Alexander von Schönburg heute im Freitagsgespräch über sein neues Buch ... „Die Kunst des lässigen Anstands“

Alexander von Schönburg mit seiner Verlegerin Felicitas von Lovenberg während der LG Buch Tagung d. J.: „Wir haben aus lauter Begeisterung für Fortschritt und aus lauter Druck, zeitgemäß zu sein, so ziemlich alles etwas, was einmal galt, aus dem Fenster geschmissen. Und das in einem Ausmaß, dass viele das mittlerweile als Verlust empfinden. Selbst Leute, die nichts mit Christentum am Hut haben, sprechen plötzlich von der Verteidigung des Abendlandes“

 

Jeden Freitag hier ein Autorengespräch, heute mit Alexander von Schönburg: Bei der diesjährigen Jahrestagung der LG Buch hatte er erstmals aus seinem neuen Sachbuch  „Die Kunst des lässigen Anstands“ vorgelesen, seither machen seine Thesen zur Wiederentdeckung alter Tugenden schon die Runde. Mag sein, dass das der Anlass für den Piper Verlag war, den Erscheinungstermin des Buches auf den 30. August vorzuziehen. Für uns war das Anlass für unser heutiges Autorengespräch. Und wir haben gefragt: 

Hern von Schönburg: Worum geht es in Ihrem Buch?

AvS: Diese Frage hatte ich befürchtet.

Das fragen wir jedesmal zuerst, damit unsere Leser im Buchhandel  sofort wissen, wo und wie sie ein Buch für ihre Kunden einordnen können.

Es geht um alles, den Erhalt des Abendlandes. Im Ernst: Es geht um unsere komplette Orientierungslosigkeit, den Verlust aller zeitlosen Werte, Maßstäbe und Standards. Seit 50 Jahren erleben wir eine fortwährende Destruktion und Verwüstung von allen jemals existierenden Wertesystemen. Am Anfang war das sicher auch ganz befreiend, aber jetzt ist der Moment gekommen, ein wenig innezuhalten und Inventur zu machen. Wir haben alles, was jemals galt, in Frage gestellt. Jetzt ist es langsam an der Zeit das Alles-in-Frage-stellen in Frage zu stellen.

Wen stellen Sie sich als Zielgruppe vor und mit welchem Argument wäre „Die Kunst des lässigen Anstands“ am besten zu verkaufen?

Lesen Sie das Buch, wenn Ihnen unsere komplette Orientierungslosigkeit langsam unheimlich wird, wenn Sie inmitten eines Ozeans der Beliebigkeit und anything goes Sehnsucht nach festen Boden unter den Füßen haben.

Wie sind Sie denn auf das Thema gekommen?

Ich schreibe hauptsächlich, um mir Dinge selber klar zu machen. Ich denke laut nach. Dann bin ich plötzlich über die Lektüre des amerikanischen Autors Walker Percy beim Lanzelot-Stoff gelandet und konnte nicht mehr genug kriegen von Artussagen und Geschichten wie Tristan und Isolde. Ich war verblüfft, wie modern und relevant die Fragen um Tugend und Tugendhaftigkeit in diesen archetypischen Geschichten sind und wollte die irgendwie ins Heute holen.

Tugenden hört sich so altmodisch an…

Gerade deshalb wirken sie paradoxerweise plötzlich so frisch.

„Es geht um das Wiederfinden verschütteter Qualitätserlebnisse, Qualität ist der stärkste Feind jeder Art von Vermassung.Kulturell bedeutet das Qualitätserlebnis die Rückkehr von Zeitung und Radio zum Buch, von der Hast zur Muße und Stille, von der Zerstreuung zur Sammlung, von der Sensation zur Besinnung, vom Snobismus zur Bescheidenheit, von der Maßlosigkeit zum Maß.“Einlesen ins Buch durch Klick auf Cover

… und Ritterlichkeit (auf dem Cover abgebildet) noch viel mehr.

Dann lassen Sie sich überraschen! Ich glaube, wir befinden uns in einer ähnlichen Situation wie zu Hochzeit der Industriellen Revolution, als vor lauter Modernisierungswahn und Technikvergötterung die Maler, Dichter und Baumeister vor-industrielle Ideale entdeckten. Wir haben aus lauter Begeisterung für Fortschritt und aus lauter Druck, zeitgemäß zu sein, so ziemlich alles etwas, was einmal galt, aus dem Fenster geschmissen. Und das in einem Ausmaß, dass viele das mittlerweile als Verlust empfinden. Selbst Leute, die nichts mit Christentum am Hut haben, sprechen plötzlich von der Verteidigung des Abendlandes.

