Lenka Reinerová

Sie hörte es nicht gern, wenn man sie die „Grande Dame der deutschsprachigen Literatur in Prag“ nannte – aber sie war es zweifellos. Heute nun ist die 1916 in einer deutschsprachigen Familie in Prag geborene Journalistin und Schriftstellerin Lenka Reinerová in ihrer Wohnung in Prag gestorben.

Befreundet war sie mit allen deutschsprachigen Autoren der Exilzeit von Rang und Namen, allen voran mit Egon Erwin Kisch und Anna Seghers. Zunächst arbeitete sie als Journalistin u.a. bei der „Arbeiter-Illustrierten-Zeitung“ in Prag unter Leitung von F.C. Weiskopf, wo die bis heute berühmten antifaschistischen Photomontagen von John Heartfield erschienen. Als Prag 1939 durch deutsche Truppen besetzt wurde, war sie gerade bei Freunden in Bukarest und emigrierte von dort nach Paris. Über viele Umwege konnte sie nach Mexiko entkommen.

Als sie 1945 mit ihrem Mann, dem Schriftsteller Theodor Balk, nach Europa zurückkehrte, lebte sie zunächst nach Belgrad, und kam erst 1948 nach Prag, wo sie während der stalinistischen Säuberungen um den Slánský-Prozess inhaftiert, allerdings 1964 rehabilitiert wurde. 1968 wurde sie erneut mit Publikationsverbot belegt und verlor ihre Verlagstätigkeit und war bis 1989 hauptsächlich als Simultandolmetscherin tätig.

In den 80er Jahren, noch zur DDR-Zeit, erschienen ihre ersten Erinnerungsbücher im Aufbau-Verlag Elma Fabers. Eingeleitet wurde ihr Erinnerungssyklus mit „Der Ausflug zum Schwanensee“ (1983). 1985 folgte „Es begann in der Melantrichgasse“, und 1989 „Die Premiere“. Weitere Titel ihrer autobigraphischen Bücher „Das Traumcafé einer Pragerin“ und „Zu Hause in Prag. Manchmal auch anderswo“ u.a. Ihr letztes Werk, „Das Geheimnis der nächsten Minuten“, wurde 2007 veröffentlicht (alle bei Aufbau).

2004 gründete sie mit František Černý und Kurt Krolop das Prager Literaturhaus deutschsprachiger Autoren. 2006 erhielt sie das Große Bundesverdienstkreuz [mehr…].

Mehrfach hat Lenka Reinerová den Krebs besiegt. Noch 2007 kam sie auf die Leipziger Buchmesse, um Pressetermine für ihr neues Buch wahrzunehmen – da trafen wir uns – wie ich jetzt weiß – zum letzten Mal.

Zur Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus am 25. Januar dieses Jahres konnte sie die Gedenkrede nicht persönlich halten, sie wurde vorgetragen von Angela Winkler [mehr…].

Liebe Lenka, unvergeßlich wird mir ein gemeinsames Abendessen zur Leipziger Buchmesse bleiben, für das ich alle Termine sausen ließ. Wir sprachen über Malik und gemeinsame „Bekannte“, also Bekannte, die ich nur aus der Literatur kannte und über die ich geschrieben hatte, die aber Ihre nächsten Freunde gewesen waren. Sie erzählten mir viele Geschichten aus dem Prag der Exilzeit und der Nachkriegszeit, Geschichten, die Sie zum Glück alle aufgeschrieben haben. Und mit all diesen Geschichten werden Sie unter uns bleiben. Für immer.

uf

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