Wer Ostern beim Öffnen des Vorhangs erneut mit Schnee konfrontiert wurde, dem können wir versichern: Es gibt ihn, den Frühling, wir haben ihn in Bologna gesehen. Die 55. Internationale Kinderbuchmesse vom 26. bis zum 29. März bot Sonne, die immer genossen wurde, wenn sich ein Termin nach draußen verlegen ließ. Und da die deutschen Aussteller diesmal in Halle 21 platziert wurden, die Fensterfronten statt Wellblech zu bieten hat, steigerte bereits der Blick nach draußen die Laune. Sehr zufrieden zeigte sich das Team der Frankfurter Buchmesse, das in Kooperation mit der Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen (avj) den Deutschen Gemeinschaftsstand organisierte, von dem aus in wenigen Schritten der Innenhof zu Halle 22 zu erreichen war. Nächstes Jahr kann alles schon wieder anders sein, die abgerissene Halle 30 wird wieder aufgebaut, aber da werden sie doch sicher an die Fenster denken?
Worüber wurde gesprochen auf dieser Messe? Vor allem darüber, wie wir den Rückgang der Buchkäufer aufhalten können, wie insbesondere Jugendliche den Spaß am Lesen behalten bzw. entdecken können. Der Feind des gedruckten Buches ist nicht das E-Book, wie die avj-Vorsitzende Renate Reichstein beim traditionellen Empfang am Messevorabend in Erinnerung rief. Dort sind die Umsatzanteile deutlich überschaubarer geblieben als sie einst prognostiziert wurden.
Was aber unterschätzt wurde, ist der Kult, der sich um Netflix aufgebaut hat – und der durch den jederzeit möglichen gesellschaftsfähigen Konsum von einer Serienfolge nach der anderen das Zeitbudget für die Lektüre erheblich schmälert. Verteufeln lässt sich das nicht – in seltenen Fällen wie bei Tote Mädchen lügen nicht (cbj) führt es sogar zu steigenden Buchverkäufen. Aber es fehlt vielleicht das eine Kinder- oder Jugendbuch, das Lesen wieder zum Gesellschaftsphänomen macht – in diesem Jahr feiert Carlsen 20 Jahre Harry Potter in Deutschland.
Dabei äußern sich einige Lektorinnen durchaus positiv über das Jugendbuchangebot, insbesondere darüber, was die USA in Bologna anzubieten haben. All die potenziellen Leserinnen und Leser ab zwölf Jahren sind ja keine Couch Potatoes, die gleichgültig auf das Weltgeschehen blicken. Die Demonstrationen von amerikanischen Schülern gegen die Waffenlobby, die am Samstag vor der Messe stattgefunden haben, beeindrucken nachhaltig. Kein Wunder also, dass das Jugendbuch wieder politischer wird – und feministischer.
Was uns zunächst einmal in diesem Herbst in Deutschland erwartet? Diese Titel sind uns aufgefallen, bilden aber nur einen kleinen Ausschnitt aus einer gewohnt großen Programmfülle ab.
Das Bilderbuch – vier Tage lang das Zentrum von Bologna
Er wurde einst von NordSüd-Verleger Herwig Bitsche in Bologna entdeckt und hat seither große Erfolge im Bilderbuch gefeiert: Torben Kuhlmann. In diesem Jahr ist er nicht nach Italien gereist, sondern sitzt an der Fertigstellung seines neuen Buchs, das wieder eine Maus als Protagonist hat: Edison wird wieder ein umfangreiches Werk mit 128 Seiten, auf das man sich ordentlich freuen kann.
Außerdem bei NordSüd: Eine überaus witzige Geschichte von Mac Barnett, die Jon Klassen illustriert hat: Der Wolf, die Ente und die Maus – die Maus entdeckt mit Hilfe der Ente, dass es gar nicht so schlimm ist, vom Wolf verschluckt zu werden – solange man nicht gefressen wird. Und ein neuer Oliver Jeffers: Die Arbeiten an Hier sind wir. Anleitung zum Leben auf der Erde hatte er begonnen, als sein Sohn zwei Monate alt war.
Nur ein paar Tage älter ist jetzt der Sohn von Joëlle Tourlonias, und trotzdem hat sie gerade den vierten Hummel Bommel-Band für arsEdition fertig illustriert, staunt ihre Lektorin Katharina Becker. Hummel Bommel und die Zeit wird er heißen. Am Stand gibt es einen großen Tisch, man könnte fast sagen Altar mit den Hummel Bommel-Büchern, und auf die Illustratorin kommen wir gleich noch mal zurück.
