Gerade eben hat Sabine Dörlemann das Zehnjährige ihres Verlags in Zürich gefeiert – und: „Dieser Verlag wird garantiert 100“, jubelte Autorin Felicitas Hoppe in ihrer Grußadresse page(/55408). Wie zur Bestätigung brach dann ein wahrer Preissegen über das kleine Editionshaus aus: Mit dem Frühwerk von Alice Munro hatte man zwei Bücher der aktuellen Nobelpreisträgerin im Programm – und kurz danach gewann Jens Steiner [mehr…] den Schweizer Buchpreis.
Dörlemann hat von Anfang an nicht nur auf ausgesuchte Autoren gesetzt, sondern auch stets auf hervorragende Ausstattung gesetzt – wer Dörlemann-Bücher kauft, hat viele schöne Leinen-Bände im Regal. Für Alice Munro wurde gar eine spezielle „Nobelpreis-Ausgabe“ [mehr…] hergestellt. BuchMarkt wollte wissen, wie ein so kleiner Verlag solche Herausforderungen meistern kann.
buchmarkt.de: Erst einmal herzlichen Glückwunsch zu dem Preissegen der letzten Wochen, der Ihren Verlag sozusagen mitten in den Feierlichkeiten zu seinem 10jährigen Bestehen ereilt hat. Wie fühlt man sich da als Verlegerin?
Sabine Dörlemann: Das ist wie Ostern, Weihnachten und Erdbeerkuchen auf einmal. Unbeschreiblich. Und besonders schön ist, daß sich so viele Buchhändlerinnen, Verlagskollegen, Autorinnen, Leserinnen und Agenten mit mir, mit uns freuen. Hier treffen Stapel von Glückwünschen, dazu Blumen, Wein und sogar ein selbstgebackener Kuchen ein. Wir sind überwältigt von so viel Anerkennung, Zuneigung und Solidarität.
Nun ist Dörlemann ein recht kleiner Verlag, wie reagiert man logistisch auf eine solche Herausforderung? Kommt man da mit dem wenigen Personal überhaupt aus?
Es hat sich wunderbarer Weise so ergeben, daß wir mit Anica Jonas seit ein paar Monaten eine sehr kompetente Vertriebsfrau mit im Boot haben. Ich habe also in diesem gerade jetzt so wichtigen Bereich rechtzeitig für Verstärkung gesorgt. Natürlich sind wir ein kleiner Verlag, aber wir arbeiten effizient und professionell und schaffen vielleicht gerade dank der Übersichtlichkeit und der kurzen Wege mehr, als man aufgrund unserer Größe vermuten könnte
Von Alice Munro haben Sie eine wunderschöne Leinen-Nobelpreis-Ausgabe herstellen lassen – andere Verlage hätten sich vielleicht mit einer, sagen wir, unaufwendigeren Ausstattungsvariante zufriedengegeben. Zahlt sich solcher Aufwand aus?
Unbedingt! Für mich ist es sehr wichtig, daß großartige Bücher auch eine schöne Ausstattung haben. Natürlich würden wir mehr Geld verdienen an Tanz der seligen Geister und Was ich dir schon immer sagen wollte, wenn wir die beiden Bände für die Nobelpreisnachauflagen einfacher ausstatten würden. Aber bei uns sind besonders schöne Bücher Programm und Nobelpreisträgerinnen gehören in meinen Augen erst recht in nobles und preiswürdiges Leinen ausgestattet.
Sie waren der einzige Schweizer Verlag, der auf der Shortlist zum Schweizer Buchpreis gestanden hat – und zwar gleich mit zwei Autoren: Henriette Vásárhelyi und dem schlußendlichen Sieger, Jens Steiner. Auch wenn sich Erfolge, wie wir wissen, leider nicht planen lassen: Nur Zufall kann es ja auch nicht gewesen sein…
Ja, Jens Steiners zweiter Roman Carambole hat den Schweizer Buchpreis 2013 erhalten. Er war bereits mit seinem ersten Roman Hasenleben auf der Longlist des Deutschen Buchpreises, mit Carambole ebenso. Mit der Schließung des Ammann Verlags ist in der Schweiz eine Lücke für zeitgenössische junge deutschsprachige Literatur entstanden, und die füllen wir gerne aus. Wir haben in den letzten Jahren große Anstrengungen unternommen, um sukzessive eine Liste neben den Klassikern aufzubauen. Daß wir als erster Schweizer Verlag mit Jens Steiner einen Buchpreis-Träger stellen, ist für die gesamte unabhängige deutschschweizer Verlagsszene ein positives Signal.
