Auszeichnungen Erster Hessischer Verlagspreis in Wiesbaden überreicht

Gestern wurde in der Villa Clementine, seit 2002 Literaturhaus in Wiesbaden, gefeiert: Hessens Minister für Wissenschaft und Kunst Boris Rhein überreichte den ersten Hessischen Verlagspreis an Rotopol aus Kassel, der Gründerpreis ging an den Büchner Verlag Marburg.

Katharina Dietl, verantwortlich für Literatur- und Leseförderung in der Villa Clementine, begrüßte die Gäste: „Ohne Verlage wäre auch die Arbeit eines Literaturhauses undenkbar.“

Minister Boris Rhein, für den nicht nur die Übergabe des Preises, sondern auch der Besuch in der Villa Clementine eine Premiere war, erklärte die Entstehung der Auszeichnung. Erste Gedanken dazu seien auf der Frankfurter Buchmesse 2017 geäußert worden. „Eigentlich ging es um einen hessischen Gemeinschaftsstand auf der nächsten Frankfurter Buchmesse.“ Diese Idee kam vom ehemaligen hessischen Kultusminister Hartmut Holzapfel und dem Literaturwissenschaftler Heiner Boehnke.

Auf dem Messerundgang von Boris Rhein und Stefanie Brich, Geschäftsführerin des Landesverbandes Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland, sei mit vielen Verlegern gesprochen wurden, dabei wurden auch die Probleme deutlich. Da entstand die Idee, einen Verlagspreis auszuloben. Ziel des Preises sei es, kulturelle Vielfalt, öffentliche Anerkennung und die Verbreitung von Büchern zu fördern.

Das Land Hessen und der Landesverband Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels erarbeiteten gemeinsam ein schlüssiges Konzept zum Verlagspreis. 29 Bewerbungen wurden bis zum 29. März 2018 eingereicht. Bedingungen für die Teilnahme waren: Der Verlag muss seinen Sitz in Hessen haben, darf keinem Konzern angehören, und der Jahresumsatz muss unter zwei Millionen Euro liegen.

Für den Gründerpreis ist die Voraussetzung die Gründung oder Übernahme eines Verlages im Vorjahr der Preisvergabe.

„Ich glaube, der Preis kommt zur richtigen Stunde“, sagte Rhein und ging kurz auf die Studie zum Buchkäufer ein. Innovative Ideen seien gefragt. Der Preis sei ein besonderer, weil er nicht wie bei den vielen Literaturpreisen die Autoren, sondern die Verlage in den Vordergrund rücke.

Eine siebenköpfige Jury mit Florian Balke, FAZ; Siv Bublitz, Geschäftsführerin Programm und Strategie S. Fischer Verlage; Katharina Hesse, Geschäftsführerin Stiftung Buchkunst; Björn Jager, Leiter des Hessischen Literaturforums im Mousonturm Frankfurt, Jutta Leimbert, Inhaberin der Buchhandlung Vaternahm Wiesbaden, Bärbel Schäfer, Autorin, Journalistin, Moderatorin, und Ute Schwens, Direktorin der Deutschen Nationalbibliothek Frankfurt, beurteilte die Bewerbungen. Dabei standen Verlagsstrategie und Gesamtprogramm im Mittelpunkt.

Barbara Jost, Vorsitzende des Landesverbandes Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland, verglich Verleger mit Bauern – Verlage pflegten Kunst und Kultur, auch auf diesem Feld gingen Saaten auf. Allerdings würden Verlage weder öffentlich gefördert, noch erhielten sie Geld aus EU-Mitteln. Kleinere Verlage seien oft auf weitere Jobs angewiesen, um überhaupt existieren zu können. Jost verwies auf die im Februar dieses Jahres verabschiedete Düsseldorfer Erklärung unabhängiger Verlage, in der es in der Präambel heißt: „Literatur ist ein förderungswürdiges Kulturgut.“

Jost dankte außerdem allen Engagierten, die an der Vergabe des ersten Hessischen Verlagspreises mitwirkten. Sie machte auf den Büchertisch der ausgezeichneten Editionshäuser im Foyer aufmerksam, die Bücher seien zwar nicht gleich zu kaufen, aber im Buchhandel oder direkt bei den Verlagen bestellbar.

Britta Jürgs, Verlegerin von Aviva Berlin und Vorsitzende der Kurt Wolff Stiftung, ging in ihrer Laudatio auf die im Jahr 2000 von unabhängigen Verlegern und dem damaligen Kulturstaatsminister Michael Naumann gegründete Stiftung ein, die so die Vielfalt der Literatur- und Verlagsszene fördern und für eine größere Wahrnehmung und Sichtbarkeit unabhängiger Verlage sorgen will. „Benannt wurde die Stiftung nach dem legendären Verleger Kurt Wolff, der 1912 den gleichnamigen Verlag gründete, in dem die ersten Werke von Franz Werfel, Georg Trakl und Franz Kafka erschienen – damals also alle drei Debütautoren.“ Wolff stehe für Vieles, was unabhängige Verlage auch heute auszeichne; ein besonderes verlegerisches Profil, eine individuelle Handschrift sowie Phantasie, Innovationskraft und Ideenreichtum. Jürgs benannte außerdem den Kurt Wolff Preis, der jährlich auf der Leipziger Buchmesse vergeben wird, und den Katalog der Stiftung Es geht um das Buch, der jährlich zur Frankfurter Buchmesse erscheint.

