Junius Verlag jetzt mit erzählenden Büchern – aber warum?

Berend Goos: Ein Leben in Hamburg
– in schöner Leinenausstattung

„Bei uns hat sich viel getan, gerade erst haben wir den ersten erzählenden Text in über dreißig Jahren Junius ausgeliefert“, schrieb uns Geschäftsführer Steffen Herrmann. Was zu Nachfragen reizt. Erzählende Literatur im Verlag für Architektur und mit seinen Einführungen in die Geisteswissenschaften?

Es geht um die Lebenserinnerungen des Hamburger Apothekers und Malers Berend Goos. Ein Buch, das damals schon in einer Art Selbstverlag erschienen ist. Und dann seine Karriere machte. Bis 1907 erlebten sie in unterschiedlichen Fassungen mehrere Auflagen und erfreuten sich bei den Hamburgern großer Beliebtheit. Seither ist das Buch vom Markt verschwunden und wartet auf seine Neuentdeckung, so Herrmann. Grund für ein paar Fragen an Herrmann:

Steffen Herrmann

buchmarkt.de: Warum haben Sie sich auf einmal für Erzählendes erwärmen können?

Steffen Herrmann: Das Buch ist ein Antiquariatsfund, 1896 zum ersten Mal und 1907 zum letzten Mal gedruckt. Es handelt sich um die Lebensbeschreibung eines Hamburgers aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert, ursprünglich für die eigene Familie geschrieben. Die besondere Anschaulichkeit der Stadtbeschreibungen und der nüchterne Humor des Autors sind überraschende Qualitäten dieses vergessenen Buchs, außerdem ist es eine herausragende Hamburgensie: lauter Beschreibungen von Ecken, die es noch gibt, und von Leuten, die in Straßennamen fortleben, ohne dass man heute wüsste, wer das eigentlich war – das alles in völlig zeit- und schnörkelloser Prosa.

Das heißt im Regionalia-Programm lässt sich das machen?

Ja, in einem Regionalprogramm ergeben sich dauernd alle möglichen Querverbindungen. Von der Architektur war der Weg nicht weit zu zeitgenössischer Fotografie, von dort haben wir uns mit historischen Fotobänden in die Vergangenheit zurückgearbeitet und von da ist wieder der Weg zu einem erzählenden Text aus dem 19. Jahrhundert nicht weit. Auch dieses Buch ist wieder ein Verbindungsstück.

Warum in dieser Leinen-Ausstattung, die anderen Hamburg-Titel kommen zwar aufwändig, aber glatter daher?

Wir versuchen, für jedes Buch eine eigene Form zu finden, d.h. wir tun das gemeinsam mit Benjamin Wolbergs, einem jungen Buchgestalter aus Berlin, der sich historischen Formen auf sehr moderne Weise nähert. Da ein Regionalprogramm viele Genres umfasst, gibt es entsprechend große Möglichkeiten zum Spiel mit den Genrekonventionen. Für die Bücher werden extra Schriften gekauft, es gehen viele Einband- und Papiermuster hin und her, bis das Ausstattungskonzept steht.

Welche Rolle spielt die Ausstattung auch im regionalen Bereich?

Da Regionalverlage häufig kleine Monopolisten sind, ist der Veränderungsdruck nicht so stark. Es gibt noch immer die glanzfolienkaschierte Stapelware, die ohne Druckvorstufe und häufig in Übersee produziert wird. Umso mehr fallen in dem Segment Bücher mit besonderen Ausstattungsmerkmalen auf. Manche Käufer finden die Bücher einfach nur ansprechend, andere freuen sich am Spiel mit der Tradition oder erkennen, dass hier mit einer Grafik auf der Höhe der Zeit gearbeitet wird. Aber alle sind bereit, dafür angemessene Preise zu bezahlen. Das freut auch die Buchhändler, von denen inzwischen einige nervös anrufen, wenn wir nicht gleich zu Reisebeginn einen Termin machen.

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