Rainer Moritz heute im Freitagsgespräch über den Genrewechsel bei seinem neuen Buch .... „Mein Vater, die Dinge und der Tod“ bei Kunstmann

Rainer Moritz leitet seit 2005 das Literaturhaus Hamburg. Er ist Essayist, Literaturkritiker und Autor zahlreicher Bücher, zuletzt „Der schönste Aufenthalt der Welt. Dichter im Hotel“, „Helden des Südwestens“, „Schlager. 100 Seiten“ und „Als der Ball noch rund war“

 

Vor wenigen Tagen ist mit Mein Vater, die Dinge und der Tod bei Kunstmann ein neues Buch von Rainer Moritz erschienen, das anders als in seinen früheren Publikationen einen ernsten und  bewegenden Ton anschlägt und existenzielle Themen wie Erinnerung und Tod umkreist. Das war Anlass für unser heutiges Autorengespräch

Sie haben Liebesromane, die in Paris spielen, veröffentlicht, eine „Überlebensbibliothek“, die „Bücher für alle Lebenslagen“ empfiehlt, und zuletzt Bücher, die alltagskulturelle Phänomene behandeln wie den Schlager und den Fußball. Das ist jetzt ein harter Genre- und ein Themenwechsel.

Rainer Moritz: In gewisser Weise ja, doch wer meine Bücher kennt, weiß, dass es mir oft darum ging, das Lebensgefühl im Deutschland der letzten fünfzig Jahre einzufangen und zu zeigen, wie wir wurden, was wir sind, und was unsere Eltern und uns selbst geprägt hat.

„Wenn ich mit Menschen spreche, die einen nahen Angehörigen, einen Freund verloren haben, dann stellt sich fast allen rasch die Frage: Was bleibt?“ (Durch Klick auf Cover zum Buch)

Ich frage das immer, damit unsere LeserInnen im Buchhandel Ihr Buch richtig einordnen können: Worum geht es in „Mein Vater, die Dinge und der Tod“?

Im Frühjahr 2015 ist mein Vater im Alter von 89 Jahren gestorben. Ich wollte mich bewusst an ihn erinnern und habe versucht, dafür eine besondere Form zu finden. Meine Eltern haben zusammen fast 50 Jahre in einer Wohnung im württembergischen Heilbronn gelebt, in der auch ich aufgewachsen bin. Es ist bis heute das Zuhause meiner Mutter, und in jedem Zimmer gibt es Dinge, die untrennbar mit meinem Vater verknüpft sind. Das heißt, ich gehe von diesen Alltagsgegenständen – der Fernsehsessel, die Musikanlage, der Rasierer, die Uhr – aus und frage danach, was sie von meinem Vater erzählen und was genau mich mit ihm verband und verbindet.

Wer wird denn ein so perönliches Buch kaufen?  

Ich glaube, dass das Thema viele Menschen berührt. Wenn ich mit Menschen spreche, die einen nahen Angehörigen, einen Freund verloren haben, dann stellt sich fast allen rasch die Frage: Was bleibt?

Diese Frage, das weiß ich, quält viele Menschen.

Und sie suchen auch eine tröstliche Antwort. Deswegen vesuche ich zu schildern, was die Erinnerung in uns wachhält und was es heißt, die Alltagsdinge genau zu betrachten und darüber nachzudenken, was sie den Toten und den Übriggebliebenen bedeuteten und immer noch bedeuten.

Aber es geht nicht nur um die Frage was bleibt …?

Das ist richtig. Ich wollte meinen Vater zugleich als Vertreter seiner Generation zeigen, als einen Mann, dem Familie viel bedeutete, der im bundesrepublikanischen Wirtschaftswunder vorankommen wollte und der stolz darauf war, zusammen mit meiner Mutter seinen drei Kindern den Weg geebnet zu haben. So gesehen ist „Mein Vater, die Dinge und der Tod“ vielleicht sogar ein Generationenbuch geworden. Die ersten Reaktionen bestärken mich darin, und ich würde mich freuen, wenn das Erzählen über meinen Vater, über unsere Familie viele Menschen dazu bewegte, über ihr eigenes Dasein und ihre Nächsten nachzudenken, die Toten und die Lebenden.

Fühlen Sie sich nach dem Schreiben des Buches Ihrem Vater näher?

Es war in unserer Familie nie üblich, sich wortreich über Emotionen auszulassen. Es herrschte mitunter eine Sprachlosigkeit, die ich zumindest im Rückblick gerne aufbrechen würde. Unter diesem Blickwinkel bin ich meinem Vater durch das Sich-Erinnern, durch das Abschreiten unserer Wohnung näher gekommen, spreche ich so vielleicht intensiver mit ihm, als es uns zu seinen Lebzeiten möglich war.

Die Fragen stellte Christian von Zittwitz

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