Joachim Bauer über sein Buch "Fühlen, wie die Welt fühlt (Blessing) „Mein Buch zeigt einen neuen, bisher nicht aufgezeigten Weg zur Rettung unseres Globus auf“

Die Welt ist im Wandel. Ereignisse wie die Corona-Pandemie, nur ein Aspekt einer größeren ökologischen Krise, führen uns die Verletzlichkeit des Menschen vor Augen und machen Angst. In seinem neuen Sachbuch Fühlen, was die Welt fühlt (Blessing) erläutert Bestsellerautor und Wissenschaftler Joachim Bauer, wie die Empathie in uns angelegt ist und warum sie die Lösung gesellschaftlicher und globaler Probleme darstellt. Anlass für Fragen:

Buchmarkt: Worum geht es in Ihrem Buch?

Joachim Bauer: „Die Corona-Krise wird nicht die letzte sein, mit der wir es zu tun haben. Im Epilog des Buches gehe ich der Frage nach, ob wir für die Zukunft gerüstet sind“

 

Joachim Bauer: Mich hat die Frage interessiert, warum die Menschheit auf die zwei gleichermaßen lebensbedrohenden Szenarien wie Corona und Klimakrise zwei vollkommen unterschiedliche Reaktionen zeigt  – dem wollte ich auf den Grund gehen.

Sie deuten die Corona-Krise als eine von vielen Folgen der ökologischen Zerstörung der Welt

Das ist nicht nur meine persönliche Meinung, sondern Stand der Wissenschaft. Forscher- Kollegen haben 2018 eine wissenschaftliche Untersuchung publiziert, in der sie –nur wenige Monate vor ihrem tatsächlichen Eintreten- eine Corona-Epidemie voraussagen. Sie haben ihre Vohersage damit begründet, dass wir durch die Abholzung der Wälder dieser Erde den Zwischenraum zwischen den Lebenswelten des Menschen und des Tierreichs zerstören. Dies begünstigt die Übertragung von Krankheitserregern vom Tierreich auf den Menschen. Diese seriöse Studie wird in meinem Buch zitiert – mit weit über hundert weiteren aktuellen Studien. Wenn wir die Naturzerstörung nicht stoppen, wird Corona nicht die letzte Seuche gewesen sein, die uns heimsucht.

Sie postulieren, dass Menschheit und Natur in vorzivilisatorischen Zeiten durch eine empathische Beziehung verbunden gewesen seien

 Ja, mein Buch ist eigentlich ein Liebesroman. Ich beschreibe die schwere Störung einer Liebesbeziehung. Menschheit und Natur waren über Hunderttausende von Jahren durch eine empathische Beziehung miteinander verbunden. Um zu überleben, mussten sich unsere evolutionären Vorfahren in die Natur einfühlen, sie mussten -wie man im Fußball heute sagen würden- die Natur „lesen“, denn sie wechselten ständig das Terrain und mussten schnell erfassen, ob ein Gelände gefährlich oder chancenreich war. Ohne Einfühlung in die Natur hätten sie nicht überlebt. Empathie war die evolutionäre Erfolgsfahrkarte unserer Spezies. Leider ist die einstmalige Liebesbeziehung zwischen Menschheit und Natur inzwischen schwer „in trouble“.

Welche Diagnose würden Sie der Beziehung denn heute geben, wenn Sie als Paartherapeut hinzugezogen werden würden?

Die Ausbreitung der Diagnose bildet den Inhalt meines Buches, die Krankenakte hat rund 200 Seiten. Menschheit und Natur sind maximal entfremdet, beide Partner behandeln sich schlecht, fügen sich Gewalt zu und sind aneinander krank geworden. In vielen Paarbeziehungen beginnt der Stress, wenn beide zusammenziehen – und oft verschärft sich der Stress zusätzlich, wenn sich beide zusammen eine Wohnung kaufen oder ein Haus bauen. Ganz ähnlich verhielt es sich bei der Beziehung zwischen Menschheit und Natur. Das Elend begann mit der Sesshaftwerdung des Menschen. Das ist rund 10.000 Jahre her, also vor rund 330 Generationen – gar keine so lange Zeit!

