Im Herbst wird der Buchhandel ganz im Zeichen von Simenon stehen: Zusammen mit dem Kampa Verlag hat Hoffmann und Campe im letzten Jahr mit der Neuausgabe seiner Werke begonnen. Jetzt startet die Edition auch im Taschenbuch – mit über 160 Titeln! Das war Anlass für Fragen an HoCa-Verlagsleiterin Birgit Schmitz:
BuchMarkt: „Die besten Tage beginnen mit einem Buch“ heißt der Slogan auf dem Plakat zu Ihrer Buchhandelsaktion zum Start Ihrer Simenon-Gesamtausgabe im Taschenbuch. Was macht Simenon für Sie so besonders?
Birgit Schmitz: Besonders macht Simenon, dass wohl jeder seiner Fans eine andere Antwort darauf gibt. Für mich ist es die erzählerische Qualität, die ist in dieser Quantität wohl sehr selten anzutreffen.
Ist das nicht ganz schön mutig, über 160 Taschenbücher in acht Jahren herauszubringen?
Wenn Sie jetzt nachrechnen, kommen Sie schon auf eine der ersten Entscheidungen, die wir treffen mussten: Das sind zwei Bücher pro Monat.
Hatten Sie wirklich keine Zweifel?
Jetzt da die ersten Bücher erschienen sind, sieht alles ganz leicht aus, was wahrscheinlich an der so schönen Ausstattung liegt. Aber am Anfang hatten wir alle mächtigen Respekt davor. Unser Verleger Thomas Ganske hat uns ermutigt, dass wir einen ganz neuen, eigenen Weg gehen sollen. Und es gab in Daniel Kampa und John Simenon weitere Verbündete bei diesem Jahrzehnt-Projekt. Ein langes Gespräch mit meiner Kollegin bei Penguin in London über ihre Erfahrungen mit der Neuedition von Georges Simenon (sie sind uns schon fünf Jahre voraus) machte dann zwei Dinge sehr deutlich: Zum einen darf man sich nicht von der schieren Größe des Werks zu sehr beeindrucken lassen und zum anderen musste es eine Lösung dafür geben, dass die bisherige Rezeption immer zwischen den Romanen mit Maigret und ohne Maigret unterschieden hat. Das ärgerte die Engländer…
… und Sie nicht?
Uns gab es den Mut, einen radikal neuen Weg einzuschlagen und in der Gestaltung nicht mehr zu unterscheiden. Die Leser erkennen ja am Titel sofort, dass es sich um einen Maigret handelt. Alles andere sollte ausstrahlen, dass wir es hier mit einem der besten europäischen Erzähler zu tun haben.
Und der Markt ist nicht schon verstopft mit HC und CD?
Im Gegenteil möchte ich fast sagen. Es ist Zeit für eine moderne Taschenbuch-Edition, die durch ihre Optik ganz neue und vor allem jüngere Zielgruppen anspricht. Als die Agentur Rothfos und Gabler die ersten Entwürfe präsentierte, konnten wir es selbst kaum glauben, was für Möglichkeiten wir haben. Es gab illustrierte Umschläge, klassische und ausgefallene. Die Entscheidung war nicht leicht, doch das moderne, schlichte, aber selbstbewusste Design hat uns letztlich überzeugt.
Und wie kriegt man man das handwerklich hin?
Danach begann aber erst recht die Arbeit für die Agentur. Alles musste geprüft werden: Gab es genug stimmungsvolle Fotos? Wie wirkt das alles in Farbe? Passten alle Titel auf den Rücken? Wo bringen wir die Bandnummer unter? Jetzt liegen die Bücher vor mir und ich kann mir nicht vorstellen, dass man diese nicht gern in seinem Regal stehen hat.
Sie wirken selbst richtig begeistert vom Ergebnis?
Ja, ich habe mich von der Begeisterung der Kollegen ansteclen lassen, das macht so manche Anstrengung vergessen. Schnell war nicht nur Patrick Gabler ein großer Simenon-Fan und stürzte sich in die Bildrecherche, Stefanie Karkheck von der Marketingagentur Hickory Tree begann mit den Plänen für die Social Media-Kampagne und sprühte nur so vor Ideen. Es gab Zeiten im Verlag als alle Abteilungen mit der Edition zugange waren. Überall wurde irgendetwas organisiert, abgestimmt, entworfen oder gedruckt. Mit diesem Gefühl sind wir dann auf eine längere Tour gegangen und haben in sieben Städten Buchhändler-Abende veranstaltet. Auch hier machten die Reaktionen wiederum Mut. Es gibt bei Simenon so vieles zu entdecken und häufig genug trifft man auch noch Simenon-Novizen. Für die vor allem gibt es die Microsite #monSimenon, auf der ein Rezensionsmarathon stattfindet und verschiedene Gewinnspiele, eine große Social-Media-Kampagne und immer wieder Marketing Peaks, mit denen wir die Edition weiter begleiten. Wir werden uns da jeden Monat etwas Besonderes ausdenken und jedes einzelne Buch begleiten.
Und was bekommt der Buchhandel nun alles geliefert?
Unterstützen wollen wir die Buchhändler mit einem hochwertigen Holzdisplay, einem Simenon-Tischaufsteller, Regalstoppern, Plakaten, Aufklebern und süße Buttons als Give Away für Endkunden. Es gibt wunderschöne Sammlerkarten im Look nostalgischer Bücherei-Ausleihkarten, die der Buchhändler an seine Kunden weitergeben kann – da sieht man, was man schon gelesen hat, aber auch was alles noch kommt. Hoffentlich gib es viele Kunden, die jeden Monat ihre beiden neuen Simenons abholen. Das wäre großartig.
Ihr Gefühl jetzt?
Ein wenig fühlen wir uns überwältigt davon, wie viel bewegt wurde und wie sehr uns der Buchhandel unterstützt. Das macht wohl am allermeisten Mut. Ansonsten fürchte ich, dass wir eine Lesedroge auf den Markt gebracht habe. Mehr als einmal habe ich jetzt schon gehört: Dank eurer Kampagne habe ich meinen ersten Simenon gelesen, jetzt habe ich schon den dritten durch. Es vergeht auch keine Woche, dass ich nicht mit einem der Nachwort-Schreiber oder Schauspielern, die für uns Simenon lesen sollen, lange Gespräche führe, was sie an Simenon schätzen und warum er aus ihrem Leben nicht weg zudenken ist.
Und mit welchem Roman würden Sie Ihre Simenon-Sammlung und Lektüre starten?
Eine beliebte Frage, wofür ich mir wohl 160 verschiedene Antworten überlegen kann. Fangen Sie einfach mit den ersten Acht an und wenn die Tage dunkler und kürzer werden, ist es an der Zeit für Der Schnee war schmutzig. Das ist ein Stück Weltliteratur.
Die Fragen stellte Christian von Zittwitz