Am Donnerstagabend, 17. Oktober, wurde der diesjährige LiBeraturpreis feierlich an die aus Uruguay stammende Autorin Mercedes Rosende verliehen. Im Online-Voting im Juni war klar für die Autorin gestimmt worden.
Erstmals traf man sich zur Preisverleihung an einem neuen (alten) Ort, der Villa 102, dem ehemaligen Frankfurter Literaturhaus in der Bockenheimer Landstraße.
Katja Böhne, Leiterin Marketing und Kommunikation bei der Frankfurter Buchmesse, begrüßte die Gäste: „Es gibt noch immer Diskriminierung von Frauen, die allerdings subtiler funktioniert. Der LiBeraturpreis stellt sich seit über 30 Jahren dagegen und ist gleich auf zwei Schlachtfeldern tätig; er kümmert sich um außereuropäische und um Frauenliteratur.“
Anita Djafari, Geschäftsführerin von Litprom, Literaturen der Welt, war vom neuen Veranstaltungsort begeistert: „Es ist schön, in der Villa 102 zu sein und damit nicht so weit entfernt vom Ursprung des Preises, der viele Jahre lang in der Christuskirche verliehen wurde.“ Djafari hatte 1987 die Initiative LiBeraturpreis mitgegründet, die maßgeblich von Ingeborg Kaestner vorangetrieben wurde. Damals wollten die Engagierten nicht nur über Probleme in Afrika, Asien, der arabischen Welt und Lateinamerika diskutieren, sondern dabei auch auf die Entwicklung der Kultur schauen – und besonders auf die Rolle der Frauen. „Vor 30 Jahren passten die Novitäten aus diesen Ländern auf ein A4-Blatt. Inzwischen wurde Maryse Condé, die 1988 den ersten LiBeraturpreis erhielt, 2018 der Alternative Literaturpreis der Neuen Akademie verliehen“, sagte Djafari.
Die KFW unterstützte den LiBeraturpreis von Anfang an und stellte nun die von ihr sanierte Villa für die Festveranstaltung zur Verfügung.
Der Preis ist mit 3000 Euro dotiert. Seit drei Jahren fördert Yogi Tea den LiBeraturpreis und finanziert ein Schreibprojekt der Preisträgerin für Mädchen und Frauen in der Heimat der Ausgezeichneten. „Von Nguyen Ngoc Tu, die 2018 geehrt wurde, gibt es über diesen Workshop ein Buch“, berichtete Djafari.
Die Laudatio für Mercedes Rosende hielt Thomas Wörtche. Rosende wird für ihr Buch Krokodilstränen, 2018 auf Deutsch im Unionsverlag erschienen, geehrt. Peter Kultzen übersetzte den Roman.
„Alle männlichen Hauptfiguren sind Trottel, alle weiblichen sind clever und ausgekocht. So hat es den Anschein auf den ersten Blick“, begann Wörtche. Doch Rosende codiere ihre Figuren anders. Zudem seien lateinamerikanische Krimis längst eigenständig geworden, die Autorin arbeitet nicht nach Modellen – trotzdem geht der Roman auf. „Er ist ein aufklärerisches Statement“, sagte der Laudator.
Anita Djafari verlas die Begründung der Weltempfänger-Jury. Darin heißt es: „Aus einem Kindheitstrauma entsteht ein Psycho-Krimi. Die kleine Ursula ist esssüchtig. Ihr Vater erwischt sie, lässt sich nicht durch ihre ‚Krokodilstränen‘ beirren, sperrt sie ein. Sie wird sich rächen, trifft in Montevideo auf eine lächerliche Gang. Mit Verwechslung wird gespielt wie in einer Komödie. Der Leser wird dabei mit Augenzwinkern in das Konstrukt einbezogen. Ein Krimi zum Totlachen.“
Mercedes Rosende bedankte sich, die Übersetzung las Ingrid El Sigai. Auf unserem Planeten herrsche eine von Männern dominierte Ordnung, die Unterwerfung der Frau sei ein zu erwartendes Verhältnis. Genau das werde jedoch gerade hinterfragt. Das 21. Jahrhundert brachte ein neues Frauenbild hervor, beispielsweise die Figur der Rächerin Lisbeth Salander (David Lagercrantz).
„Ich wusste, was ich sagen wollte. Es ging um Frauen, die nicht gehorchen. Meine Hauptfigur Ursula ist dick, allein und gewalttätig – das hilft, ein neues Frauenbild in Erwägung zu ziehen.“ Rosende will ohne eine vordergründig eindeutige Haltung Stellung beziehen. Und das mit Humor. Sie will den Leser erreichen, ohne platte Witze zu erzählen.
„Der Text ist immer ein brutaler Offenbarungsakt“, sagte sie. Der Preis sei für die Anwältin und Journalistin Anreiz, weiter zu schreiben. „Es ist notwendig, die Schwächsten zu unterstützen. Litprom macht das“, stellte die Ausgezeichnete fest.
Im Gespräch mit Peter Kultzen und Corinna Santa Cruz wird deutlich: Dass Krokodilstränen auf Deutsch erschien, ist wesentlich Peter Kultzen mit zu verdanken. Er entdeckte den Roman auf der Buchmesse, las ihn und fand ihn fantastisch. Die deutsche Ausgabe ist die erste fremdsprachige Übersetzung.
Schwierig sei die Übersetzung nicht gewesen, zumindest nicht bei Slang-Ausdrücken, das gebe es schließlich in jeder Sprache. Eher Kopfzerbrechen machten Kultzen die Polizeidokumente. „In Montevideo war ich noch nie und bin gespannt, wie die Stadt tatsächlich aussieht“, sagte der Übersetzer.
Tatsächlich wird am 11. November 2019 eine Fortsetzung von Krokodilstränen auf Spanisch erscheinen. Weitere Romane von Rosende sind auch beim Unionsverlag geplant.
JF