Was passierte bei der Sesshaftwerdung?

Vor der Sesshaftwerdung erlebten sich Menschen als ein Teil der Natur. Mensch und Natur teilten eine gemeinsame Welt, erlebten gemeinsam die Rhythmen zwischen Nacht und Tag, unterlagen einem regelmäßigen Wechsel von Aktivität und Ruhe. Das vorzivilisatorische Zusammenleben des Menschen war geprägt von flachen Hierarchien und ständigem Beisammensein. Das Gelände gehörte allen. Jeder hatte ein natürliches Lebensrecht. Keiner hungerte, wenn nicht alle hungerten. Mit der Sesshaftwerdung einher ging die Bewirtschaftung der Natur, das Eigentum an Grund und Boden, die „Erfindung“ der Arbeit und damit die „Erfindung“ des Menschen als Arbeitskraft. Es begann das, was wir heute „Stress“ nennen. Dieser Stress betraf beide: den Menschen und die Natur. Raubbau an unserer Gesundheit und an der Natur gehen seither Hand in Hand.

Wollen Sie zurück hinter die Sesshaftwerdung?

Ich will nicht zurück, nein, das wäre ein bitterer Verlust von allem, was die Zivilisation uns an Chancen und Entfaltungsmöglichkeiten, an technischen Errungenschaften und kulturellem Reichtum gebracht hat. Die Bedrohung der Sesshaftigkeit kommt von ganz anderer Seite. Wenn wir die ökologische Zerstörung der Welt weitertreiben, wird ein wachsender Teil der Menschheit zur Aufgabe ihrer jeweiligen Heimat gezwungen werden, weil die Erderwärmung, die Trockenheit der Böden und die Vermüllung der Umwelt sie zu Flüchtenden gemacht haben. Wenn am Ende der Globus insgesamt nicht mehr bewohnbar sein wird, werden auch Sesshaftigkeit und zivilisiertes Zusammenleben Geschichte sein.

Das klingt wenig optimistisch. Können wir etwas tun?

Wir alle können, jede und jeder Einzelne von uns kann gegen den drohenden ökologischen Absturz der Erde etwas tun – davon handelt mein Buch. Mein Buch verfolgt aber einen neuen Ansatz, ich arbeite nicht mit erhobenem Zeigefinger. Die letzten Jahre zeigen doch: Ständige Ermahnungen, den eigenen Lebensstil ökologisch verträglich zu gestalten, haben nichts gebracht. Mein Ansatzpunkt ist: Wir müssen die verschüttete empathische Liebesbeziehung, die uns als Menschheit einst mit der Natur verbunden hat, wiederentdecken. Unser Problem liegt nicht im rationalen Erkennen der prekären ökologischen Situation, sondern in der fehlenden emotionalen Verbundenheit zwischen Mensch und Natur. Das ist mein Ansatzpunkt. Wir müssen zur Empathie zurückfinden.

Mit welchem Argument kann der Buchhändler das Buch am besten verkaufen?

Dass es einen neuen, bisher nicht aufgezeigten Weg zur Rettung unseres Globus aufzeigt. Dass es aufzeigt, dass es ohne Empathie keine ökologische Rettung der Welt geben kann.

Wo würden Sie es in der Buchhandlung platziert sehen wollen?

Im Schaufenster (lacht). Aber im Ernst: Das Buch hat Bezüge zur Psychologie, zur Soziologie und zu den Umweltwissenschaften. Auch zur Politik, denn es beschäftigt sich -im Epilog- auch damit, wie moderne Gesellschaften mit Krisen umgehen sollten. Die Corona-Krise wird nicht die letzte sein, mit der wir es zu tun haben. Im Epilog des Buches gehe ich der Frage nach, ob wir für die Zukunft gerüstet sind.