„Am Anfang war das Wort und nicht die Zahl“, zitierte Britta Jürgs den Verleger Kurt Wolff, der den Umsatz nicht als oberste Maxime bei Programmentscheidungen betrachtete.

Doch die Situation für Independent-Verlage habe sich in den letzten Jahren zunehmend verschlechtert, dazu hätten auch die BGH-Urteile zur VG Wort und VG Bild-Kunst mit nachfolgenden Rückforderungen und fehlenden Ausschüttungen beigetragen.

Auch Jürgs erinnerte an die Düsseldorfer Erklärung, in der es heißt: „Die unabhängigen Verlage gewährleisten die künstlerische und thematische Vielfalt unserer kulturellen Landschaft zur Stärkung der Weltoffenheit, Demokratie und Vielheit unserer Gesellschaft.“ Die Unabhängigen schlagen deshalb unter anderem einen bundesweiten Verlagspreis nach Vorbild des Deutschen Buchhandlungspreises vor.

Norman Rinkenberger, Mareike Gill, Andreas Kirchner, Ina Beneke und Sabine Manke vom Büchner-Verlag

„Mit dem ersten Hessischen Verlags-Gründerpreis wird der Büchner-Verlag aus Marburg ausgezeichnet“, ging Jürgs auf die Preisträger ein. Wissenschaftliche Bücher mit Schwerpunkt Kultur- und Medien, populäre Sachbücher zu politischen und gesellschaftlichen Themen sowie Bücher zur Literaturwissenschaft und zu sozialen Themen bilden das bereits beachtliche Programm des Verlages, bei dem es sich „um eine besonders gelungene freundliche Übernahme handelt“. Ursprünglich war der Büchner Verlag  bereits 2008 in Darmstadt gegründet worden. Nicht nur das partizipative Unternehmenskonzept, auch das inhaltliche Konzept ist spannend. Die Büchners haben eine tolle Website, sind bei Facebook, Twitter und Instagram aktiv und besten vernetzt“, sagte die Laudatorin. Eine besonders hübsche Idee seien die Büchner-Bulli-Touren mit einem VW-Bus Baujahr 1978.

Boris Rhein, Stefanie Brich und Rita Fürstenau

„Bei Rotopolpress steckt die Bewegung schon im Namen“, kam Jürgs auf den Hauptpreisträger zu sprechen. Anfang 2006 gründete Rita Fürstenau während ihres Studiums den zu Beginn noch namenlosen Verlag in Kassel. 2007 kamen Lisa Röper und Michael Meier dazu, mit Rotopolpress war der Verlag nun auch namentlich sichtbar. Seit 2015 widmen sich Röper und Meier wieder vorwiegend ihrer künstlerischen Arbeit, seit Ende 2016 unterstützt die Illustratorin Carmen José die Verlegerin, beide veröffentlichen ihre eigenen Arbeiten und die anderer. Auf der Website heißt es: „Bei Rotopol ermöglichen wir es Illustratoren, Comiczeichnern und Designern auch unkonventionelle Inhalte und visuelle Ideen zu realisieren. Uns interessieren starke eigene Handschriften, experimentelle Erzählstile und eigensinnige Geschichten.“

Jürgs würdigte nicht nur die besonderen Produkte, zu denen auch Postkarten, Tragetaschen und temporäre Tattoos gehören, sondern ebenfalls das umtriebige Verlagsteam, das auf Lesungen, Ausstellungen und Festivals von Kassel über Leipzig bis New York, Antwerpen und Toronto unterwegs ist.

„Wenn am Anfang das Wort stehen soll, dann steht am Ende die Zahl“, sagte Jürgs und freute sich auf „1000 neue Ideen“ bei Rotopol.

Nach dieser Laudatio meldete sich Siv Bublitz zu Wort und erklärte, dass nicht alle Konzernverlage pauschal verteufelt werden dürften. Kafka sei zwar zuerst bei Kurt Wolff erschienen, aber bei S. Fischer sie die Kritische Ausgabe der Werke von Franz Kafka herausgekommen. Das Veto fand zustimmenden Applaus beim Publikum.

Nach der Übergabe der Urkunden – der Hauptpreis ist mit 15.000 Euro, der Gründerpreis mit 5000 Euro dotiert – bedankten sich die Ausgezeichneten. „Für uns gibt es nur einen Preis, der wichtiger ist, und das ist der ans Buch gebundene Preis“, sagte Sabine Manke vom Büchner-Verlag.

„Es freut mich, dass mit dem Preis kleinere Verlage mehr Relevanz bekommen. Und das Geld bedeutet natürlich auch etwas mehr Planungssicherheit“, äußerte Rita Fürstenau von Rotopol.

Für die stimmungsvolle musikalische Umrahmung der Feier sorgte das Gitarrenduo Amelie Sieben und Sebastian Mias.

JF

 

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