Ein besonderes Highlight verspricht uns Cornelia Hjladej, Leiterin des Nilpferd-Programms. Endlich ein neues Buch von Stella Dreis! Sie ist auch nicht in Bologna, sondern arbeitet an ihrem Bilderbuch Der Bärenvogelschatz – die ersten Illustrationen, die wir zu Gesicht bekommen, steigern die Vorfreude.
Über den anhaltenden Erfolg von Daniela Drescher, die mit 35 Titeln im Programm von Urachhaus vertreten ist, freut sich Programmleiter Michael Stehle. Auf das Vorlesebuch Giesbert in der Regentonne folgt der zweite Band Giesbert hört das Gras wachsen, und zu den Figuren Pippa und Pelle aus dem Pappbilderbuchprogramm wird es ab August Puppen von Käthe Kruse geben. Auch neu: Wer hat den Schnee gestohlen von Yaroslava Black mit Bildern von Ulrike Jänichen.
Erfolgreich laufen auch die Pappen von Susanne Straßer im Peter Hammer Verlag. Verlegerin Monika Bilstein kann im Herbst einen neuen Band präsentieren: Ein Wal nimmt ein Bad – aber auch diesmal wollen viele andere Tiere mitmachen. Des weiteren wird es ein SorTIERbuch von Ann Cathrin Raab geben. Und auf das bereits erschienene Ellington konnte Monika Bilstein in Bologna mit Autorin Marlies Bardeli und Illustratorin Ingrid Godon anstoßen, das Foto hat Agentin Paula Peretti gemacht, die das Projekt vermittelte. Von Ingrid Godon wird es einen weiteren Band mit Toon Tellegen bei mixtvision geben. Nach Ich wünschte und Ich denke kommt nun Ich sollte.
Gerstenberg bereitet sich auf den 70. Geburtstag von Rotraut Susanne Berner vor, es wird eine Ausstellung im Wilhelm Busch Museum in Hannover (18. August bis 18. November 2018) geben, zu dem die Hildesheimer den Katalog unter dem Titel Sammel & Surium liefern. Zwölf Kapitel geben einen Eindruck von der Werkschau, dazu kommen Texte von Benedikt Erenz und Axel Scheffler. Eine weitere Ausstellung wird in der Internationalen Jugendbibliothek in München zu sehen sein (10. Juni bis 2. September 2018): Stuben & Tiger zeigt (juchhu!) Katzenbilder der Künstlerin. Und im Bilderbuchmuseum auf Burg Wissem in Troisdorf gibt es eine Ausstellung zu den Tollen Heften, die im Rahmen des Workshops der Stiftung Illustration (7. bis 9. September) am 8. September eröffnet wird. Die Illustratorin Julia Neuhaus arbeitet mit Museums-Direktorin Pauline Liesen und Paula Peretti am Workshop-Programm und wird das Ganze moderieren.
Die Hans Christian Andersen-Ehrenmedaillen gingen in diesem Jahr an die japanische Schriftstellerin Eiko Kadono und an den russischen Illustrator Igor Oleynikov. minedition-Verleger Michael Neugebauer arbeitet derzeit an einem Bilderbuch mit Igor Oleynikov, das Ergebnis werden wir im kommenden Jahr in Augenschein nehmen können. Auf der Shortlist mit sechs Kandidaten bei den Illustratoren stand übrigens auch Linda Wolfsgruber, die wieder nach Bologna gereist war. Gerade ist von ihr im Kunstanstifter Verlag das wunderschöne Eissterne im Sommer nach einem Text von Anna Rottensteiner erschienen, im Herbst kommt bei Gerstenberg ein Buch über Jesu Geburt nach Versen von Cornelia Boese: Maria, Josef und das Kind.
Bei minedition wiederum sind wir gespannt auf Jonas Lauströers Interpretation des Elefantenkindes von Rudyard Kipling, außerdem wird es ein neues Buch von Kveta Pacovska geben, die im Juli 90 Jahre alt wird.
Neue Talente sind auch zu entdecken (s.a. der Artikel „Profis mit Profil“ im BuchMarkt 3/2018): Zum Beispiel bei Baumhaus: Lauras Stern-Erfinder Klaus Baumgart hat als Design-Professor in Berlin eine Klasse einen Text von Sophie Schoenwald illustrieren lassen. Aus 27 Varianten wurde die von Johanna Becker ausgewählt – sie erscheint unter dem Titel Schieb den Wals zurück ins Meer!