Die Zerstörung der Wälder nimmt in Ihrem Buch einen zentralen Punkt ein

Alle Imperien der Geschichte sind untergegangen, weil der Mensch die Wälder zerstört hat. Der Unterschied zu früher ist: Wenn ein Reich unterging, kam an anderer Stelle ein neues Imperium hoch – solange bis auch hier die Wälder abgeholzt waren. Sumerer, Phönizier, klassisches Griechenland, die alten Römer, das venezianische Weltreich: immer die gleiche Geschichte! Der Unterschied zu heute: Wenn wir die Regenwälder dieser Erde abgeholzt haben, dann wird nicht ein Imperium untergehen, auf welches dann ein nächstes folgt. Dann wird der Globus als Ganzes für Menschen kein bewohnbarer Platz mehr sein.

Sie sagen: Wir alle können etwas tun. Was?

Wir müssen die Freisetzung von Treibhausgasen stoppen und die Zerstörung der Wälder beenden. Um das zu erreichen, müssen wir unser Mobilitätsverhalten ändern, also weniger Autofahren und weniger fliegen, stattdessen mehr öffentliche Verkehrsmittel benützen, Radfahren und uns mehr zu Fuß bewegen. Um die Zerstörung der Wälder zu stoppen, sollten wir einfach aufhören, Fleisch zu essen, denn die weltweite Fleischproduktion ist die Hauptursache für die Waldrodungen.

In Ihrem Buch findet sich ein neuer Begriff, den Sie erklären sollten: Was ist „hedonischer Verzicht“?

Unser Verhalten im Sinne der ökologischen Bewahrung der Welt zu ändern, bedeutet nicht, dass wir schlecht leben müssen, im Gegenteil. Wer sich mehr bewegt und sich vegetarisch ernährt, tut etwas für seine Gesundheit und lebt länger. Sein Leben lustvoll zu ändern, das nenne ich „hedonischer Verzicht“. Die Motivation zu einem solchen besseren Leben ist also nicht der erhobene Zeigefinger, sondern Empathie mit uns und mit der Natur. Motivation entsteht vor allem dann, wenn ich etwas für jemanden tun kann, den ich liebe. Was wir lieben sollten: uns selbst, unsere Mitmenschen und die Natur.

Was lesen Sie privat?

Zum einen natürlich fortlaufend neue wissenschaftliche Studien. Auch politische Analysen wie die von Andreas Reckwitz oder Hartmut Rosa und philosophische Bücher wie jene von Markus Gabriel gehörten zu meiner Literatur der letzten Monate. Genauso wichtig wie dies ist mir aber die Belletristik. Zuletzt -und mit Genuss- las ich Julie Zehs „Unter Leuten“, Sybille Lewitscharows „Von oben“ und Bodo Kirchhoffs „Eros und Asche“, weil ich mit der realen. Leider früh verstorbenen Figur, die dieser Roman beschreibt, als Student befreundet war. Große Freude hat mir auch die Lektüre von Rüdiger Safranskis Hölderlinbuch gemacht. Vor einigen Wochen las ich eine neue Biografie von Dietrich Bonhoeffer. Warum nochmals Bonhoeffer? Ich weiß natürlich um das Elend, das der Nationalsozialismus über unser Land gebracht hat. Immer wieder aufs Neue erschreckend ist aber, festzustellen wie schnell eine Demokratie von antidemokratischen Kräften ruiniert werden kann.

Welche Frage haben wir nicht gestellt, die Sie aber gerne beantwortet hätten? 

Anschließend an meine zuletzt gegebene Antwort könnte man fragen, was wir heute als demokratische Gesellschaft tun können, um den sozialen Zusammenhalt und die gesamtgesellschaftlichen Empathie-Potentiale zu stärken. Diese Frage bewegt uns in diesen unruhigen Zeiten wohl alle, in meinem Buch nimmt sie daher eine zentrale Position ein.

Hier können Sie es jetzt tun!

Meine Antwort lautet: Menschlichkeit und Unmenschlichkeit entstehen nicht von alleine. Voraussetzungen einer humanen Gesellschaft sind das liebevoll betreute Aufwachsen unserer Kinder, gute Bildungseinrichtungen, soziale Gerechtigkeit und ein lebendiges, reichhaltiges Kulturleben.

Kommentare (0)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert