt, scheint sie zu scheuen. Kurz vor dem Termin erreichte den Richter ein ärztliches Attest, wonach Frau X. nicht verhandlungsfähig sei. Der Richter allerdings ist wohl misstrauisch, denn er hat daraufhin zum Gerichtstermin nicht nur erneut Frau X. sondern auch gleich deren Arzt geladen.

Rainer Dresen arbeitet als Rechtsanwalt und Verlagsjustitiar in München auf dem Gebiet des Urheber- und Medienrechts. Mail: Dresen-Kolumne@freenet.de Die vorherige Kolumne lesen Sie hier: [mehr…]

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