Karolina Benz hat ihr Studium an der HAW abgeschlossen und studiert derzeit bildnerische Erziehung und textiles Gestalten auf Lehramt in Wien. Mit ihrer Bilderbuch-Idee Der blaue Fuchs hatte sie 2016 den zweiten Platz beim Ravensburger Talentwettbewerb illu belegt, im Herbst erscheint das Ganze als Buch. Ein Garten für alle von Laura Bednarski, die auf dem ersten Platz landete, ist in diesem Frühjahr herausgekommen und wurde in Bologna Lizenzpartnern schmackhaft gemacht.
Es sind die Illustratoren, die die Kinderbuchmesse in Bologna so bereichern. Zahlreiche Studierende wie auch erfahrene Künstler reisen nach Italien, sei es, um ihre Mappen zu präsentieren, Kollegen zu treffen oder/und die internationalen Produktionen zu sichten. Die schöne Stadt inspiriert auch und besonders außerhalb der Messehallen im historischen Zentrum, wo man nicht selten Menschen mit Skizzenheften trifft. Übrigens hat die Messe einen neuen optischen Auftritt erhalten, der von der 23-jährigen Pariser Illustratorin Chloé Alméras gestaltet wurde, die dafür aus der letztjährigen Illustratoren-Ausstellung ausgewählt wurde: floral, luftig, einladend. Die diesjährige Schau im Zentrum der Messe präsentiert wieder Talente aus aller Welt, aus Deutschland sind diesmal Franziska Blinde, David Czinczoll, Catherine Kuhlmann (mit Bildern aus Der Club der Mutigen, Bohem Press) und Alexandra Rügler vertreten.
Und es ist wieder unterwegs und verbreitet gute Laune! Wie schon im vergangenen Jahr, aber in neuer Formation – das Familienzimmer. Diesmal aus dem oben erwähnten guten Grund ohne Joëlle Tourlonias … Um den Trennungsschmerz ein wenig zu kompensieren, haben Alexandra Helm, Judith Allert (die einzige Autorin im Ensemble), Markus Lefrançois und Robert Scheffner die Adresse gewechselt und vier weitere Kollegen in die WG aufgenommen: Annemone Kloos, Stefanie Reich, Franziska Walther und Marek Bláha. Obwohl sich nicht alle vorher persönlich kannten, habe auch das neue Familienzimmer super funktioniert, versichern alle; Post an Joëlle ist unterwegs. So feiert man Bologna richtig.
Das Kinderbuch – u.a. mit dem Thema Mobbing
Seit Jahren kalkuliert der Handel den neuen Band von Gregs Tagebuch als feste Größe im Weihnachtsgeschäft ein. Und das soll auch so weitergehen. Jeff Kinney war kurz in Bologna, um den Lizenznehmern den 13. Band anzukündigen – das Cover ist noch nicht fertig, deshalb steht der Titel noch nicht fest, ist aber alles in Arbeit, kann Verleger Bodo Horn-Rumold gelassen verkünden.
Einen Comic von Philip Waechter verspricht Beltz & Gelberg für den Herbst. Toni. Alles nur wegen Renato Flash für Leser ab sechs Jahren erzählt in neun abenteuerlichen Episoden, was Toni und seine Freunde alles anstellen, um das nötige Geld für die traumhaften Fußballschuhe von Renato Flash zusammenzukriegen. Meist geht’s schief, aber Weihnachten naht!
NordSüd-Lektorin Katja Alves sichtet in Bologna Illustratoren-Mappen, ist aber seit langem schon auch als Autorin unterwegs. Bei Arena feiert sie fünf Jahre Muffinclub, neu kommt Die kleine Eulenhexe.
Vorlesen ist großes Thema – Eltern entdecken zunehmend, wie viel Spaß die gemeinsame Lektüre macht, genießen die gemeinsame, handystille Zeit mit Kindern und Geschichten und sind bereit, für schöne Bücher Geld auszugeben. Arena feiert in diesem Segment u.a. mit Snöfrid von Andreas H. Schmachtl Erfolge, die sympathische, eigenbrötlerische Figur gibt es bald auch für Leser ab sieben Jahren in neuem Format.
Bei dtv junior startet man ein kleines, feines Vorleseprogramm, einer von drei Titeln stammt von Alex Rühle und wird illustriert von Axel Scheffler: Zippel, das einzig wahre Schlossgespenst.