Wie passt der neue Titel in die Reihe Ihrer bisherigen Bücher?

Die Kunst des stilvollen Verarmens“ war letztlich nichts anderes als ein großes, ein wenig aus den Fugen geratenes Essay über immaterielle Werte, „Weltgeschichte to go“ war letztlich eine Trotzreaktion gegen Yuval Hararis „Eine kurze Geschichte der Menschheit“. Ich war damals vollkommen hin und weg davon, bin sogar zu ihm nach Jerusalem gereist – um ihn zu interviewen und mit ihm darüber zu streiten. Er sagte so Dinge wie „Wenn Tausend Leute etwas Erfundenes glauben, ist es Fake News. Wenn Milliarden Menschen etwas seit 1000 Jahren glauben, ist es Religion.“ Oder: „Wenn die Erde morgen ‚päng‘ macht und nicht mehr existiert, interessiert das niemanden im Kosmos“. Ich habe es geliebt, mit ihm zu streiten, aber ich fand sein nihilistisches Weltbild verstörend. Wenn nämlich nichts zählt, weil eh alles aus der Sicht von Abermillionen Jahren und den weiten des Kosmos egal ist, wenn Moral und Gebote alles menschliche Konstruktionen sind, wie soll man dann erklären, dass es falsch ist, unschuldige Kinder zu töten oder warum es Schönes und Erhabenes ist, Schwache zu verteidigen? „Weltgeschichte to go“ war also eine Art Harari für Nixcht-Nihilisten oder für Nihilisten, die den Mut haben, sich ein paar fundamentale Fragen gefallen zu lassen. In „Die Kunst des lässigen Antands“ treibe ich diese Fragen auf die Spitze.

Bei der Lektüre musste ich an das Buch „The Tipping Point“ denken, in dem es um die These geht, dass jeder auf der Welt mit jedem auf der Welt in maximal sechs Stationen verbunden ist – unsere schnelle Verbindung wäre Ruth Westheimer, die mich bei mehreren Treffen mehr als beeindruckt hat… Sie haben so begeistert über sie geschrieben… 

Eine unfassbar faszinierende Frau. Ich habe ihr fast das ganze Kapitel über die Tugend der „Dankbarkeit“ gewidmet. Ich habe schlicht noch nie einen Menschen erlebt, der wie sie dazu in der Lage ist, trotz allem, was sie erlebt hat, Dankbarkeit zu empfinden. Wenn sie an die schmerzhafte Trennung von ihrer Mutter und ihrer Großmutter damals am Frankfurter Hauptbahnhof zurückdenkt, eines dieser Kindertransporte in die Schweiz, ist das wohl der traurigste Moment ihres Lebens, dennoch sagt sie heute: „Es war meine zweite Geburt. Meine Eltern haben mir damals zum zweiten Mal das Leben geschenkt.“ Im Waisenhaus in der Nähe von Bern wurde sie ziemlich grob behandelt, sie verschweigt das nicht, nur um kurz drauf über ihre Dankbarkeit den Schweizern daneben zu stellen, die ihr das Leben gerettet haben. Eine echte Lebenskünstlerin.

Und haben Sie ggf. noch eine Botschaft an den Buchhandel, der derzeit mit sinkenden Käuferzahlen zu kämpfen hat, oder eine kleinen Trost?

Zu jedem Trend gibt es einen Gegentrend. Die Sucht nach schnell konsumierbaren, elektronischen Medien, der Druck, dass möglichst alles immer „niedrigschwellig“ sein muss, führt auch dazu, dass kleine, feine Buchhändler mit einem liebevoll kuratierten Angebot plötzlich wieder Kult sind. Das eigene Profil, die Unverwechselbarkeit, das Individuelle hat in Zeiten der Vermassung ebenfalls Konjunktur. Dazu passt ein sehr schöner Gedanke von Dietrich Bonhoeffer, den ich in meinem Buch zitiere. „Adel“, schreibt er, habe nichts mit Geburt zu tun, sondern entstehe durch Mut und durch klares Wissen um das, was man sich und anderen schuldig ist. Und dann kommt der schöne Satz: „Es geht um das Wiederfinden verschütteter Qualitätserlebnisse, Qualität ist der stärkste Feind jeder Art von Vermassung.“ Und dann: „Kulturell bedeutet das Qualitätserlebnis die Rückkehr von Zeitung und Radio zum Buch, von der Hast zur Muße und Stille, von der Zerstreuung zur Sammlung, von der Sensation zur Besinnung, vom Snobismus zur Bescheidenheit, von der Maßlosigkeit zum Maß.“ Schön, oder?

Die Fragen stellte Christian von Zittwitz

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