Literaturpreise Gila Lustiger nahm Horst Bingel-Preis entgegen

Am Freitag Abend wurde in den Räumen des Literaturarchivs der Goethe-Universität Frankfurt zum zweiten Mal der Horst Bingel-Preis vergeben. In diesem Jahr geht die alle zwei Jahre verliehene Auszeichnung an Gila Lustiger für ihr Essay Erschütterung, im März 2016 im Berlin Verlag erschienen.

Jürgen Bohtner, Gila Lustiger und Barbara Bingen
Jürgen Bohtner, Gila Lustiger und Barbara Bingen
Wolfgang Schopf
Wolfgang Schopf

Wolfgang Schopf, Leiter des Literaturarchivs, begrüßte die zahlreichen Gäste. Anschließend sprach Barbara Bingel, Witwe des 2008 verstorbenen Schriftstellers, Lyrikers, Grafikers Horst Bingel und Vorsitzende der 2009 gegründeten Horst Bingel-Stiftung: „Wir haben es geschafft: Der Preis wird zum zweiten Mal verliehen. Die erste Preisträgerin, Nadja Küchenmeister, die 2014 den Preis erhielt, bekam 2015 der Förderpreis des Bremer Literaturpreises – die Auszeichnung kann also durchaus weitere nach sich ziehen.“

Ausschlaggebend für den Horst Bingel-Preis sei es, literarische Qualität mit sozialem Engagement zu verbinden. Eine fünfköpfige Jury habe sich 2016 für Gila Lustiger entschieden, die mit ihrem Essay über die Terroranschläge von Paris hinterfragte.

Jürgen Bothner, Landesvorstand ver.di Hessen – gemeinsam mit der Horst Bingel-Stiftung initiierte die Gewerkschaft den Preis – lobte die Preisträgerin: „Ihre Gedanken lösen neues Denken aus.“

Gleichzeitig würdigte er die Buchdrucker und wies darauf hin, dass der 1866 gegründete Buchdruckerverband (seit 1892 Verband der Deutschen Buchdrucker) 2016 sein 150-jähriges Bestehen feiert.

Er spannte den Bogen bis zu den Geflüchteten: „Unter diesen sind auch Journalisten und Schriftsteller. Bei ver.di kümmern sich viele ehrenamtlich um Geflüchtete.“

Claus-Peter Leonhardt, Vorsitzender des Verbandes deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller (VS)/Landesverband Hessen, der als Fachgruppe zu ver.di gehört, betonte: „Journalisten und Autoren leben gefährlich, die Kraft des Wortes ist immens. Gila Lustiger hat mit einem Wort die Lage getroffen: Erschütterung.“

Hubert Spiegel
Hubert Spiegel

Die Laudatio auf die Preisträgerin hielt Hubert Spiegel, FAZ und Jurymitglied: „Gila Lustigers Essay gibt ein Beispiel, was ein Einzelner gegen Terrorismus tun kann: Nicht zu akzeptieren, dass Angst zum Normalzustand wird.“ Der Essay lasse den Leser an den Gefühlen der Autorin auf sehr direkte und persönliche Weise teilhaben. Lustiger arbeite als recherchierende Journalistin und als Historikerin.

Sie stelle Fragen, beispielsweise wie Bildung zum Mittel der Integration werden kann, wenn Sprache von den Migranten als Demütigung begriffen werde.

„Lustiger war oft sprachlos, hat aber vor der Komplexität ihres Gegenstands nie die Waffen gestreckt“, würdigte Spiegel.

Frankreich habe nach den Terroranschlägen das Projekt „13. November“ ins Leben gerufen und stellt dafür über den Zeitraum von zehn Jahren 20 Millionen Euro zur Verfügung. Das Forschungsprojekt untersuche die Auswirkungen der Anschläge auf die Gesellschaft. Lustiger hingegen untersucht die Gründe für die Attentate in der Gesellschaft.

„Lustiger wählte mit dem Essay eine Form, die ihr größtmögliche Freiheit gewährt und reagierte außerordentlich schnell auf die Ereignisse. Das Buch hallt nach“, sagte Spiegel. Ein Essay für eine aus den Fugen geratene Welt in der Hoffnung, dass ein Einrenken möglich ist.

Nach Übergabe der Urkunde bedankte sich Gila Lustiger für den mit 8.000 Euro dotierten Preis: „Der Essay ist in sechs Wochen entstanden, ohne meinen Lektor Andreas Paschedag hätte ich das nicht geschafft.“ Ihr Vater Arno Lustiger wäre sicher stolz auf die Tochter gewesen, die nun den zweiten Horst Bingel-Preis entgegennehmen konnte.

Gila Lustiger, im Hintergrund ein Porträt von Horst Bingel
Gila Lustiger, im Hintergrund ein Porträt von Horst Bingel

Im Vorfeld der Preisverleihung habe sie sich mit Horst Bingel beschäftigt: „Er verlangte von den Dichtern, für Anständiges einzutreten.“

Weiter sagte Lustiger: „Ob Literatur etwas bezwecken soll und kann? Ich weiß es nicht. Aber ich hoffe es.“

JF

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