Moritz-Verleger Markus Weber pflegt seine Reihe der Bücher für alle, die schon gerne selber lesen. Der Band Viele Grüße, deine Giraffe von Megumi Iwasa und Bildern von Jörg Mühle ist für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert, im Herbst kommt ein zweiter Band. Mit Mathilde Coffy von Bonniers in Stockholm hat Markus Weber in Bologna den Lizenzvertrag für den sechsten Dunne-Band von Rose Lagercrantz und Eva Eriksson unterschrieben, der unter dem Titel Glücklich ist, wer Dunne kriegt bereits im Juli erscheinen wird.
Jörg Mühle wiederum hat für Carlsen das neue Buch von Ulrich Hub bebildert, Das letzte Schaf: Die Weihnachtsgeschichte, aus der Perspektive des letzten Schafs der Herde geschildert. Der Autor macht sich im November auf Lesereise – noch soll es Termine geben für Buchhandelsveranstaltungen für einen besonderen Akzent im vorweihnachtlichen Programm für Kinder aller Altersklassen.
Ganz besonders beschäftigt Renate Herre, verlegerische Geschäftsführerin des Carlsen Verlags, aber derzeit die Vorbereitungen für das Harry Potter-Jubiläum – vor 20 Jahren erschien der erste Band in deutscher Übersetzung. U.a. beschäftigt sich die diesjährige Tutzinger Tagung unter dem Motto „Die Magie des Erzählens“ mit dem Phänomen. Aber auch in Richtung Handel wird es einige Überraschungen geben, die Information liefern wir dann in Kürze nach.
Ute Krause hat ein neues Kinderbuch für Leser ab neun Jahren geschrieben, Theo und das Geheimnis des schwarzen Raben erscheint bei cbj. Rüdiger Bertram erzählt bei Coppenrath Jules Vernes Geschichte neu: In 8 Tagen um die Welt – Alexandra wettet mit Tobi, dass sie das schafft und nimmt ihn als Zeugen mit.
Bei Fischer KJB ist man stolz auf die Autorin Valija Zinck. Nach Penelop kommt Drachenerwachen für Kinder ab zehn, ein Abenteuer in zwei Bänden, der zweite soll im Frühjahr 2019 folgen. Cornelia Funke lobt das neue Talent, und auch Valija Zinck steht für Lesungen zur Verfügung, zuletzt hat sie ihr Publikum in Leipzig begeistert.
Silke Lambeck kennen viele noch von ihren Herr Röslein-Geschichten – Gerstenberg-Verlagsleiterin Daniela Filthaut möchte der Autorin gern eine neue verlegerische Heimat in Hildesheim bieten. Starten wird man mit dem neuen Titel Mein Freund Otto, das wilde Leben und ich, der von Barbara Jung illustriert ist: Matti und Otto wohnen im hippen Berlin, gehen zum Yoga und spielen Klavier. Matti hat die Lachsucht und Otto kann nicht singen. Vielversprechend.
Ebenso wie das neue Buch von Astrid Frank mit Illustrationen von Regina Kehn bei Urachhaus. Michael Stehle sagt: „Nachdem wir mit Astrid Franks Unsichtbare Wunden, einem Jugendbuch zum Thema Mobbing, viel Erfolg hatten und ihr zweites Buch, Enno Anders, ein Kinderbuch zum Thema Hochsensibilität, ebenfalls illustriert von Regina Kehn, mit dem Zürcher Kinderbuchpreis ausgezeichnet wurde, legt sie jetzt mit Uli Unsichtbar ein Buch für jüngere Leser/innen ab acht Jahren zum Thema Mobbing vor, in dem Uli 1 (Ulrich) nach einem Schulwechsel schnell damit konfrontiert wird, dass ein Neuanfang nicht gleichbedeutend mit einer Verbesserung ist, bis Uli 2 (Ulrike) neu in seine Klasse kommt und sich dadurch neue Perspektiven eröffnen.“ Wir konnten schon einen Blick auf den ersten Cover-Entwurf werfen, das wird ein Hingucker.
Das Thema Mobbing hat auch Britta Teckentrup bearbeitet, auf die ihr ganz eigene Art. Die Schule lautet der Arbeitstitel ihres neuen Werks bei Jacoby & Stuart. Die Illustratorin und Autorin war wieder auf der Messe unterwegs und konnte zum Beispiel bei Hachette eine große Wand mit ihrer Illustration betrachten. Viele ihrer Bilderbücher erreichen das deutsche Publikum als Lizenzen, so auch Die kleine Maus und die große Mauer, im Herbst bei arsEdition. Für Das Ei (Prestel) konnte sie eine lobende Erwähnung bei den Bologna Ragazzi Awards einheimsen.
