Der andere Fragebogen Wie war Ihr Jahr, Ulrike von Stenglin?

Seit Nikolaustag fragen wir wieder bis zum 6. Januar 2024 (Heilige Drei Könige) in der Buchbranche herum: „Wie war Ihr Jahr?“. Heute beantwortet Ulrike von Stenglin  (Verlegerin Gutkind Verlag) unseren „anderen“ Fragebogen: 

Ulrike von Stenglin

Welcher Tag war Ihr schönster diesem Jahr?

Am ersten September habe ich mit dem Aufbau des Gutkind Verlags begonnen. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, ganz neu anzufangen.

Worüber haben Sie sich 2023 am meisten geärgert?

Ärgern ist zu schwach als Ausdruck für die Wut und auch gewisse Ohnmacht, die ich empfinde über den offen zutage tretende Hass gegen jüdische Menschen in Deutschland seit dem 7. Oktober. Wir müssen mit aller Macht dagegen ankämpfen.

Was war 2023 Ihr schönster Erfolg?

Alle Erfolge sind Teamarbeit.

Und Ihr traurigster Misserfolg war?

Jedes Buch, das (zu) wenige Lesende erreicht, schmerzt.

Ihre schönste Buchhandlung/Ihr liebster Verlag in diesem Jahr?

Buchhandlungen sind wichtige Orte der Begegnung. Literaturensohn hat in Berlin Mitte einen besonders schönen Raum dafür geschaffen. Außerdem habe ich dieses Jahr die auf Comics und Graphic Novels spezialisierte Buchhandlung Grober Unfug in Mitte für mich entdeckt. Reprodukt macht seit Jahren so viele tolle grafische Bücher, in Zeiten von teurem Papier und gestiegenen Druckkosten ist es sicher nicht einfacher geworden. Und sie bringen so wichtige Werke wie das von Kate Beaton heraus.

Von welchem Thema wollen Sie (warum) im kommenden Jahr nichts mehr lesen?

Gendern, Sensitivity Reading, Triggerwarnungen etc. Es gibt echt andere Probleme.

Und über welches Thema wollen Sie mehr lesen?

Es ist unvermeidlich, dass wir uns mehr damit beschäftigen, wie wir die großen Krisen unserer Zeit bewältigen. Alice Hasters hat mit “Identitätskrise” ein wichtigen Beitrag dazu geschrieben, der die persönlichen Verunsicherungen aus gesellschaftlicher Perspektive seziert.

Welchen Fehler aus diesem Jahr möchten Sie im kommenden Jahr vermeiden?

Aufwendig Bücher zu produzieren, die nur wenige Menschen erreichen.

Und welchen Fehler werden Sie trotzdem wiederholen?

Aufwendige Bücher zu produzieren, die nur wenige Menschen erreichen.

Welches Buch hat Ihnen in diesem Jahr besonders viel Freude gemacht?

Endlich habe ich das Meisterwerk “Maus” von Art Spiegelmann gelesen – leider fühlt es sich nicht so historisch an. Die Paranoia von “The Shards” von Bret Easton Ellis war wie ein Fiebertraum. Beruflich habe ich unglaublich viele tolle Texte gelesen, manche wie Laetitia Lenels kluges Debüt “Eine liebe Frau” kommen nächstes Jahr, andere wie der queere Roman “Was ich über dich weiß” des Québécois Éric Chacour leider erst 2025.

Welches wird Ihr wichtigstes Buch im neuen Jahr?

Alle unsere Bücher sind wichtig für uns. Ich freue mich auf Sabin Tambreas Familienroman “Vaterländer”, auf das feminist retelling “La Louisiane” von Julia Malye, auf Marcel Moses smarte psychologische Anleitung für die “Generation Toxic”, auf ein Memoir von Delia Owens über ihr Leben in der Kalahari in Botswana, dass sie vor 40 Jahren zusammen mit ihrem damaligen Mann Mark geschrieben hat.

Von wem würden Sie gern auch mal die Antworten auf diesen Fragebogen lesen?

Von den Kolleginnen von Lyx, sie scheinen einen guten Humor zu haben und machen tolle Arbeit.

Welche Frage, die wir nicht gestellt haben, hätten Sie eigentlich gern beantwortet?

Wie schauen Sie in die Zukunft?

Hier können Sie die auch beantworten:

Trotz allem: optimistisch.

Gestern antwortete Oliver Lange, morgen fragen wir Vera Corsmeyer

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