In einem anderen Interview haben Sie gesagt,daß der Erfolg auf der Spiegel-Bestsellerliste zunächst einmal ganz schnöde die Frage aufwirft: Wo treibt man das Geld für einen Nachdruck auf? Genau an dem Problem wäre in den 20er Jahren S. Fischer fast pleitegegangen, als Thomas Mann den Nobelpreis erhalten hatte und Fischer so ziemlich alle Druckereien des Landes beschäftigen mußte, um der Nachfrage Herr zu werden. Kann man heute in so einem Falle mit den eher kreditunwilligen Banken Gespräche führen?
Mit Banken – ich glaube, da kann man lieber nette Gespräche mit einem zufälligen Nachbarn auf einer Parkbank führen. Das ist lohnender. Verlage haben das schlechteste Rating und zahlen die höchsten Zinsen. Ich habe das Glück, Freunde zu haben, die in solchen Fällen ihr Geld lieber mir für ein kurzfristiges Darlehen zur Verfügung stellen, als es nahezu unverzinst auf dem Sparkonto ihrer Bank zu lagern.
Über wichtige Literaturpreise dürfte Ihr kleiner Verlag jetzt geschafft haben, daß er im deutschsprachigen Raum bei vielen Lesern ernsthafter Literatur ein Markenname genau dafür geworden ist.
Ein Markenname für Literatur zu sein ist ein großes Kompliment, allerdings beim Begriff ernsthafte Literatur zieht es mich sofort zu Bunbury aufs Land.
Von wenigen Ausnahmen abgesehen, hält sich das große deutsche Feuilleton mit Schweizer Belletristik-Verlagen eher zurück. Glauben Sie, daß man Ihren Verlag in den Redaktionsstuben jetzt etwas genauer im Auge hat?
Wir gehören zu den wenigen Ausnahmen. Wir machen ein internationales Programm und verstehen uns als einen deutschsprachigen Verlag mit Sitz in Zürich, der für diesen gesamten Sprachraum publiziert. Wir erzielen etwa 80 Prozent unseres Umsatzes in Deutschland und gerade darum betreiben wir eine sehr intensive Pressearbeit. Aber ich denke schon, daß unser Programm nach diesem wahren Preissegen noch mehr Beachtung finden wird.
Die Schweizer Verlage haben es auf dem deutschen Buchmarkt nicht zuletzt wegen der Euro-Schwäche schwer, und auch auf dem Schweizer Markt wachsen ihnen die Bäume auch nicht in den Himmel. Wo sehen Sie Ihren Verlag in zehn Jahren?
Mir ist es vor allem wichtig, auch in zehn Jahren, das machen zu können, von dem ich überzeugt bin: ein interessantes Programm mit vielen Entdeckungen präsentieren, auf Qualität setzen, die Augen und Ohren auch gegenüber technischen Neuerungen offen halten und vor allem für unsere Autorinnen und Autoren eine möglichst große Leserschar gewinnen.
Da viele Leser Henriette Vásárhelyi und Jens Steiner sicher noch nicht so gut kennen wie z.B. Alice Munro – was hat Sie überzeugt, diese beiden Autoren zu drucken? Oder andersherum gefragt: Warum muß man diese beiden Bücher unbedingt lesen?
Sowohl Henriette Vásárhelyi als auch Jens Steiner sind originäre Stimmen, jede auf ihre ganz eigene Art. Henriette Vásárhelyis Debüt immeer, ein Roman über den Verlust eines geliebten Menschen, ist ruppig, traurig, rotzig und von großer sprachlicher Kraft und Intensität. Man kann sich ihm nicht entziehen. Ein Buch für das gefrorene Meer in uns, wie Kafka es einmal in einem Brief an Max Brod gefordert hat.
Jens Steiners Carambole. Ein Roman in zwölf Runden ist ein – wie der Titel schon verheißt – spielerisches Buch. In verschiedenen Stimmen, die sich gleich einem Puzzle zusammenfügen, erzählt Steiner vom sozialen Gefüge Dorf, das sich in unserer Zeit rasend verändert. Er tut dies ruhig, gelassen, ja fast kühl, gleichzeitig legen die Figuren einen rechten Sarkasmus an den Tag, der in absurden Situationen auf die Spitze getrieben wird. Als Leserin bleibt einem da das Lachen im Halse stecken.
Dann empfehlen wir doch allen diese beiden Bücher zu lesen und danken für das Gespräch.
Die Fragen stellte Ulrich Faure