Und die Lyrik wird gefeiert: Bei mixtvision wird es die Tiergedichte-Anthologie Ein Nilpferd steckt im Leuchtturm fest geben, entstanden in Zusammenarbeit mit der IJB, dem Lyrikkabinett und der Deutschen Akademie für Sprache, u.a. illustriert von Nadia Budde und Regina Kehn.
Am Freitag Nachmittag vor der Messe erreichte die Branche die Nachricht, dass Markus Niesen den Hummelburg Verlag als Imprint des Ravensburger Buchverlags startet – im Herbst 2019 soll das erste Programm stehen. So war Markus Niesen für zwei Tage nach Bologna gereist und konnte ein wenig mehr über seine Pläne verraten. Mit dem neuen Konzept wolle er sich auf das Verlegerische konzentrieren und mit deutschsprachigen Autoren arbeiten. Im Namen Hummelburg steckt zum einen der Hamburger Gruß „Hummel Hummel“, zum anderen ist „Burg“ Bestandteil von Hamburg und Ravensburg. Das besondere Kinderbuch möchte Markus Niesen mit acht Titeln pro Halbjahr präsentieren, es solle aber auch die Kinder erreichen – „da ist es toll, bei Ravensburg im Vertrieb zu sein.“ Derzeit sucht er Räumlichkeiten in Hamburg und möchte das Projekt mit zwei Mitarbeitern stemmen.
Auch die kurz nach der Leipziger Buchmesse bekanntgegebene Ankündigung, dass Aladin nach dem Ausscheiden von Klaus Humann bei Thienemann Esslinger als Imprint weiterlaufen soll, ist immer wieder Gesprächsthema in Bologna. Thienemann Esslinger-Verlegerin Bärbel Dorweiler sieht in der Konzernentscheidung viele Anknüpfungspunkte an ihre vorherige Tätigkeit bei Querido: Dort hatte sie bereits Künstler wie Shaun Tan und Kitty Crowther veröffentlicht. Aladin solle eine eigene Vorschau bekommen und mit etwa vier bis fünf Bilderbuchtiteln pro Halbjahr fortgeführt werden, da die Backlist nur funktioniere, wenn man auch neue Titel mache, erklärt sie. Das neue Segment soll vom bestehenden Thienemann Esslinger-Team betreut werden, mit Svenja Drewes hat man ungeplant seit zweieinhalb Jahren eine Kollegin im Haus, die die Backlist bestens kennt. Und ansonsten fiebert man in Stuttgart dem Jubiläum von Otfried Preußlers Räuber Hotzenplotz entgegen, auch dazu werden wir noch Informationen nachliefern.
Das Jugendbuch – es wird wieder gesellschaftspolitischer
Apropos Shaun Tan: Aladin hat das neue Buch des ALMA-Preisträgers eingekauft, Reise ins Innere der Stadt ist ein Grenzgänger, der möglicherweise auch im Erwachsenen-Bereich zu platzieren ist. Bei der Verkündigung der diesjährigen ALMA-Preisträgerin Jacqueline Woodson sorgten nicht nur technische Pannen für fragende Blicke im Auditorium. Die 1963 geborene amerikanische Autorin ist in Deutschland bislang kaum publiziert, vielleicht wird sich das nun ändern. Erstmal hat sie rund 500.000 Euro gewonnen.
Loewe-Programmleiterin Jeannette Hammerschmidt ist stolz auf die Nomierung von Karl Olsberg mit Boy in a White Room zum Deutschen Jugendliteraturpreis, ein neuer Titel von ihm folgt im Herbst: Girl in a Strange Land. Auch eine neue Ursula Poznanski wird es geben.
Stefanie Höfler hat gerade für Tanz der Tiefseequalle (Beltz & Gelberg) den Jahres-LUCHS in Leipzig erhalten, ist dafür nach Mein Sommer mit Mucks erneut für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert und legt nun ihr drittes Buch nach, das eigentlich ihr zweites ist: Der große schwarze Vogel. Darin erzählt sie, wie Ben, sein kleiner Bruder Krümel und der Vater die ersten Tage nach dem Tod der Mutter erleben.
Bei Thienemann kommt ein neuer Titel des ebenfalls nominierten Davide Morosinotto – auf Italienisch heißt er La sfolgorante luce di due stelle rosse und spielt im Russland zur Zeit des Zweiten Weltkriegs: Zwei Geschwister werden in einen Zug gesetzt, um der Belagerung Leningrads zu entkommen und verlieren sich.
Arena-Verlagsleiterin Alexandra Borisch erzählt, dass man lange mit dem Cover für das neue Buch von Katja Brandis gerungen, nun aber sehr glücklich mit der Lösung ist: Khyona. Im Bann des Silberfalken spielt in Island.
Ravensburger bringt eine neue Julie Leuze: Das Glück an meinen Fingerspitzen erzählt von der 17-jährigen Jana, die nach einem schlimmen Erlebnis weg will von zu Hause und vor allem von den Social-Media-Kanälen. In der kanadischen Wildnis, wo ihr Onkel lebt, wartet ein großes Abenteuer auf sie – und eine Liebesgeschichte.
Oetinger-Verlegerin Julia Bielenberg berichtet von einer Marktanalyse, die man gemacht habe, um die Profile von Oetinger und Dressler zu schärfen. Bei Dressler sollen die literarischeren Titel für Leser ab acht Jahren erscheinen, Oetinger bleibt Vollanbieter für alle zwischen 0 und 18 Jahren. Spitzentitel bei Dressler wird Hazel Wood von Melissa Albert.
Und dann wird es gesellschaftspolitisch im Jugendbuch. Dem Thema häusliche Gewalt werden wir bei cbj in Amy Giles’ Jetzt ist alles was wir haben begegnen. Bei Carlsen erscheint im August Du wolltest es doch, der zweite Roman der vielfach ausgezeichneten irischen Autorin, Feministin und Journalistin Louise O’Neill (und ihr erstes Buch in deutscher Übersetzung): „ein harter, klarer Text über die zutiefst erschütternden Auswirkungen von sexuellem Missbrauch und Vergewaltigung, über den Umgang mit den Opfern und den Umgang der Opfer mit dem, was ihnen angetan wurde ab 16 Jahren“, wie der Verlag ankündigt. Die New York Times schrieb: „Seid tapfer. O’Neills Roman ist erschreckend, aber auch packend und unverzichtbar wichtig.“
rotfuchs-Programmleiterin Christiane Steen hat nach der vergangenen Frankfurter Buchmesse ein Jugendbuch eingekauft, das ihr besonders am Herzen liegt und schon im Mai erscheint: Dear Martin von Vic Stone ist ein Black lives matter-Buch, sozusagen The Hate You Give aus der Perspektive eines Jungen. Es geht um alltäglichen, unbedacht geäußerten Rassismus und was das mit einem Lebensgefühl macht. Karsten Singelmann übersetzt, er war u.a. Teil des Übersetzerteams von Paul Austers 4321.
Sie erwarte wieder mehr interessante Titel aus den USA, erzählt Christiane Steen, und das Thema Feminismus werde stärker. Auch Susanne Stark, dtv junior-Programmleiterin, sieht eine Umbruchphase. Dabei bleibt das Jugendbuch im eigenen Land ein schwieriges Feld, vor allem was die Midlist angeht. Mit Colleen Hoover hat sie eine Autorin im Programm, die mit Nur noch ein einziges Mal bereits einen Titel über häusliche Gewalt vorgelegt hat, in Bologna seien ihr fünf, sechs neue Titel zum Thema angeboten worden. Eingekauft hat sie bereits eine Serie von Holly Bourne mit drei Titeln über den Spinster Club, der aus drei Mädchen besteht. Jedes Buch ist aus der Perspektive von einer von ihnen erzählt und verhandelt Themen des modernen Feminismus. Großer Erwartungen setzt Susanne Stark in einen Thriller, in dem zwei Jungen die Protagonisten sind, Wicker King von K. Ancrum wird übersetzt von Uwe-Michael Gutzschhahn.
Die Titel sind da, die Relevanz ist da, jetzt muss nur noch viel mehr übers Jugendbuch gesprochen werden – am besten mit einem neuen Format auf Netflix.
Das Sachbuch – immer öfter illustriert
Dass einzelne Titel einem ganzen Genre wieder Auftrieb geben können, weil man plötzlich daran glaubt, haben wir im Sachbuch u.a. durch das Bienen-Buch von Piotr Socha erfahren. Gerstenberg bringt auch seinen neuen Titel über Bäume im selben Großformat. „Grüße mir alle, die auf die Bäume warten, ich muss malen Blätter, Blätter, Blätter“, hat er über Daniela Filthaut ausrichten lassen, weil auch er am heimischen Arbeitstisch klebt anstatt Bologna zu genießen.
In jüngster Zeit haben die Goodnight Stories for Rebel Girls Furore gemacht, Hanser bringt den zweiten Band im Herbst. Zum einen zeigen sie außergewöhnliche Frauen und liegen damit im „Feminismus-Trend“. Zum anderen beweisen sie, dass illustrierte Sachbücher ebenso für eine ältere Leserschaft funktionieren können.
Wir werden mehr davon sehen. Jacoby & Stuart hat einen Titel zum Thema Frauenwahlrecht eingekauft, bei Thienemann erscheint How to be a Girl von Stand up!-Autorin Julia Korbig, und Loewe bringt im November Good Night Stories for Boys who dare to be different. Etwas allgemeiner geht Jörg Bernardy das Thema für Beltz & Gelberg an, Mann Frau Mensch dreht sich um das Thema Identität: Wie werde ich diejenige, die ich bin – oder sein möchte?
Dorling Kindersley-Verlagsleiterin Monika Schlitzer freut sich über die Entwicklung, dass auch in ihrem Foto-orientierten Verlagshaus zunehmend Illustrationen im Kinder-Sachbuch eingesetzt werden. So lässt sich manches Thema auch mit einem Augenzwinkern angehen. Ihr Top-Titel im Herbst wird das Mega-Wissen Natur, ein Prachtband fürs Weihnachtsgeschäft – auch hier lässt sich darauf hinweisen, dass solche Bücher perfekt sind für gemeinsame Vorlesesituationen von Kindern und Erwachsenen. Ebenso umzusetzen mit den großformatigen Bänden Wilde Tiere und Meerstiere, die in der Art des aktuellen Dinosaurier-Bands bei moses erscheinen werden. Oder mit dem neuen Was ist Was-Band über die ISS bei Tessloff.
Mit seinem neu gestarteten 360 Grad Verlag möchte Harald Kiesel bis Jahresende etwa 60 Titel lieferbar haben. Ein Großteil davon sind Lizenzen aus dem Little Tiger Verlag, für den Herbst sind aber auch Eigenproduktionen geplant, wie ein Bilderbuch von Michael Engler und Henning Löhlein. Im Sachbuch wird Der Mond ein Highlight, eine facettenreiche Betrachtung des Mondes von Hannah Pang und Thomas Hegbrook.
Auch die Schweiz hat ihren Reiz
Gastland in Bologna war in diesem Jahr China, und die Schweiz hat sich schon mal warmgemacht für den Auftritt 2019. Die Namen der Illustratoren, deren Werke in der Illustratoren-Schau zu sehen sein werden, möchte man erst nach der Messe bekannt geben, soviel Zeit muss sein. Es werden 26 sein, angelehnt an die Zahl der Buchstaben im Alphabet, verriet der SBVV-Vorsitzende Dani Landolf. Jeder hat einen weiteren Illustrator als Paten, im Vorfeld sind gemeinsame Auftritte der Duos geplant. Mit dem Gesamtkonzept soll das Fachpublikum erreicht werden ebenso wie die Leute in Bologna – und man erhofft sich ein Echo in der Schweiz, wo zuweilen vergessen werde, welche Künstler und Verlage dort zu Hause sind. Dabei müssen die unterschiedlichen Sprachengruppen des Landes berücksichtigt werden.
Bereits gestartet ist der Bolo Klub, berichtet Hans ten Doornkaat, Lektor des atlantis-Programms und Lehrer an der Hochschule in Luzern. Der Bolo Klub ist ein Netzwerk von Illustratoren, ins Leben gerufen vom Illustratorinnenduo It’s raining elephants und dem Studiengang Illustration in Luzern. Das Programm bietet der ausgewählten Gruppe von Studierenden Themen wie Präsentationstechniken, Verlagswesen und Selbstvermarktung sowie Exkursionen inklusive des Besuchs der Kinderbuchmesse in Bologna.
Nachtrag vom 11. Mai 2018: Die kommende Kinderbuchmesse in Bologna wird nicht direkt im Anschluss an die Leipziger Buchmesse stattfinden, wie ursprünglich angekündigt. Der neue Termin: 1. bis 4. April 2019.
Wir danken für alle Begegnungen, Tipps und Inspirationen in diesem Jahr, freuen uns auf kreative Ansätze für die Lösung der angesprochenen Herausforderungen und natürlich auf ein Wiedersehen, wo auch immer. Einen sonnigen April und frohen Mut wünscht Ihnen
Susanna Wengeler
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir, der Bundeskongress Kinderbuch, freuen uns darüber, dass Susanne Wengeler in ihrem Bericht über die Buchmesse in Bologna eine „gewohnt große Programmfülle“ feststellen konnte und konstatiert: „Die Titel sind da, die Relevanz ist da, jetzt muss nur noch viel mehr übers Jugendbuch gesprochen werden.“
Die Frage nach der Bedeutung und der Zukunft des Kinder- und Jugendbuchs im 21. Jahrhundert hat sich auch der Bundeskongress Kinderbuch gestellt. „Vor allem darüber, wie wir den Rückgang der Buchkäufer aufhalten können, wie insbesondere Jugendliche den Spaß am Lesen behalten bzw. entdecken können“ muss gesprochen werden, wie während der durch den Bundeskongress Kinderbuch initiierten Podiumsdiskussion im Rahmen der Leipziger Buchmesse 2018 mit Vertretern des Handels, der Verlage und Forschung. Eine Mitschrift der Diskussion kann als PDF unter http://bundeskongress-kinderbuch.de heruntergeladen werden.
Neben der Perspektive der im Artikel zu Wort kommenden Verleger und Lektoren können auch wir Autoren einen Beitrag zu dieser Diskussion leisten. Fehlt „vielleicht das eine Kinder- oder Jugendbuch, das Lesen wieder zum Gesellschaftsphänomen macht – in diesem Jahr feiert Carlsen 20 Jahre Harry Potter in Deutschland“?
Auch Harry Potter hatte es 1997 nicht leicht, ein Verlagsdach zu finden. Das Buch sei „zu lang“, „kaum kommerziell“ und „politisch nicht korrekt“. (vgl. http://www.spiegel.de/karriere/talent-irrtuemer-wie-die-beatles-und-harry-potter-sich-durchsetzten-a-848567-4.html). Eine Erfahrung, die auch wir in Deutschland lebenden Autoren häufig machen müssen. Zunehmend in den vergangenen Jahren bekommen wir bereits in der Konzeptionsphase zu hören, dass dies oder das vielleicht ein wenig zu viel Problematik für die jungen Leser sei – während gleichzeitig die aus dem Ausland eingekauften Lizenzen, die mit eben jenen Problemen und der daraus resultierenden „Dramatik“ nicht geizen, gerade deswegen hochgelobt, mit Preisen dekoriert und auf die Bestsellerlisten gehoben werden.
„Dabei äußern sich einige Lektorinnen durchaus positiv über das Jugendbuchangebot, insbesondere darüber, was die USA in Bologna anzubieten haben.“ Es scheint, als müsste sich ein Text, der mehr bietet als „Mainstream“, erst einmal in anderen Ländern als Buch beweisen, bevor deutsche Verlage sich an eine Veröffentlichung wagen. Und so „bleibt das Jugendbuch im eigenen Land ein schwieriges Feld, vor allem was die Midlist angeht.“
Dies liegt aber aus unserer Sicht nicht in der Verantwortung der Autoren, die sich nichts sehnlicher wünschen als Geschichten fernab des Mainstream zu erzählen, sondern vor allem am fehlenden Mut der Verlagshäuser.
Bereits 2012 stellt Christoph Kleinen im bereits zitierten Spiegel-Artikel fest: „Joanne K. Rowling trieb der sprichwörtliche Mut der Verzweiflung. Der ist bewundernswert und sehr selten – etwas, das nicht aus der Welt kommt, in der ich nach Talenten suche. Ihre Idee entsprach nicht genau den Schablonen, die die Verlage anlegten – gerade deshalb war sie so stark. Ich suche manchmal auch nach sogenannten ‚Out of Box‘-Kandidaten, die nicht komplett den Kriterien für eine neue Stelle entsprechen, aber etwas Besonderes haben, das sie von anderen unterscheidet. Leider hat selten ein Unternehmen den Mut, so einem Kandidaten auch eine Chance zu geben. Es herrscht eher eine Mentalität der Fehlervermeidung auf den Managerfluren.“
Deshalb wünschen wir, die deutschsprachigen Kinder- und Jugendbuchautoren, uns noch mehr mutige Verleger und Lektoren, die unserem Knowhow und unserer Erfahrung vertrauen und anerkennen, dass wir als Urheber unserer Werke nicht zuletzt durch unsere zahlreichen Begegnungen mit Kindern und Jugendlichen auf Lesungen wissen, was unsere Zielgruppe bewegt und wie wir sie mit unseren Texten und Geschichten erreichen könn(t)en – wenn man uns nur ließe.
Für Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Astrid Frank
im Auftrag des Bundeskongress Kinderbuch